Besuch im Lausitzer Braunkohlerevier - Tagebaue Jänschwalde und Cottbus Nord

Besuch im Lausitzer Braunkohlerevier – Tagebaue Jänschwalde und Cottbus Nord

Als in der Landtagsfraktionssitzung vor einigen Wochen die Frage gestellt wurde, wer Interesse hätte, mal die Tagebaue Jänschwalde und Cottbus Nord zu besuchen und sich vor Ort ein Bild vom Braunkohleabbau und der Renaturierung zu machen, habe ich mich sofort gemeldet. Auch wenn es weit entfernt von meinen fachpolitischen Themen ist, spielen Energiepolitik und der Ausstieg aus der Braunkohle in der Landespolitik immer wieder eine Rolle. Und Leser*innen dieses Blogs wissen, dass ich immer alles ganz genau wissen muss und mir die Sachen am liebsten selbst anschaue und mit den unterschiedlichen Akteuren spreche, um mir ein Bild zu machen. Und so machte ich mich heute mit den Abgeordneten meiner Fraktion, Anke Schwarzenberg, Andreas Bernig und Carsten Preuß, zwei Refereten der Fraktion und der Landesvorsitzenden der LINKEN Brandenburg, Anja Mayer, auf den Weg nach Jänschwalde.

Ich werde hier nicht versuchen die energiepolitischen Debatten der vergangenen Jahre nachzuzeichnen. Klar ist, dass meine Partei einen Ausstieg aus der Braunkohle vor allem aus Klimaschutzgründen bis 2040 will. Diese Forderung ist auch völlig richtig. Offen gestanden war mir aber bis heute nicht vollständig klar, was das für die Region bedeutet und ich habe heute eine Vorstellung davon bekommen, welch große Aufgabe der immer wieder thematisierte „Strukturwandel der Lausitz“ eigentlich ist.

Ich beschränke mich hier auf einen Bericht vom Besuch, um den geneignten Leser*innen, die vielleicht noch nicht die Chance hatten, einen Tagebau zu besuchen, einen Einblick zu geben. Ich selbst habe vorher noch nie einen Tagebau besucht, lediglich als Jugendliche habe ich in der Umgebung von Dessau Badefreuden in einer Bergbaufolgelandschaft genossen. Ich hatte aber natürlich Vorstellungen, wie es da so aussieht, und habe heute gelernt, dass meine Vorstellungen nur zum Teil der Realität entsprechen.

Aber ersteinmal zu den Fakten: Die Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) betreibt den Tagebau Jänschwalde/Cottbus Nord. Weitere Tagebaue ihres Reviers sind die Tagebaue Welzow, Nochten und Reichwalde. Die LEAG hat 8.000 Mitarbeiter*innen, darunter 600 Auszubildende.

Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde hat im Jahr 2017 20 Mrd. kwh Strom produziert und kann 5,7 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Es hat sechs 500-Mega-Watt-Blöcke, wobei zwei davon Ende 2018 bzw. Anfang 2019 nur noch für Engpässe vorgehalten werden. Nach vier Jahren sollen sie stillgelegt werden.

Der Tagebau Jänschwalde wurde 1974 aufgeschlossen, ca. 2023 wird er ausgekohlt sein. Acht bis zehn Millionen Tonnen Braunkohle werden hier jährlich gefördert. Parallel zur Braunkohleförderung findet bereits die Renaturierung statt. Hierbei entstehen forst- und landwirtschaftliche Flächen, Seen sowie Flächen, die dem Naturschutz zugeführt werden.

Im Tagebau Cottbus Nord wurde im Jahr 2015 die letzte Kohle gefördert. Hier entsteht neben land- und forstwirtschaftlichen Flächen der Cottbuser Ostsee mit einer Wasserfläche von 19 qkm und 26 km Uferlinie. Die Flutung des Sees beginnt voraussichtlich Ende 2018, 2025 soll sie abgeschlossen sein.

So viel in aller Kürze zu den Fakten, wer mehr wissen will, wird in den Weiten des Internets fündig.

 

Die Landesvorsitzende der LINKEN, Anja Mayer, und ich mit „Vollausstattung“: Helm und Headset.

Pünktlich um 9 Uhr begann bei unserem Besuch zuerst eine Präsentation durch die LEAG als Einführung in die Thematik. Neben den Rahmendaten, vielen technischen Details und Erläuterungen ging es vor allem um die Renaturierung. Hier war ich das erste Mal an dem Tag überrascht. Aus zwei Gründen:

1. Mir war vorher nicht klar, über welche enorme Wirtschaftskraft wird hierbei reden. Das sei verdeutlicht an einer Zahl: 1,4 Mrd. Euro zahlt die LEAG jährlich an Löhnen, Gehältern und Honoraren. Das macht deutlich, welch große Aufgabe das schnell dahergesagte Wort des „Strukturwandels“ eigentlich bedeutet. Wenn man will, dass in der Lausitz auch nach eine Braunkohleausstieg eine ähnliche Wirtschaftskraft vorhanden ist, wie aktuell, werden noch sehr große Anstrengungen in den kommenden Jahrzehnten notwendig sein.

2. Mir war vorher auch nicht klar, was „Renaturierung“ und Schaffung einer Bergbaufolgelandschaft eigentlich praktisch heißt. Ich dachte vorher immer, da bleibt eine „Mondlandschaft“, wo sich halt danach Natur zurück holt, was ihr genommen wurde. Das kann man naiv finden, ich gebe zu, mich damit auch noch nicht intensiv beschäftigt zu haben. Schon bei dem Vortrag zu Beginn des Besuchs wurde mir deutlich, wie viel Planung, Kraft, Zeit und Geld in die Renaturierung fließt.

Nach der ca. einstündigen Präsentation und der geduldigen Beantwortung unserer Fragen bekamen wir einen Helm und ein Headset (das wurde benötigt um den Erläuterungen während der Fahrt durch den Tagebau folgen zu können, in dem Gefährt war es recht laut…) und dann starteten wir die ca. dreistündige Fahrt.

Das erste Ziel war der nördliche Teil des Tagebaus Jänschwalde, wo aktuell die Förderung der Kohle stattfindet. Die Förderbrücke stammt wohl noch aus DDR-Produktion und tut ihrem Dienst zuverlässig. Zu den technischen Details kann ich nicht viel sagen, die habe ich recht schnell wieder vergessen. Hier hatte ich aber die 3. Erkenntnis des Tages: Das ist alles unfassbar groß. „Groß“ ist ja irgendwie auch immer eine Erwartungsfrage. Ich wusste schon rational, dass es bei einem Tagebau um große Flächen und große Geräte geht. Das aber mal gesehen zu haben und stundenlang durch das Gebiet, um das es geht, zu fahren, oder auch unter dieser riesigen Förderbrücke zu stehen, hat dann klar gemacht, dass meine Vorstellung von „groß“ in dem Fall viel zu klein war. Aber: Das war der Teil der Fahrt, wo meine Erwartungen, wie es in einem Tagebau aussieht, am ehesten bestätigt wurden. „Mondlandschaft“ trifft es wohl:

Danach ging es zu den Renaturierungsflächen. Renaturierung bedeutet hier, dass ganz genau geplant wird, wie das Gelände später aussehen soll und welche Nutzung es dafür geben wird. Schon lange im Vorfeld ist klar, wo künftig eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung stattfinden soll, wo naturnahe Lanschaft, Offenhaltungsflächen oder auch Seen entstehen sollen. Das wird bereits beim Abbau und der Aufschüttung des Abraums mit beachtet. Vor Inanspruchnahme der Fläche wird Oberboden abgetragen, der an anderer Stelle wieder aufgetragen wird, es wird der Boden verdichtet wo nötig und es gibt klare Planungen für die Aufforstung bzw. Ansiedlung von Pflanzen in den naturnahen Flächen. Auch an Lebensräume für Tiere wird gedacht und bei landwirtschaftlich zu nutzenden Flächen gibt es übere mehrere Jahre festgelegte Fruchtfolgen um den Boden so anzureichern, dass die Erträge stimmen. Meine naive Vorstellung, dass man das der Natur überlässt, war jedenfalls grundlegend falsch. Und: Ich war überrascht, wie schnell die Flächen sich entwickeln.

Die Fahrt ging weiter zum Tagebau Cottbus Nord. Dieser ist bereits seit 2015 ausgekohlt. Hier entsteht der Cottbuser Ostsee, der auch und vor allem touristisch entwickelt werden soll. Auch hier war im Vorfeld meine Vorstellungskraft zu klein dimensioniert. Wir reden über einen riesigen See mit mehreren Inseln, der bis zu 60 m tief sein wird und der ein neues Wassersport- und Tourismus-Revier werden wird. Alle folgenden Aufnahmen stammen „aus“ dem künftigen See…

Danach ging es zurück zum Besucherzentrum. Hier noch ein paar weitere Eindrücke von der Fahrt:

Weitere Fotos vom Tag sind bei Flickr veröffentlicht.

Es war ein sehr spannender Tag und ich habe sehr viel gelernt über die Dimension des Strukurwandels in der Lausitz, über Tagebaue und Renaturierung. Danke an die Kollegen von LEAG, die uns einen guten Einblick in ihre Arbeit gegeben haben. Und auch wenn wir sicher nicht überein kommen werden, was Fragen des Ausstiegszeitraums aus der Kohle betrifft, hat der Besuch doch ganz sicher auf allen Seiten Erkenntnisgewinn gebracht!