Fakten gegen Fake-News! Oder: Was man aus der Statistik über Leistungsempfänger*innen des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht herauslesen kann

Fakten gegen Fake-News! Oder: Was man aus der Statistik über Leistungsempfänger*innen des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht herauslesen kann

Ende 2016 erhielten in Brandenburg 17 970 Personen Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wie aus der aktuellen Erhebung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg hervorgeht, war das ein Rückgang um 39 Prozent (Ende 2015: 29.347 Personen).

Ca. ein Drittel der Leistungsempfänger*innen (6.025 Personen) waren minderjährig. 372 Personen waren vollziehbar ausreisepflichtig bzw. zur Ausreise aufgefordert. Alle anderen Personen waren also noch im Verfahren oder hatten eine Duldung.

Die Leistungsempfänger*innen waren überwiegend in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht: Ende 2016 10.477 Personen, Ende 2015 waren dies noch 19.553. In der Erstaufnahme waren Ende 2016 1.433 Leistungsempfänger*innen untergebracht, gegenüber 2.431 Ende 2015. Die dezentrale Unterbringung nahm weniger stark ab: 6.060 Personen Ende 2016 gegenüber 7.363 Personen Ende 2015.

 

Die AfD nutzt die durch das Amt für Statistik Berlin Brandenburg veröffentlichten Zahlen (https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/Statistiken/statistik_SB.asp?Ptyp=700&Sageb=22002&creg=BBB&anzwer=6 ) aktuell für ihre Propaganda gegen Geflüchtete mit folgenden Argumenten (die folgenden Zitate stammen aus der Pressemitteilung der Abgeordneten Bessin vom 15.08.2017):

 

„Zwar ist laut Amt für Statistik die Zahl der Asylbewerber, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz empfangen, im Jahr 2016 in Brandenburg gesunken. Dennoch wird Brandenburg mit immer noch 11.377 Asylbewerbern, die Sach- oder Geldleistungen beziehen, vor enorme finanzielle Herausforderungen gestellt.“

Zuerst einmal ist die Zahl der Empfänger*innen – wie oben ersichtlich – falsch.

Grundsätzlich ist jedoch zu sagen: Bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz handelt es sich um gesetzliche Verpflichtungen. Das Land kann (und will) die Anzahl der Empfänger*innen nicht beeinflussen. Diese ergibt sich aus der bundesgesetzlichen Festlegung, wer Leistungen nach diesem Gesetz bezieht , das sind vor allem Personen im Asylverfahren, geduldete Ausländer*innen und deren Familienangehörige (es gibt noch weitere, zahlenmäßig jedoch zu vernachlässigende Empfänger*innen), nach der Zahl der Geflüchteten, die Deutschland und Brandenburg erreichen und nach der Dauer der Asylverfahren.

Die gesunkene Zahl der Leistungsempfänger*innen ist vor allem dadurch erklärbar, dass die Zahl der Asylsuchenden gesunken ist und gleichzeitig die Asylverfahren beschleunigt wurden. Personen, die als Flüchtlinge anerkannt werden oder subsidiären Schutz erhalten, wechseln in den Rechtskreis des SGB II.

Deshalb ist zu erwarten, dass die Zahl der Empfänger*innen dieser Leistungen weiter sinken wird. Enorme finanzielle Herausforderungen, wie die AfD behauptet, sind aus einem zweiten Grund nicht herauszulesen: Der Bund beteiligt sich über den Länderfinanzausgleich seit Anfang 2016 an der Finanzierung der Leistungen mit im Bundesdurchschnitt 670 Euro pro Person und Monat. Wir haben kritisiert, dass diese Summe nicht ausreicht, jedoch sorgt dies, wie das Sinken der Flüchtlingszahlen für geringere Ausgaben beim Land.

Wir haben in Brandenburg gesagt und durchgehalten, dass die dafür notwendigen Mittel für Geflüchtete aufgebracht werden, ohne in anderen sozialen Bereichen zu kürzen. Das ist gelungen, auch aufgrund günstiger konjunktureller Rahmenbedingungen. Das heißt aber auch: Niemandem in Deutschland geht es durch die Flüchtlinge schlechter als zuvor. Im Gegenteil. Was gern vergessen wird: Die sogenannte Flüchtlingskrise war ein riesiges Konjunkturprogramm. Investitionen der öffentlichen Hand, zusätzliche Arbeitsplätze und die Ankurbelung des Konsums, haben dafür gesorgt, dass vor allem die regionalen und lokalen Wirtschaftskreisläufe gestärkt wurden.

 

„Wir dürfen uns daher auf der gesunkenen Zahl nicht ausruhen, denn es muss schließlich insbesondere berücksichtigt werden, dass uns die größte Einwanderungswelle erst noch bevorsteht.“

Woher die AfD die Gewissheit nimmt, dass uns die größte Einwanderungswelle noch bevorsteht, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich um Panikmache. Fakt ist: Aktuell erreichen zwar mehr Geflüchtete als in den Vorjahren Italien und Griechenland, allerdings sorgen europäische Regelungen und Verträge (Dublin, Türkei-Pakt, Rücknahmeabkommen mit Herkunfts- und Transitstaaten) dafür, dass die Geflüchteten Zentraleuropa und Deutschland kaum noch erreichen. Als LINKE kritisieren wird, dass Europa diese Länder in dieser schwierigen Situation allein lässt und nicht einmal seine Zusagen zur europaweiten Verteilung der Geflüchteten einhält.

Gleichzeitig arbeitet die Europäische Union weiter an ihrer Abschottung und nimmt in Kauf, dass noch mehr Geflüchtete bei der gefährlichen Flucht ihr Leben verlieren. Als LINKE kritisieren wir diese europäische Politik und fordern stattdessen sichere Fluchtwege, Fluchtursachenbekämpfung durch konsequente Friedenspolitik und den Stopp von Waffenexporten, Zurückdrängung multinationaler Konzerne, die in den Herkunftsländern den Menschen die Lebensgrundlagen rauben (Landgrabbing, Anbau von Monokulturen in der Landwirtschaft…), Klimaschutz, Neuorientierung der Entwicklungspolitik auf Hilfe zur Selbsthilfe, bessere Ausstattung von Hilfsorganisationen durch die Weltgemeinschaft usw.

 

„Die zahlreichen arbeitslosen Asylbewerber sind häufig gering oder nicht qualifiziert. Auch die immer wiederkehrenden Vorschläge, diese Personen zu Pflegehilfskräften zu qualifizieren, verhallen nicht ohne Grund. Denn dafür sind mindestens ausreichende Deutschkenntnisse und ein tieferes Verständnis für den Umgang mit Pflegebedürftigen erforderlich. So etwas lässt sich nicht in Schnellkursen vermitteln.“

Die AfD vermischt hier einige Probleme, die jedoch wenig mit der zugrunde gelegten Statistik zu tun haben. Empfänger*innen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterliegen in den ersten Monaten des Aufenthalts in Deutschland Arbeits- und teilweise auch Bildungsverboten. Zwar wurde hier bundesgesetzlich einiges gelockert, jedoch haben nur Personen aus Herkunftsländern, die eine sogenannte gute Bleibeperspektive haben (also wo mehr als 50% der Anträge zu einem positiven Asylbescheid hinsichtlich der Anerkennung als Flüchtling oder der Gewährung von subsidiärem Schutz führen – aktuell sind dies Eritrea, Iran, Irak, Syrien und Somalia), während ihres Asylverfahrens einen Anspruch auf einen Integrationskurs. Alle anderen können erst nach positivem Abschluss des Asylverfahrens bzw. der Erteilung einer Duldung einen Kurs erhalten. Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ haben dauerhaft, also auch wenn sie eine Duldung erhalten, keine Chance auf einen Integrationskurs.

Ähnliches gilt für die Integration in den Arbeitsmarkt. Auch hier wird während des Asylverfahrens nur Personen aus Herkunftsländern mit guter Bleibeperspektive eine Förderung gewährt.

Das Problem mangelnder Deutschkenntnisse und mangelnder Integration in den Arbeitsmarkt ist also durch die Bundespolitik hausgemacht.  In Brandenburg haben wir ein aus dem Europäischen Sozialfonds finanziertes Programm aufgelegt, das auch Personen, die keinen Anspruch auf einen Kurs des Bundes haben, schon während ihres Asylverfahrens einen Deutschkurs ermöglicht.

Zu dem immer wieder strapazierten Beispiel des Pflegebereichs ist zu sagen: Doch, eine Integration in diesen Bereich ist möglich. Allerdings ist dies auch ein kultursensibler Bereich und nicht jeder Geflüchtete wird dafür geeignet sein. Fachkräftemangel in diesem wie in anderen Bereichen wird nur gelingen, wenn es eine konsequente auf den Einzelfall angepasste Förderung gibt. Und vor allem braucht es Regelungen im Aufenthaltsrecht, die Integrationsleistungen stärker als bisher berücksichtigen. Damit wird nicht nur die Motivation bei den Geflüchteten zur Integration gesteigert sondern auch volkswirtschaftlich ist es absurd, dass Menschen, die hier eine Ausbildung genossen und/oder in den Arbeitsmarkt integriert sind, zwangsweise in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden (was die AfD ja noch stärker betreiben will).


„Es droht die Entstehung einer Asyl-Unterschicht, die dauerhaft die Sozialsysteme belasten wird. Darüber hinaus wird die Gruppe der Niedriglöhner zunehmen, sodass andere Beschäftigte verdrängt werden. Wir müssen daher alle Einwanderer ohne Aufenthaltsstatus zurückführen. Diese Gruppe dürfte ein sinnloses Dasein in Deutschland auch selbst als belastend empfinden. Außerdem werden sie in ihren Herkunftsländern langfristig für eine positive wirtschaftliche Entwicklung gebraucht.“

Erst einmal ist es richtig, dass es im niedrig qualifizierten und bezahlten Sektor des Arbeitsmarktes einen starken Wettbewerb gibt. Gleichzeitig gibt es einen immer stärkeren Mangel an qualifizierten, gut ausbildeten Kräften. Die Antwort auf dieses Problem, alle Geflüchteten ohne Aufenthaltsstatus zurückzuführen, ist jedoch weitgehend absurd. Grundsätzlich sind Personen ohne Aufenthaltsstatus ausreisepflichtig. Aus verschiedenen (humanitären, persönlichen oder zielstaatsbezogenen) Gründen kann diese Ausreisepflicht ausgesetzt werden (Duldung).

Das hat aber per se nichts mit der Entlastung des Arbeitsmarktes zu tun. Es kann ausreisepflichtige Ausländer geben, die eine hervorragende Ausbildung in einem Bereich hat, der dringend gesucht wird. Und gleichzeitig kann es Personen geben, die einen Aufenthaltsstatus haben, jedoch für den Arbeitsmarkt (aktuell) ungeeignet sind.

Wer also möchte, dass Geflüchtete nicht dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen sind und gleichzeitig als Fachkräfte zur Verfügung stehen, muss eine aktive Integrationspolitik betreiben, den Kindern und Jugendlichen (zur Erinnerung, Ende 2016 waren ein Drittel der Empfänger*innen von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgsetz Kinder und Jugendliche)  eine gute Schul- und Ausbildung gewähren und den Erwachsenen an ihre bisherigen Fähigkeiten und Kenntnisse angepasste Fortbildung sichern. Dies übrigens gilt nicht nur für Geflüchtete.

Zynisch wird es, wenn zwangsweise Rückführungen begründet werden, mit dem Argument, die Menschen würden in ihren Herkunftsländern gebraucht. Das stimmt im Kern, aber erst dann, wenn die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein in den Herkunftsländern gegeben und die Gründe, die zur Flucht geführt haben, beseitigt sind.