Tag 2 in Genf: Treffen mit Aktivistinnen in der Flüchtlingsarbeit und Bleiberechtsdemo

Tag 2 in Genf: Treffen mit Aktivistinnen in der Flüchtlingsarbeit und Bleiberechtsdemo

Aktuell findet in Genf die zweite Runde der Friedensverhandlungen zu Syrien statt. Diese Friedensgespräche sind eine große Chance, einen Friedensprozess in Syrien einzuleiten und damit erste Schritte auf dem Weg zu gehen, den fürchterlichen Bürgerkrieg zu beenden. Ich bin für drei Tage nach Genf gereist, um vor Ort einen Eindruck vom Stand der Friedensgespräche zu bekommen und gleichzeitig mit NGOs und Refugee-Organisationen ins Gespräch zu kommen. Am heutigen Tag gibt es zwei Berichte. Dieser hier befasst sich mit der Flüchtlingspolitik der Schweiz und einer Demonstration zum Bleiberecht, alles was die Friedensgespräche und die Situation in Syrien betrifft, fasse ich in einem zweiten Bericht zusammen.

Heute Mittag haben wir uns mit Betty und Aude getroffen. Die beiden Frauen sind vom lokalen Colletif Perce-Frontieres (dem lokalen No Borders Kollektiv) und arbeiten intensiv mit Geflüchteten in Genf. Sie haben uns über das Asylsystem in der Schweiz im Allgemeinen und die Situation in Genf im Besonderen berichtet.

Gleich zu Beginn kann ich sagen, dass mich eine Information heute wirklich geschockt hat und damit möchte ich hier beginnen: Überall in der Schweiz gibt es Luftschutzbunker, die für den Kriegsfall eingerichtet wurden und wo jeder Schweizer einen Platz für den Ernstfall hat. Da derzeit in der Schweiz kein Krieg ist, stehen die Bunker leer. Im Kanton Genf ist man seit mehr als einem Jahr dazu übergegangen, Geflüchtete in diesen Bunkern unterzubringen. Von den aktuell ca. 5000 Geflüchteten, die im Kanton leben, sind ca. 700 Menschen in 11 dieser Bunker untergebracht. Bunker heißt: Keine Fenster, 70 bis 80 Personen in einem großen Raum, Neonlicht, drei Duschen, keine Kochmöglichkeiten, keine Rückzugsräume. Und unter diesen Bedingungen müssen die Menschen im Schnitt ein halbes Jahr aushalten, es gibt aber wohl auch Fälle, wo der Aufenthalt bereits ein Jahr dauert. Das ist absolut unmenschlich! Es wundert daher nicht, dass sich der Widerstand der AktivistInnen in Genf vor allem gegen die Bunkerunterbringung richtet. Aus diesem Widerstand heraus hat sich eine intensive Zusammenarbeit zwischen Vereinen, Aktiven in der Flüchtlingsarbeit und Refugees in Genf entwickelt.

So waren bei der heute in Genf stattfindenden Demonstration für Bleiberecht, an der wir nach dem Gespräch gemeinsam mit Betty und Aude teilnahmen, auch einige Schilder mit der Aufschrift „No Bunker“ zu sehen. Hier ein paar Eindrücke von der Demo.

Aber zurück zum Gespräch mit Betty und Aude. Neben der Situation der Asylsuchenden in Genf haben wir auch über das Asylsystem der Schweiz gesprochen. Dieses ist in Teilen ähnlich wie in Deutschland organisiert, es gibt aber auch einige Unterschiede.

Wenn Geflüchtete in der Schweiz ankommen, kommen sie zuerst in die Erstaufnahme. Hier wird geprüft, ob sie berechtigt sind einen Asylantrag zu stellen oder nicht (bspw. bei Dublin-Fällen darf kein Antrag gestellt werden) oder auch ob eine sofortige „Rückführung“ geboten ist und ob dieser ggf. ein Abschiebungsverbot  entgegen steht. Nach max. 90 Tagen Aufenthalt in der Erstaufnahme werden die Asylsuchenden auf die Kantone verteilt. Dies gilt auch für diejenigen, die ggf. nicht asylantragsberechtigt sind. In den Kantonen werden sie in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, dies können feste Einrichtungen sein, aber auch Container-Lösungen oder eben die bereits beschriebenen Bunker. Eine Unterbringung in Wohnungen während des Asylverfahrens findet nicht statt.

Bis zur Entscheidung ihres Asylantrags können mehrere Jahre vergehen, im Schnitt schätzten Betty und Aude dauert ein Verfahren ca. 2 Jahre. In der Zeit bis zur Antragsentscheidung haben die Asylsuchenden in der Schweiz kein Recht auf Arbeit und auch keinen Zugang zu Sprachkursen.

Dies waren in der Kurzfassung die wichtigsten Facts zum Asylsystem in der Schweiz. Morgen treffen wir uns mit zwei Aktivistinnen von Vivre Ensemble, einer non-profit-Organisation zur Verteidigung des Rechts auf Asyl. Von diesen beiden werden wir weitere Informationen zum Asylsystem erhalten. Auch dazu wird es natürlich einen Bericht geben 🙂