Brief des Kreisvorstandes der LINKEN Havelland an den Parteivorstand der LINKEN

Rathenow, 3. Juni 2010

Liebe Genossinnen und Genossen des Bundesvorstandes, liebe Genossinnen Lötzsch und Lay, liebe Genossen Ernst, Dreibus und Maurer,

mit Befremden haben wir von eurem Beschluss Kenntnis erlangt, dass die Parteiämter Parteivorsitzende, BundesgeschäftsführerInnen und Parteibildungsbeauftragte hauptamtlich ausgeübt werden und der Bundesschatzmeister mit den einzelnen AmtsinhaberInnen Verträge über die Höhe der Bezüge abschließt. Zwar erwähnt ihr in eurem Beschluss, dass die Bezüge aus dem Abgeordnetenmandat, das alle AmtsinhaberInnen parallel innehaben, berücksichtigt werden sollen, aber auch Verluste aus bisherigen Arbeitsverhältnissen sollen in die Höhe der Bezüge eingehen und die Bezüge dürfen insgesamt den bisherigen Haushaltsansatz (in Höhe von 240.000 Euro jährlich, aus diesen wurde jedoch bisher der Schatzmeister finanziert, der kein Abgeordnetenmandat inne hatte) nicht überschreiten.

Wir stellen dazu fest:

  1. Es ist absolut unverständlich, weshalb der Bundesvorstand vom bisherigen Konsens innerhalb der Partei, dass Parteiämter nur dann hauptamtlich sind, wenn die AmtsinhaberInnen keine Mandate innehaben, abrückt. Bisher gab es unseres Wissens maximal die Aufstockung der Bezüge bis zur Höhe der Bezüge einer/s stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Vier der fünf „betroffenen“ AmtsinhaberInnen sind aber bereits stellvertretende Fraktionsvorsitzende und haben demnach bereits jetzt höhere Bezüge aus ihrem Abgeordnetenmandat. Zusätzliche Bezüge aus den durchaus knappen Finanzen der Partei erscheinen uns unangebracht und auch unnötig.
  2. Auch die Höhe der zur Verfügung stehenden Gelder scheint unangemessen. Bei fünf AmtsinhaberInnen (eine hat ja bereits Verzicht erklärt) stehen pro Person fast 50.000 Euro zur Verfügung. Das sind ca. 4000 Euro monatlich im Schnitt. Da es sich um individuelle Vereinbarungen handeln soll und auch bisherige Arbeitsverhältnisse einbezogen werden, mag dies im Einzelfall sogar noch nach oben abweichen.
    Liebe Genossinnen und Genossen des Bundesvorstandes, glaubt ihr wirklich, dass Bundestagsabgeordnete 4000 Euro zusätzlich im Monat zum Leben brauchen? Findet ihr das angemessen? Wie wollt ihr das den Genossinnen und Genossen an der Basis erklären?
  3. In den Kreis- und Landesverbänden sind zahlreiche Genossinnen und Genossen tätig, die ihre gesamte Freizeit für die Partei opfern, und dafür keinen Cent bekommen und bekommen wollen. In den Kreisverbänden gibt es nicht wenige, die nicht einmal ihre Auslagen wie Fahrtkosten o.ä. abrechnen, um dem Kreisverband die dringend notwenigen Gelder für politische Arbeit zu sichern. Wie wollt ihr diesen Genossinnen und Genossen diesen Beschluss erklären?
  4. Bei einem durchschnittlichen Mitgliedsbeitrag im Osten braucht es 2000 DurchschnittsbeitragszahlerInnen, die diese 240.000 Euro aufbringen. 2000 Beitragszahlerinnen von denen nicht wenige sozial schwach sind und die ihren Mitgliedsbeitrag gut und gerne für andere Sachen gebrauchen könnten. Liebe Genossinnen Lötzsch und Lay, liebe Genossen Ernst, Dreibus und Maurer, wie wollt ihr diesen Genossinnen und Genossen erklären, dass ihr euch zusätzlich zu euren Bezügen aus eurem  Bundestagsmandat aus den wahrlich nicht üppigen Parteifinanzen finanzieren lasst?
  5. Die Transparenz, die wir in den Parlamenten immer wieder einfordern, scheint in der eigenen Partei nicht gewollt zu sein. Während in den Parlamenten die Abgeordneten in öffentlicher Sitzung ihre Bezüge festlegen, soll dies in unserer Partei zwischen dem Schatzmeister und den jeweiligen AmtsinhaberInnen festgelegt werden. Wir als LINKE, die immer fordert, der Selbstbedienungsmentalität in den Parlamenten ein Ende zu machen, lassen also nicht einmal den Parteivorstand über die Höhe der Bezüge entscheiden, sondern überlassen es den AmtsinhaberInnen selbst. Da dem Beschluss nicht zu entnehmen ist, dass der Parteivorstand über die Höhe der vereinbarten Bezüge informiert werden muss, scheint nicht einmal im Nachhinein Transparenz gewollt zu sein.

Liebe Genossinnen und Genossen des Parteivorstandes,

wir fordern euch auf, diesen Beschluss zu überdenken. Glaubwürdigkeit im Denken und Handeln einer Partei misst sich natürlich auch und gerade am Handeln der Bundesspitze. Es mag sein, dass wir „nicht nur Wein predigen (wollen), sondern ihn auch trinken“ (Zitat Ernst), jedoch ist Maßlosigkeit gerade beim Weinkonsum kein guter Ratgeber. Wir wollen nicht anfangen, euch Beispiele zu nennen, was in dieser Partei mit 240.000 Euro jährlich an sinnvollen Sachen alles gemacht werden könnte, da fällt euch allen sicher einiges selbst ein. Wir wollen aber dafür plädieren, DIE LINKE auch weiterhin als Solidargemeinschaft zu verstehen, in der es nicht Usus ist, dass einige wenige auf Kosten der Partei über ihre Verhältnisse leben.

Wir fordern euch auf, der gebotenen Transparenz Genüge zu tun und die durch die Partei gezahlten Einkünfte der AmtsträgerInnen offen zu legen. Die Mitgliedschaft hat auch hier das Recht, zu erfahren,  was mit ihren Mitgliedsbeiträgen passiert.

Liebe Genossinnen Lötzsch und Lay, liebe Genossen Ernst, Dreibus und Maurer,

wir fordern jeden einzelnen von euch auf, euch der Erklärung der GenossInnen Sharma und Wawzyniak anzuschließen, und auf zusätzliche Bezüge seitens der Partei für die Dauer der Ausübung eures Bundestagsmandats zu verzichten, anzuschließen!

Mit sozialistischen und solidarischen Grüßen,

für den Kreisvorstand Andrea Johlige, Vorsitzende