Ein Bericht eines Bürgers über den Abend der Entscheidung für eine Flüchtlingsunterkunft in der SVV Nauen

Ein Bericht eines Bürgers über den Abend der Entscheidung für eine Flüchtlingsunterkunft in der SVV Nauen

Eigentlich veröffentliche ich hier im Blog vor allem eigene Erlebnisse. Diesen Bericht über die Geschehnisse in der SVV Nauen am heutigen Abend will ich aber niemandem vorenthalten. Weil er aufrüttelt und zeigt, wieviel wir jetzt zu tun haben! Vielen Dank an den Bürger, der ihn mir zur Verfügung gestellt hat. Um ihn zu schützen veröffentliche ich den Bericht nicht mit seinem Namen.

Vorab noch eine Bemerkung: Der Verlauf der Sitzung aber auch die Diskussionen der letzten Wochen darum zeigen, dass die Arbeit jetzt erst anfängt. Es kommt jetzt darauf an, sehr schnell den Dialog mit den Anwohnerinnen und Anwohnern zu suchen, um Ängste und Befürchtungen abzubauen. Und wir haben die Aufgabe gemeinsam daran zu arbeiten, dass die Flüchtlinge in Nauen willkommen geheißen werden.

Aktualisierung: Hier geht es zum Bericht des Presseservice Rathenow von der Sitzung

Hier der Bericht des Bürgers:

„Meine Frau und ich sind nun zurück von dieser Versammlung. Wir sind geschockt und tief erschrocken über das erlebte Ereignis. Bereits vor Beginn der Versammlung gab es einen deutlichen Zustrom von Menschen, ob sie alle aus Nauen waren, wissen wir nicht. Einige jedoch kannten wir. Der Saal war komplett gefüllt, mehr Bürger konnten aus Sicherheitsgründen nicht hinein. Viele mussten draußen bleiben. Ließ sich also nicht ändern. Uns wurden verschiedene Standorte für das geplante Heim erklärt und auch warum sie aber nicht in Frage kämen. Der geplante Standort war nun gefunden, der passend war, gegen den jedoch viele Bürger sind. Die Gründe waren einleuchtend, was der Bürgermeister in verständlicher Bürgersprache ausdrückte – kein Amtsdeutsch.Während seiner Ausführungen gab es laute und störende Zwischenrufe, Handys bimmelten und immer wieder musste mahnend um Ruhe gebeten werden. Dann standen draußen an den Fenstern Menschen mit Plakaten, brüllten lasst uns rein. Im Saal gab es teilweisen Applaus. Später wurde an den Scheiben geklopft und zusätzlich gebrüllt, gegen das Asylbewerberheim. Immer wieder wurden die Vorträge der SSV gestört. Selbst der Landrat hatte so seine Probleme, der störenden Masse seine Sichtweise darzulegen. Von Sachlichkeit keine Spur bei einem Teil der Bürger im Saal. Ich selber konnte durch die provozierende Unruhe kaum noch dem Sachverhalt folgen. Meine Frau war sehr blass und hatte Angst, sie saß am Fenster, wo es immer wieder trommelte und gebrüllt wurde. Dann durften Bürger das Wort ergreifen mit Fragen zum Standort und zum Heim. Da kamen Redner zu Wort, die ihren Frust so richtig raus ließen. Ausländer bekämen Begrüßungsgeld, fahren alle einen Mercedes und wir werden als Deutsche nicht so behandelt. Dann waren es Kleingärtner, die sich nicht in der Sonne legen könnten,wenn Asylbewerber in deren Garten schauen. Was passiert mit alten Asylbewerbern in einer Pflegesituation ? Warum bekommt ein Hartz 4 Empfänger keine Wohnung und die bekommen alles? Dann kamen die Kriminalitätsvorwürfe gegen Asylbewerber. Asylbewerber schleppen Krankheiten ein, Kinder auf dem Schulweg könnten mit Asylbewerbern in Berührung kommen. Eine junge Befürworterin für den Bau und Standort des Heims kam nicht richtig zu Wort.Es ging so weit, dass drinnen im Saal und draußen die Provokationen nicht mehr hinnehmbar waren. Die Polizei schritt draußen ein. Im Saal wurde die Versammlung unterbrochen. Die Menschen mussten später den Saal räumen. Ich fand,dass das eine richtige Entscheidung war, für sachliche Bürger jedoch bedauerlich. Die Sitzung wurde massiv behindert und mit Polizeiunterstützung wurde geräumt.

Meine Chefin des Behindertenverbandes war auch da. Sie fand kaum Worte. Sie hätte keine Angst vor Asylbewerbern, sondern vor die Meute da draußen, die an die Scheibe klopft. Da war ich so sehr berührt, hab sie gedrückt. Mit einem Heimgegner habe ich dann gesprochen, erklärt, dass meine Frau und meine Chefin Angst vor den Heimgegnern hätten. Da fing er an zu denken und war selber ruhig, es sah nach Scham aus.

Was ich heute erlebt habe? Viele Heimgegner lieferten Unsachlichkeit, Unwahrheiten, Vorurteile, fehlende Achtung gegenüber den Gesprächspartnern und fehlendes Verständnis für Asylbewerber in ihren Brüllparolen draußen und im Saal ab. Wir, die Befürworter, hatten keine Möglichkeit,sachlich ins Gespräch zu kommen.

Was mir aufgefallen ist? Oft habe ich gehört, dass es bei den Brüllparolen im Saal um Hartz 4 ging, um Wohnungsmangel für Hartz 4 Bezieher, um Vorwürfe, dass die Stadt Nauen sich um die nicht kümmern würde. Das stand nicht zur Debatte,kam aber laut und hörbar mehrfach zum Ausdruck.
Damit dürfte klar sein, dass es sich teilweise um den Vorwurf der Benachteiligung gegenüber Asylbewerbern handelte.Mir ist unwohl bei dem Gedanken, wie in Zukunft die Sicherheit der Asylbewerber in Nauen gewährleistet werden kann, wenn bereits jetzt so große Wut und Frust besteht. Die Asylbewerber sind noch nicht mal da, und schon müssen wir über deren Schutz nachdenken.

Gerade habe ich noch die Nachricht erhalten, dass der Baustandort beschlossen wurde. Danke SSV. Eine Entscheidung musste her und ich befürworte den Baustandort als Bürger, auch sind mir die Asylbewerber herzlich willkommen, willkommen im Asylbewerberheim und als Nachbar -Tür an Tür-.Ich war selber einige Jahre Ausländer in einem anderen Land und wurde vernünftig behandelt. Der Wille und Vernunft muss da sein, dann klappt s auch mit den Nachbarn.“