Flüchtlinge in Brandenburg – Behauptungen und Vorurteile im Faktencheck
Fast täglich berichten die Medien über Probleme bei der Unterbringung von Asylsuchenden. Die Kommunen organisieren Quartiere, um Asylsuchende und Flüchtlinge aufzunehmen. Oft treffen sie auf Unverständnis, Ablehnung und Ängste. Diese Ängste werden oftmals bewusst geschürt. Allerdings entsprechen einige Behauptungen nicht den Fakten. Die gängigsten Vorurteile und Behauptungen sollen hier hinterfragt und geprüft werden.
Behauptung 1: „Asylbewerber ,überschwemmen‘ Brandenburg“
Fakt ist: Asylsuchende stellen nur einen verschwindend geringen Bevölkerungsanteil.
Aufgrund der zahlreichen Konflikte und Krisen in der Welt steigt gegenwärtig die Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Schutz suchen. Brandenburg nimmt etwa 3% dieser Flüchtlinge für die Dauer ihrer Asylverfahren auf.
Gemessen an der Bevölkerung machen sowohl Menschen ausländischer Herkunft als auch Asylsuchende nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Nur 2,2% der Brandenburger Bevölkerung sind AusländerInnen, 2014 kamen ca. 6.300 Asylsuchende nach Brandenburg. Das sind ca. 0,25% der Bevölkerung in Brandenburg. Im Jahr 2015 werden etwa 14.000 erwartet.
Es dürfen bei weitem nicht alle bei uns Schutzsuchenden bleiben. Bei ca. einem Drittel sind andere Mitgliedstaaten der EU für das Asylverfahren zuständig und die AntragstellerInnen werden dorthin überstellt. Ein weiteres Drittel der Anträge wird aus inhaltlichen Gründen abgelehnt. Ca. ein Drittel der AntragstellerInnen erhält einen Schutzstatus.
Es ist richtig, dass das Land und die Kommunen nicht ausreichend auf die steigenden Asylbewerberzahlen vorbereitet waren, es konnte aber auch niemand wissen, wie viele Menschen Schutz suchen. Anfang der 90er Jahre haben ähnlich viele Flüchtlinge Deutschland erreicht. In späteren Jahren wurden die Unterbringungskapazitäten wieder reduziert. Insofern ist es zwar aktuell keine leichte Situation für die Kommunen, Grund zur Panik besteht aber nicht!
Behauptung 2: „Asylbewerber bedrohen unsere/die deutsche/die abendländische Kultur!“
Fakt ist: Unsere Kultur wird seit Jahrhunderten durch Migration geprägt.
Das, was manche gern als „abendländische“ oder „deutsche“ Kultur bezeichnen, ist erst durch historische Migrationsbewegungen und Einflüsse anderer Kulturen entstanden. Migration prägt unsere Gesellschaft seit Jahrhunderten. Menschen mit „Migrationshintergrund“, oft schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland sesshaft und hier geboren, sind weder aus der Wirtschaft noch aus dem öffentlichen Leben wegzudenken. Hinzu kommt: Werden Flüchtlinge und Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, ist ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kaum möglich oder erschwert. Unser Ziel ist und bleibt, Asylsuchenden und Menschen mit einem Aufenthaltsstatus bzw. einer Duldung die bestmögliche Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Behauptung 3: „Asylbewerber sind krimineller als Einheimische!“
Fakt ist: Es gibt keinen Nachweis für diese Behauptung.
Die Sicherheitsbehörden weisen darauf hin, dass Kriminalität unter Asylsuchenden nicht stärker ausgeprägt ist als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Die Lageeinschätzung ist entgegen vieler Befürchtungen einhellig: Flüchtlingsunterkünfte sind keine Kriminalitätsschwerpunkte und die Kriminalität steigt durch die Errichtung von Unterkünften für Flüchtlinge in deren Umgebung nicht. Allerdings nimmt in den letzten Monaten die rassistisch motivierte Kriminalität gegen Ausländer im Allgemeinen und Asylsuchende im Besonderen zu.
Der Eindruck, es gäbe überdurchschnittlich viele ausländische Straftäter, täuscht. Allerdings gehen viele Straftaten, die meist Ausländern zugeschrieben werden – Einbrüche, Auto- und Fahrraddiebstähle, Drogen- und Prostitutionsdelikte – auf das Konto international agierender Banden und gehören mithin zur organisierten Kriminalität. Asylsuchende haben damit in aller Regel nichts zu tun. Verhalten sie sich kriminell, schaden sie sich selbst, denn das schmälert ihre Chance auf Asyl.
Die Herkunft allein treibt Menschen nicht dazu, kriminell zu werden. Gründe können soziale Konflikte, Armut oder psychische Erkrankungen sein – dabei ist es gleichgültig, woher ein Mensch stammt. Die meisten Straftaten von Asylsuchenden können nicht von Deutschen verübt werden, weil es sich um Straftaten gegen das Aufenthalts-, das Asylverfahrensrecht und das Freizügigkeitsgesetz/EU handelt.
Tatsächlich hat das Gefühl, dass AusländerInnen krimineller wären als „Einheimische“, auch etwas damit zu tun, dass „Fremde“, noch dazu solche, die anders aussehen, uns verunsichern. Deshalb: Versuchen Sie die Menschen kennen zu lernen. Vor jemandem, mit dem man mal einen Kaffee getrunken hat, hat man weniger Angst als vor jemandem, den man immer nur von weitem sieht!
Behauptung 4: „Asylbewerber bekommen mehr Geld vom Staat als Deutsche!“
Fakt ist: Ihre soziale Lage ist alles andere als beneidenswert.
Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten die Betroffenen derzeit je nach Alter und Familienstand neben der Unterkunft zwischen 215 und 362 € im Monat und erhalten damit geringere Leistungen als Erwerbslose im SGB II-Bezug. Alle notwendigen Ausgaben müssen sie selbst bestreiten.
Weit über die Hälfte von ihnen sind in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, ihnen stehen pro Person maximal sechs Quadratmeter zu. Medizinisch versorgt werden sie nur bei akuter Erkrankung. Unser Ziel ist eine Unterbringung in Wohnungen und eine umfassende gesundheitliche Versorgung. Asylsuchende sollen über eine Gesundheitskarte Zugang zum Gesundheitssystem und seine Leistungen erhalten. Diese langjährige Forderung der Linksfraktion wird aktuell durch die Landesregierung umgesetzt.
Im Übrigen gilt: Niemand bekäme mehr Lohn, eine höhere Rente oder höhere Sozialleistungen, wenn weniger Flüchtlinge oder Asylsuchende aufgenommen würden. Das Grundproblem ist und bleibt die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland.
Behauptung 5: „Die Kommune hat eh schon kein Geld, jetzt gibt sie es auch noch für Asylbewerber aus!“
Fakt ist: Die Kommunen bekommen den Großteil der Aufwendungen für Flüchtlinge vom Land erstattet.
Ein Großteil der den Landkreisen und kreisfreien Städten entstehenden Kosten werden durch das Land erstattet. Geregelt wird dies durch die Erstattungsverordnung des Landes. Für Unterbringung, Betreuung und Erbringung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird den Kommunen pro Person eine Jahrespauschale von 9.128 Euro gezahlt. Diese Erstattung endet bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und ist auf vier Jahre begrenzt. Zusätzlich werden pro Gemeinschaftsunterkunft Bewachungskosten in Höhe von 6.900 Euro monatlich pauschal erstattet.
Den Kommunen wird vom Land pro geschaffenen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft eine Investitionspauschale in Höhe von 2.300,81 Euro gezahlt. Im Jahr 2014 wurde zusätzlich einmalig ein Landesprogramm in Höhe von 5 Millionen Euro aufgelegt, das die Schaffung zusätzlicher Plätze in Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen sowie den barrierefreien Umbau gefördert hat. Diese Summen reichen bei einem Neubau bzw. einer Ertüchtigung vorhandener Gebäude nicht immer aus. Deshalb hat das Land angeboten, Kommunen kostenfrei geeignete Landesimmobilien für die Unterbringung von Asylsuchenden zur Verfügung zu stellen.
Die finanzielle Unterstützung der Länder bei der Unterbringung von Flüchtlingen durch den Bund ist unzureichend. Deshalb bleibt unsere Forderung, dass der Bund sich endlich strukturell und angemessen an den Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration von Asylsuchenden beteiligt bzw. diese mittelfristig vollständig übernimmt.
Behauptung 6: „Flüchtlinge überfordern die kommunale Infrastruktur!“
Fakt ist: Asylsuchende bringen Geld in die Gemeinde- bzw. Stadtkasse und können der Ausdünnung kommunaler Infrastruktur sogar entgegen wirken.
Strukturschwache Regionen haben mit schlechter Verkehrsanbindung, Ärztemangel und Schulschließungen zu kämpfen. Die Infrastruktur wird ausgedünnt, weil die Einwohner weniger und älter werden. Manche fürchten, dass sich dies noch verschärft, wenn Flüchtlinge aufgenommen werden. Deren Unterbringung kann jedoch dem Rückbau der kommunalen Infrastruktur sogar entgegenwirken: Flüchtlinge werden in das Einwohnermelderegister eingetragen, wodurch sich die Einwohnerzahl einer Gemeinde erhöht. Damit erhöht sich auch die Zuweisung aus dem kommunalen Finanzausgleich für die Kommune. Gleichzeitig kann der Besuch von Kitas und Schulen durch Flüchtlingskinder, drohende Schließungen wegen Unterbelegung abwenden helfen.
Behauptung 7: „Asylbewerber nehmen uns Arbeitsplätze weg!“
Fakt ist: Asylsuchende dürfen anfangs gar nicht arbeiten, später müssen sie einige Hürden überwinden.
Jahrelang durften Asylsuchende in den ersten neun Monaten ihres Asylverfahrens nicht regulär arbeiten, also nur Hilfsarbeiten ausführen und sich über Ein-Euro-Jobs maximal 80 Euro im Monat hinzuverdienen. Dieser Zeitraum wurde nun auf drei Monate reduziert. In den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts gilt jedoch ein Beschäftigungsvorbehalt: Jobcenter müssen prüfen, ob es einen ähnlich qualifizierten deutschen Bewerber oder EU-Bürger gibt. Viele Asylsuchende scheitern bei der Suche nach Arbeit zudem an bürokratischen Hürden und Vorbehalten potentieller Arbeitgeber und auch die Anerkennung im Ausland erworbener Berufs-abschlüsse gestaltet sich oftmals langwierig und schwierig.
Übrigens: Der Zuzug junger, gut qualifizierter Menschen bringt auch Geld in die Staatskassen. Ihre Ausbildung wurde woanders finanziert, bei uns aber zahlen sie Steuern und Sozialabgaben, wenn sie berufstätig werden. Schon aus demografischen Gründen brauchen wir ausländische Fachkräfte und auch die Sozialkassen wären ohne zugewanderte BeitragszahlerInnen längst pleite.
Behauptung 8: „Asylbewerber werden in ihrer Heimat gar nicht verfolgt!“
Fakt ist: Die Behörden haben vor das Bleiberecht hohe Hürden gestellt.
Niemand riskiert leichtfertig sein Leben und lässt seine Heimat, seinen Besitz und seine Familie zurück. Die Hoffnung auf Asyl ist für viele die letzte Überlebenschance. Die Aufnahme von notleidenden Menschen ist kein Gnadenakt, sondern Vollzug humanitären Völkerrechts. Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, auf die freiwillige Ausreise eines Asylsuchenden hinzuwirken bzw. diesen abzuschieben, wenn nur wirtschaftliche oder finanzielle Beweggründe hinter dem Asylantrag stehen. Das vorläufige Bleiberecht erhalten nur diejenigen, die nachweislich aus politischen, religiösen oder anderen Gründen verfolgt werden, oder sich vor Kriegen und Konflikten in Sicherheit gebracht haben.
Behauptung 9: „Asylbewerber wollen unsere Sprache nicht erlernen!“
Fakt ist: Asylsuchende haben während ihres Asylverfahrens bislang keinen Anspruch auf finanzierte Deutschkurse.
Den allermeisten Asylsuchenden ist klar, dass sie für eine erfolgreiche Integration Deutsch lernen müssen. Gelingt ihnen das (noch) nicht, so liegt das überwiegend nicht an mangelndem Willen, sondern an fehlenden Möglichkeiten. Die Integrationskurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge dürfen nur Menschen nutzen, deren Asylverfahren abgeschlossen ist. In Brandenburg wurde deshalb ein Programm aufgelegt, das es Asylsuchenden bereits während ihres Verfahrens ermöglicht, an Deutschkursen teilzunehmen. Oftmals bieten auch ehrenamtliche HelferInnen Kurse an, die meist sehr gut angenommen werden.
Dieser Text kann gern kopiert und nachgenutzt werden (bitte mit Quellenangabe!). Er erscheint noch in dieser Woche als Faltblatt der Landtagsfraktion und kann bei der Fraktion bestellt werden. Zum PDF vom Faltblatt geht es hier und zum PDF zum leichten ausdrucken hier.