Interview: „Die Erstattungen reichen nicht“

Interview: „Die Erstattungen reichen nicht“

Dem Prignitzer habe ich ein Interview zur Integrationspolitik der Landesregierung gegeben. Dies ist hier dokumentiert.

„Die Erstattungen reichen nicht“

Die Landtagsabgeordnete der Linken Andrea Johlige sieht bei Integrationspolitik im Land viel Nachholebedarf

Benjamin Lassiwe

Wieder einmal hat die Brandenburger Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) die Landesregierung nach der Evaluation des Landesaufnahmegesetzes gefragt. Erneut lautete die Antwort: kommt später. Benjamin Lassiwe hat mit ihr gesprochen.


Frau Johlige, Sie fordern seit Jahren eine Evaluation des Landesaufnahmegesetzes. Warum?

Die Kommunen klagen schon lange, dass die Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Brandenburg nicht auskömmlich finanziert ist. Das hat das Land immer bestritten. Eigentlich hätte Ende 2017 eine gesetzlich vorgesehene Prüfung der im Landesaufnahmegesetz vorgegebenen Finanzierung stattfinden müssen. Das ist nicht passiert.
Aber jetzt hat das Land anhand der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain selbst bewiesen, dass die Sätze nicht auskömmlich sind: Das Land hat die Einrichtung nämlich an den Landkreis Elbe-Elster vermietet. Dafür stellt es dem Kreis für Januar bis Juni 2023 für 250 Plätze 1,5 Millionen Euro in Rechnung. Für die Unterbringung der untergebrachten Flüchtlinge erhält der Landkreis aber nur 1,1 Millionen Euro vom Land. Das zeigt: Die Kostensätze müssen endlich überprüft werden, damit die Kommunen nicht auf den Kosten sitzen bleiben.


Wie bewerten Sie die neue Absage des Ministeriums?

Als ich 2021 das Ministerium nach der Evaluation gefragt habe, hieß es, man habe im Ministerium für Gesundheit, Soziales, Integration und Verbraucherschutz zu viel mit der Corona-Pandemie zu tun.
Nun heißt es, man habe zu viel mit der Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge zu tun. Aus meiner Sicht ist das eine Frage des Willens und nicht des Könnens. Wir sehen schon lange, dass die Aufnahme von Flüchtlingen kein Schwerpunkt des Sozial- und Integrationsministeriums mehr ist.


Wie schätzen Sie denn die Flüchtlingspolitik der Landesregierung insgesamt ein?

Der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig auf Rückführung und nicht auf Integration. Und das wird uns teuer zu stehen kommen.
Jeder Cent, den ich jetzt an der Integration spare, wird uns in anderen Bereichen auf die Füße fallen. Wenn ich die Menschen nicht integriere, ihnen keine Deutschkurse gebe, sie nicht ausbilde und ihnen keine Perspektive für ein besseres Leben gebe, werden sie in soziale Problemlagen abrutschen und vielleicht auch in die Kriminalität.
Für ein Abschiebedrehkreuz will das Land in den nächsten Jahren 315 Millionen Euro ausgeben. Gleichzeitig werden die Integrationsgelder zusammengekürzt.


Welche Rolle spielen denn die Grünen dabei?

Die Grünen können sich in der Landesregierung nicht durchsetzen. Ich glaube, mit ihrer Integrationspolitik enttäuschen sie ihre Wähler und Parteimitglieder gleichermaßen. Und ich weiß, dass die Flüchtlingsinitiativen im Land besonders enttäuscht sind.
Denn sie haben sich darauf verlassen, dass die Grünen der Partner in der Koalition sind, der sich aktiv für die Integrationspolitik einsetzt. Und das geschieht derzeit nicht.