Handreichung zum Umgang mit der AfD und ihren Vertreter*innen in Kommunalvertretungen - aktualisierte und erweiterte Fassung

Handreichung zum Umgang mit der AfD und ihren Vertreter*innen in Kommunalvertretungen – aktualisierte und erweiterte Fassung

Bereits 2020 habe ich eine solche Handreichung herausgegeben. Nun liegt die neue, aktualisierte und erweiterte Fassung vor.

Zum Herunterladen gibt es hier ein PDF der neuen Handreichung:


Handreichung zum Umgang mit der AfD und ihren Vertreter*innen in Kommunalvertretungen

Ihr haltet die dritte Fassung dieser Handreichung in den Händen. Angesichts des Erstarkens der AfD in den Umfragen steht zu befürchten, dass sie auch in den im Juni 2024 zu wählenden Kommunalvertretungen wieder – oftmals erstarkt – vertreten sein wird. Schon im Wahlkampf wird die Auseinandersetzung mit ihren Kandidat*innen stattfinden (müssen) und gerade bei der Konstituierung der Vertretungen nach der Wahl, stehen viele Fragen zum Umgang mit den Vertreter*innen der AfD. Deshalb wurde der Wunsch an mich herangetragen, die Handreichung, die in der ersten Auflage 2020 erschien, zu aktualisieren und zu ergänzen. Vor allem bei der Einordnung der AfD in Brandenburg wurden zahlreiche aktuelle Erkenntnisse ergänzt. Gleichzeitig sind Erfahrungen aus verschiedenen Kommunalvertretungen, die an mich herangetragen oder in einer der zahlreichen Veranstaltungen zum Thema geschildert wurden, in die Handlungsempfehlungen eingeflossen.

Die AfD in Brandenburg ist eine extrem rechte Partei. Das ist nicht erst seit der Einstufung der AfD durch den Brandenburger Verfassungsschutz als „rechtsextremer Verdachtsfall“ für alle sichtbar, die es sehen wollen. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, es wird vermutet, dass eine solche Einstufung der Gesamtpartei auf Bundesebene gerade vorbereitet wird.

Klar ist für uns, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD und ihren Akteur*innen gibt. Und dennoch ist es nicht immer einfach, eine Strategie zum Umgang mit den Vertreter*innen dieser Partei in den Kommunalvertretungen zu finden. Das gilt gerade dort, wo die Mitglieder der AfD im Ort bekannt und verankert sind und als bürgerlich wahrgenommen werden.

Vorab sei klargestellt: Es gibt nicht DIE Strategie, die garantiert und immer funktioniert. Dafür sind die Bedingungen und Akteur*innen in den einzelnen Kommunen zu unterschiedlich. Eine Strategie muss deshalb immer anhand der konkreten Bedingungen vor Ort entwickelt werden.

Es gibt jedoch inzwischen Erfahrungen überall im Land, die einige grundsätzliche Handlungsempfehlungen ermöglichen. Diese Empfehlungen im letzten Teil dieses Papiers habe ich durch viele Diskussionen mit Kommunalpolitiker*innen zusammengetragen und immer wieder erreichen mich auch neue Fragestellungen. Wenn ihr weitere Erfahrungen oder Fragestellungen, die hier nicht behandelt werden, oder auch Hinweise, welche Strategien funktionieren oder auch nicht: Lasst mich daran teilhaben, schreibt mir oder ruft mich an! Ihr werdet beim Lesen merken, dass es kaum einfache Antworten gibt. Um dieses Papier kontinuierlich weiterzuentwickeln, bin ich darauf angewiesen, dass ihr mit mir eure Erfahrungen im Umgang mit rechtsextremen Akteuren in den Kommunen teilt!

Noch ein Hinweis: Der Einfachheit halber habe ich mich auf den Umgang mit der AfD konzentriert. Die kommunale Wirklichkeit ist aber nicht überall gleich. Es gibt in Kommunen auch Wählervereinigungen, die inhaltlich kaum von der AfD zu unterscheiden sind, und vereinzelt gibt es auch Vertreter*innen anderer rechtsextremer Parteien wie dem III. Weg oder dem NPD-Nachfolger Die Heimat. Die Empfehlungen hier sind auch auf andere rechtsextremen Akteur*innen anwendbar, auch wenn dies im Einzelfall nicht erwähnt ist.

Die AfD bundesweit und in Brandenburg

Die AfD ist bundesweit Teil und parlamentarischer Arm der sich seit den 68ern und dann verstärkt seit Mitte der 1990er Jahren entwickelnden Neuen Rechten: sie ist vernetzt mit rechten Think Thanks (bspw. Institut für Staatspolitik), publizistischen Organen (bspw. Compact, Sezession, Junge Freiheit), extrem rechten Burschenschaften, Vereinen und Stiftungen. Sie setzt stark auf die Zusammenarbeit mit Bewegungen wie bspw. Zukunft Heimat, PEGIDA, Identitäre Bewegung oder die Bewegung gegen Corona-Maßnahmen. Durch ihre parlamentarische Präsenz hat sie die Positionen all dieser Strukturen sichtbarer und präsenter gemacht.

Die AfD übernimmt bewusst Konzeptionen der extremen Rechten, deutet sie um und macht sie „handhabbarer“ für den politischen Diskurs und die öffentliche Meinung. Beispielhaft kann man dies am Konzept der „Remigration“ sehen. Nach dem bundesweiten Aufschrei nach den Correctiv-Recherchen zu dem Geheimtreffen in Potsdam, an dem extreme Rechte, AfD-Mitglieder, aber auch einige CDU-Mitglieder teilgenommen haben, und bei dem das Konzept der „Remigration“ im Sinne einer massenhaften Vertreibung von Menschen – auch deutschen Staatsbürger*innen – aus Deutschland besprochen wurde, haben sich auch AfD-Vertreter geäußert. Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete René Springer, der inzwischen zum AfD-Landesvorsitzenden gewählt wurde, schrieb bei X (ehemals Twitter): „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan, das ist ein Versprechen“. In der Debatte danach legte er wert darauf, dass es ja „nur“ um „Ausländer“ ginge. Dass es sehr wohl auch Überlegungen der AfD gibt, wie Einbürgerungsverfahren im Nachhinein für ungültig erklärt und damit die betroffenen deutschen Staatsbürger*innen wieder zu „Ausländern“ werden würden, verschwieg er. Hinzu kommt: Das Konzept der „Remigration“ des österreichischen Rechtsextremen und Aktivsten der Identitäten Bewegung, Martin Sellner, umfasst mehrere Stufen, die alle auf eines hinauslaufen: Menschen, die aus Sicht der Rechtsextremen nicht deutsch sind, irgendwie los zu werden. Die Versuche der Verharmlosung und Umdeutung des Begriffs durch die AfD haben jedoch funktioniert: aus einem zutiefst menschenverachtenden Konzept ist eines geworden, das im Sprachgebrauch zumindest in Teilen der Bevölkerung nun verankert und sogar positiv besetzt ist.

Diese Strategie der AfD, rechtsextreme und rechtspopulistische Konzepte in den politischen Diskurs zu tragen und dort immer wieder zu wiederholen, funktioniert vor allem in der Migrationsdebatte erstaunlich gut. Dazu tragen auch die demokratischen Parteien bei. Wer aus Angst vor Wahlerfolgen der AfD deren Konzepte und Inhalte (etwas abgeschwächt vielleicht) übernimmt, gibt ihr Wirkungsmacht. Besonders drastisch kann man dies an der Debatte zur Bezahlkarte für Geflüchtete beobachten: dieses Instrument, das einen unfassbaren bürokratischen Aufwand produziert dient einzig und allein dazu, Geflüchteten das Leben schwer zu machen. Es wird weder dazu führen, dass auch nur ein Mensch weniger nach Deutschland kommt, noch wird es Integration fördern. Und jeder weiß das. Eingeführt wird sie trotzdem. Weil SPD und CDU hoffen, so der AfD Stimmen abjagen zu können. Auch das wird nicht funktionieren, weil die Menschen sehr genau wahrnehmen, welche Wirkungsmacht damit die AfD – obwohl in der Opposition – hat. Wem Wirkungsmacht zugeschrieben wird, der wird auch gewählt. Und genau das ist das Problem dieser Strategie der demokratischen Parteien – es stärkt die AfD.

Die starke parlamentarische Präsenz der AfD ist ein großes „Arbeitsbeschaffungsprogramm“ für Akteur*innen der Neuen Rechten. In der Bundestagsfraktion aber auch in den Landtagsfraktionen werden immer wieder bei Abgeordneten aber zunehmend auch bei Mitarbeiter*innen Verstrickungen ins rechte Netz öffentlich. Die Identitäre Bewegung ist faktisch in den parlamentarischen Fraktionen der AfD aufgegangen. Abgrenzungen oder Distanzierungen von rechtsextremen Machenschaften ihres Personals finden nur statt, wenn der öffentliche Druck im Einzelfall zu groß wird. Selbstreinigungskräfte gibt es nicht in dieser Partei und darauf zu hoffen, wäre fahrlässig und gefährlich.

Denn die AfD ist in den vergangenen Jahren immer weiter nach rechts gewandert. Von der EU-kritischen, rechtsliberalen und sich stark bürgerlich gebenden AfD eines Bernd Lucke 2013 bis 2015 entwickelte sie sich unter Frauke Petry 2015 bis 2017 bereits stark nach rechts, jedoch war zu diesem Zeitpunkt ihre Verankerung in rechtsextremen Bewegungen noch gering. Spätestens mit der Abspaltung der Blauen um Frauke Petry übernahmen jene Kräfte innerhalb der Partei das Ruder, deren Strategie die Verankerung in rechtsextreme Strukturen und Bewegungen war und ist. Jörg Meuthen und Alexander Gauland setzten auf den „Flügel“, der immer mehr an Stärke gewann.

Dabei sind zwei große Strömungen in der AfD zu beobachten: die des von Höcke so bezeichneten „sozialen Patriotismus“ und die des nationalen Konservatismus (über beide Begrifflichkeiten kann man trefflich streiten, aus meiner Sicht charakterisieren sie die Strömungen aber ganz gut).

Die Strömung des nationalen Konservatismus hat vor allem das Ziel, im bürgerlichen Lager Bündnisfähigkeit herzustellen. Der Teil der AfD um den ehemaligen Vorsitzenden Jörg Meuthen, zu dem früher auch Alexander Gauland gehörte, versucht die AfD mitten in der Gesellschaft, als ihren wahren konservativ-bürgerlichen Part darzustellen. Er zielt auf konservative Wähler*innen und ist gut vernetzt in das konservative Bürgertum und vor allem zu radikalliberalen Eliten. Das spiegelt sich auch in den Positionen, die auf das Leistungsprinzip in Wirtschaft und Bildung, den freien Markt und Freihandel zielen, im Kern aber auch klar EU-feindlich und auf den Wirtschaftsstandort Deutschland fixiert sind. Neben der Senkung der Hartz IV-Bezüge setzt dieser Teil der AfD auf Sozialabbau insgesamt. Weitere typische Positionen sind die Leugnung der Effekte des Klimawandels und die Ablehnung des Kohleausstiegs.

Die Strömung des „sozialen Patriotismus“ in der AfD – deren Vertreter*innen sich bis zu dessen offizieller Auflösung vor allem im sogenannten Flügel gesammelt haben – setzt stark auf die Mobilisierung von Protestpotential und versucht, die AfD insgesamt immer stärker nach rechts zu verschieben. Im Auftreten deutlich radikaler, erwecken deren Vertreter*innen gar nicht den Anschein bürgerlich zu sein. Vielmehr suchen sie bewusst und öffentlich den Schulterschluss mit extrem rechten Bewegungen. Mit sozialen Versprechungen im Zusammenspiel mit Positionen der Identitären zur kulturellen Identität – Stichwort Ethnopluralismus – wird die untere und mittlere Mittelschicht angesprochen. Und damit erreicht sie vor allem jene, die Angst vor einem wirtschaftlichen oder sozialen Abstieg haben. Wenn wir eine Antwort darauf haben wollen, warum die „Wende 2.0“-Semantik im Osten so stark verfängt, liegt hier ein Teil der Antwort: Die Positionen der Flügel-AfD enthalten eine ganze Menge soziale Forderungen, die durchaus denen der Linken ähneln (Soziale Gerechtigkeit in Steuerpolitik und Rentensystem, Vergemeinschaftung in Gesundheitswesen und ÖPNV, Flächentarifverträge, Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, Verbesserungen in der Pflege usw.). Diese Forderungen werden dann mit rassistischen, fremdenfeindlichen und antiislamischen sowie frauenfeindlichen, sexistischen und homophoben Positionen garniert und gegen vermeintliche „Altparteien“ stammtischkompatibel aufbereitet.

Auf dem Europaparteitag in Magdeburg war zu beobachten, dass Vertreter*innen des ehemaligen Flügels bei den Wahlen zu den Listenplätzen dominierten, inhaltlich setzten die eher gemäßigt wirkenden „National-Konservativen“ aber wichtige Punkte durch. In Brandenburg ist der Machtkampf (der gar nicht so sehr inhaltlich sondern vielmehr anhand persönlicher Unverträglichkeiten geführt wurde) entschieden: René Springer neuer  Landesvorsitzender – er gilt als rhetorisch geschult und fällt immer wieder mit besonders extremen Aussagen zu Geflüchteten auf. Der Bundesvorsitzende der – durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften – Jungen Alternative, Hannes Gnauck, ist Mitglied im Brandenburger Landesvorstand. Man kann getrost sagen: Es gibt in der AfD Brandenburg keinen „Flügel“ mehr, die AfD Brandenburg ist der „Flügel“. Bei den Wahlen zum Landesvorstand aber auch zur Landesliste für die Landtagswahl haben sich diejenigen durchgesetzt, die am radikalsten gegen Geflüchtete vorgehen wollen. Die AfD in Brandenburg mag – noch – als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft sein. Offensichtlich ist aber für Beobachter*innen: die völkischen, identitären und antidemokratischen Kräfte in der AfD Brandenburg sind am Ruder und fest im Sattel.

Die AfD ist in Brandenburg eingebettet in ein extrem rechtes Netzwerk, dem unter anderem das in Werder ansässige und in Falkensee produzierte extrem rechte Magazin Compact von Jürgen Elsässer und der durch die Organisation flüchtlingsfeindlicher Demonstrationen bekannt gewordenen Verein Zukunft Heimat angehören. Auf Hilfe und Unterstützung der völkisch-nationalistischen Identitären Bewegung, dem Verein „Ein Prozent“ sowie dem neonazistischen Netzwerk der aktionsorientierten Spreelichter aus dem Süden des Landes war ebenfalls immer Verlass, was sich sowohl bei Demonstrationen als auch bei offensichtlich gemeinsamen Projekten wie der „Mühle“ in Cottbus zeigt.

In der Brandenburger Landtagsfraktion der AfD ist diese Einbettung in das neonazistische Netzwerk in Brandenburg auch personell vollzogen. So ist bspw. der Gründer von Zukunft Heimat, Hans Christoph Berndt, mittlerweile Vorsitzender der Landtagsfraktion und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2024. Lars Günther ist Mitarbeiter von Compact, diverse Mitarbeiter stammen aus der Identitäten Bewegung, der Geschäftsführer des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik ist als Referent beschäftigt, ein ehemaliger Funktionär der verbotenen Heimattreuen Jugend findet sich ebenso in der Mitarbeiterschaft wie rechte Influencer*innen. Man kann gut und gern sagen: die Landtagsfraktion der AfD in Brandenburg ist eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ für Rechtsextreme aller Couleur.

Aus diesem extrem rechten Netzwerk zieht die Fraktion aber auch die Landespartei ihre Stärke. Nicht nur geht ein Teil der Mobilisierungsfähigkeit auf dieses Netzwerk zurück, die Fraktion im Landtag fungiert faktisch auch als dessen parlamentarischer Arm.

Aber diese Stärke ist zugleich eine Schwäche. Denn die AfD im Land steht unter Druck: Der Brandenburger Verfassungsschutz hat die AfD Brandenburg mittlerweile als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen eingestuft. Der Verfassungsschutz-Chef Müller wies darauf hin, dass verhindert werden müsse, dass sprachliche Gewalt zu physischer Gewalt wird und dass die Gewalttaten der letzten Monate zeigten, dass der Rechtsextremismus aktuell die größte Bedrohung für die Freiheitlich Demokratischen Grundordnung ist. Hier seien Worte zu Taten geworden und die geistige Brandstiftung habe auf erschreckende Weise gewirkt. Extremisten müssten, wenn sie als solche erkannt werden, auch als Extremisten benannt werden. Beim Brandenburger Landesverband der AfD lägen „hinreichend gewichtige, tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vor, dass von ihm Bestrebungen gegen die Freiheitlich Demokratische Grundordnung ausgehen.

Diese sind laut Müller „extremistische und dem Landesverband zurechenbare Positionierungen von AfD Mitgliedern, insbesondere die Verletzung der Menschenwürde, des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips“, die „starke „Verflügelung“ der AfD Brandenburg (40% der Mitglieder)“ und die „nachweisliche personelle und strukturelle Verflechtung mit anderen rechtsextremistischen Strukturen (IB, Compact, Zukunft Heimat)“. Müller erklärte weiter, die AfD sei in Teilbereichen schon „erwiesen extremistisch“. Besonderes Augenmerk ist hier auf Verflechtungen in rechtsextreme Strukturen gelegt.

Diese Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall hat zu großer Verunsicherung von Teilen der Mitgliedschaft der AfD geführt. Vor allem für diejenigen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, scheint dies die rote Linie für einen Parteiaustritt zu sein. Der damals amtierende Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Daniel von Lützow sprach in seiner Videobotschaft zur Einstufungsnachricht vor allem die Beamten an, als er die Mitglieder flehentlich bat, Ruhe zu bewahren und nicht auszutreten.

Allerdings gäbe es auch andere Gründe, die AfD zu verlassen. Ihr Auftreten im Landtag hat mit verantwortungsvollem politischem Agieren zur Repräsentation der Interessen von Wählerinnen und Wählern wenig zu tun. Die AFD im Brandenburger Landtag zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich in den Ausschüssen kaum an den Fachdebatten beteiligt und auch sonst recht wenig Konstruktives beizutragen hat. Was sie jedoch exzessiv betreibt ist ein klares Agendasetting im Plenum wie in den Ausschüssen.

Strategisch bedient sie vor allem folgende Themen bzw. Images:

  • Protestpartei
    • Verächtlichmachung der „Altparteien“
    • Label „Linksextrem“ für demokratische Parteien
    • Abschaffung des „Parteienstaates“
  • Identitätspolitik
    • keine Integration von Geflüchteten zulassen
    • (soziale) Forderungen nur für „Biodeutsche“
    • Radikale Ablehnung gleichstellungspolitischer Forderungen
  • Kampf gegen Zivilgesellschaft und politische Gegner*innen
    • Anfragen gegen Netzwerk „Tolerantes Brandenburg“ sowie diverse zivilgesellschaftliche Gruppen
    • Anträge gegen emanzipatorische, antifaschistische Projekte und Initiativen
  • Anti-Flüchtlings-Politik, Anti-Islam-Politik
    • Skandalisierung von Einzelfällen
    • Einforderung von mehr Abschiebungen
  • Soziale Versprechungen
    • Einsatz für Arbeiter*innen in der Lausitz
    • Forderungen in Pflege- und Gesundheitspolitik
    • Familienkredite
  • Corona-Leugnung bzw. -Skepsis
    • Pseudowissenschaftliche Argumentation
    • Ablehnung jeglicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie
    • Ständige Thematisierung von (vermeintlichen) Impfschäden
    • Schulterschluss mit Verschwörungsideologien

Auch ist zu beobachten, dass die AfD in der Regel nicht für die mediale Öffentlichkeit arbeitet. Viele Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken, ihre spärliche und in der Regel verspätete Pressearbeit, aber auch das Agieren in den Ausschüssen und im Plenum deuten darauf hin, dass der AfD ihre Wirkung in den „traditionellen“ Medien weitgehend egal ist und sie sich stattdessen ihre eigene Öffentlichkeit schafft und diese über die eigenen Kanäle bedient. Damit macht sie sich auch ein Stück weit unabhängig von den Medien und kann die eigene Klientel zumindest zum Teil ungefiltert erreichen.

Beim parlamentarischen Agieren wird zunehmend auch ein Auseinanderklaffen von öffentlich verkündetem Anspruch und tatsächlich geäußerten Positionen deutlich. So präsentiert sich die AfD zwar als die „Partei des kleinen Mannes“, ist aber zunehmend in ihren Aussagen sozialchauvinistisch unterwegs und polemisiert bspw. gegen Bürgergeldempfänger*innen.

Die AfD in den Kommunen in Brandenburg

Die AfD Brandenburg hat bei der Kommunalwahl 2019 gezeigt, dass sie überall dort, wo sie Kandidat*innen hatte und angetreten ist, den Sprung in die Kommunalvertretung geschafft hat. In weiten Teilen des Landes hat sie Die Linke deutlich überholt. So hat die AfD bei den Kommunalwahlen 2019 für einen extremen Zuwachs an Kandidat*innen und Mandaten sorgen können. Allein in den Kreistagen gewann sie 120 Mandate hinzu und entsendet nun 159 Vertreter*innen. Hinzu kommen noch viele Mandate in den Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen.

Dabei ist die AfD in den Kommunen in Brandenburg überaus divers und es scheint zum Teil Zufall zu sein, ob sie überhaupt zur Kommunalwahl angetreten ist und wenn ja mit welchen Personen. Es ist dabei offensichtlich, dass faktisch jede und jeder, die bereit waren auf dem Ticket der AfD zu kandidieren, auch aufgestellt wurde. Das Spektrum der Akteur*innen ist demnach weit: neben bekennenden Neonazis und Quertreibern sind auch Unternehmer*innen (meist Handwerker) und Arbeiter*innen (mit Betonung Arbeiter zu sein und damit den „kleinen Mann“ zu vertreten) aktiv. Außerdem gibt es vereinzelt Personen mit AfD-Mandat die ausgewiesene kommunalpolitische Expert*innen sind.

Es gibt also nicht DEN Typ Mandatsträger*in der AfD, vielmehr ist hier eine starke Diversität erkennbar, die eine differenzierte Strategie im Umgang mit diesen Personen bereits intendiert. Im Laufe der Wahlperiode traten in vielen AfD-Fraktionen auch Streitigkeiten – politisch wie persönlich begründet – zu Tage, die zu Abspaltungen und Austritten bis hin zu Auflösungen führten. Dies nicht erst seit der Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall, aber durch diesen befeuert. So sind die Fraktionen in diversen Kreistagen nicht mehr in der ursprünglichen Stärke aktiv und auch in vielen Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen gab es Spaltungstendenzen, teilweise führten Mandatsniederlegungen sogar dazu, dass nicht alle Plätze, die der AfD zustanden, besetzt werden konnten.

Dieser Prozess der Erosion hat im Verlauf der Wahlperiode immer mehr zugenommen. Dazu trugen die Auseinandersetzungen auf Bundes- und Landesebene ebenso wie ideologische Differenzen, die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall aber auch personelle Unverträglichkeiten bei. Klar ist, innerhalb der AfD gibt es bisher nur wenige kontinuierlich arbeitende Parteistrukturen und Mechanismen zur Streitschlichtung und Konfliktbearbeitung sind unterentwickelt, so dass erwartbar ist, dass auch in der kommenden Wahlperiode (oft für Außenstehende völlig überraschend) Austritte aus Fraktionen stattfinden oder auch Fraktionen sich in neuer Zusammensetzung neu konstituieren werden.

Gleichzeitig sind (bisher) keine landesweite Vernetzung der kommunalpolitischen Akteur*innen und keine landes- weite kommunalpolitische Strategie der AfD erkennbar. Das kann damit zusammenhängen, dass die kommunalpolitische Vereinigung der AfD (Kommunalpolitischer Heimatverein) und die AfD-nahen politischen Stiftung (Erasmus-Stiftung) wegen gravierender Missstände in ihrem Finanzgebaren nur kurzzeitig und in geringem Maß finanzielle Förderung vom Land Brandenburg erhalten haben. Damit entfällt zumindest bisher die Unterstützung bei der Fortbildung der kommunalen Mandatsträger*innen der AfD. Und auch durch die Landespartei und die Landtagsfraktion sind keinerlei Aktivitäten zur Vernetzung und Fortbildung kommunalpolitisch Aktiver bekannt.

Die Diversität der Kommunalvertreter*innen schlägt sich bisher auch im Agieren in den Vertretungen nieder. Von faktisch nicht wahrnehmbar bis sehr aktiv, vom Bemühen, als „normale“ Partei angesehen zu werden bis zur aktiven Herausstellung der angeblich einzigen Opposition gegen die „Systemparteien“, von alleinigem Agieren in der Vertretung bis zur Organisation von „Druck von der Straße“ und von „null Ahnung“ bis zu hoher fachpolitischer Kompetenz ist bisher alles zu beobachten.

Eine landesweite kommunalpolitische Strategie gibt es nicht bzw. sie ist nicht erkennbar. Vielmehr scheint das konkrete Agieren der AfD in hohem Maß von den jeweils handelnden Akteur*innen abhängig und damit weithin unberechenbar zu sein. Das wird sich voraussichtlich auch in der kommenden Wahlperiode nicht so schnell ändern.

Gleichzeitig finden sich jedoch auch in den Kommunalvertretungen immer wieder die oben geschilderten thematischen bzw. strategischen Ansätze der Landtagsfraktion bzw. der Landespartei wieder. Protest, Identitätspolitik, Kampf gegen Zivilgesellschaft und politische Gegner*innen, Anti-Flüchtlings-Politik, Anti-Islam-Politik, soziale Versprechungen und Corona-Leugnung bzw. -Skepsis sind auch im kommunalpolitischen Agieren zu finden, dies scheint jedoch nicht koordiniert zu werden bzw. ist ebenfalls personenabhängig. Auch ist bislang festzuhalten, dass nur wenige inhaltsgleiche Anträge in mehreren Kommunalvertretungen gestellt wurden (bspw. Beflaggung von Schulen). Inwiefern dies dann durch die Landesebene koordiniert wurde oder auf Vernetzung einzelner Akteur*innen zurückzuführen ist, ist aktuell nicht klar.

Als landesweite Schwerpunkte der kommunalpolitischen Arbeit der AfD können bisher benannt werden: Flüchtlingspolitik, Islamfeindlichkeit, Sozialpolitik (elternbeitragsfreie Schülerbeförderung, Baby-Willkommensgeld), Bildung (Ausstattung Schulen) und Sport (Sportstätten) und Umwelt- und Tierschutz.

Es ist jedoch zu vermuten, dass die bisher beobachtete Häufung von Aktivitäten in diesen Themenbereichen mehr oder weniger zufällig entstanden ist.

Eine Entwicklung, die weiter beobachtet werden muss, ist die Verzahnung von Landes- und Kommunalpolitik. Bereits seit längerem stellen die Abgeordneten im Landtag Anfragen zu lokalen Initiativen und Vereinen, die ihnen ein Dorn im Auge sind. Bisher war nur selten zu beobachten, dass die Antworten der Landesregierung auf diese Anfragen vor Ort genutzt werden, um den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu schaden. Das scheint sich aktuell zumindest punktuell zu ändern. Es ist möglich, dass diese Vorgehensweise, die bspw. in Sachsen seit längerem stattfindet, auch in Brandenburg zunehmen wird.

Oftmals werden zudem lokalpolitisch aktuelle Themen aufgegriffen, die ein hohes Maß an Protestpotential bergen. Dabei kommt es auch punktuell zum Schulterschluss mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Ziel dabei ist, bereits vorhandene Stimmungen in der Bevölkerung und aktive Initiativen zu nutzen und (nicht selten populistisch) in die Vertretungen zu tragen. Dies kommt dem gewollten Image der AfD als der wahren Vertreterin des „Volkswillens“ entgegen.

Klar ist auch: Die vielbeschworene Brandmauer der demokratischen Fraktionen in den Kommunalvertretungen bröckelt. Immer mehr „Einzelfälle“ werden bekannt, wo es zu punktueller Zusammenarbeit, gemeinsamen Anträgen oder Resolutionen kommt. Angesichts der zu erwartenden weiteren Zersplitterung und des weitere Erstarkens der AfD in einigen Regionen des Landes, wird der Druck zu gemeinsamem Agieren mit der AfD weiter steigen. Vor allem die CDU bereitet auch auf Landes- und Bundesebene rhetorisch das Einreißen der Brandmauer bereits vor und es steht zu befürchten, dass die schleichende „Normalisierung“ der AfD in den Kommunen zu verstärkten Aktivitäten zur Zusammenarbeit vor allem seitens der CDU führen wird.

Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD und ihren Akteur*innen in den Kommunalvertretungen

Bereits eingangs hatte ich erwähnt, dass es nicht DIE Strategie im Umgang in den Vertretungen gibt. Die Diversität der Akteur*innen vor Ort, aber und vor allem auch der Situation in den Vertretungen als solche (Mehrheiten, Agieren anderer Parteien usw.) macht es unmöglich, eine für alle Vertretungen allgemeingültige Handlungsempfehlung zu geben. Allerdings gibt es einige Grundsätze und auch Erfahrungen, die sich bisher herauskristallisiert haben und die hier im Folgenden angerissen werden sollen.

Aus meiner Sicht sollte als Leitlinie gelten: Die AfD ist keine „normale“, sondern eine extrem rechte Partei! Einer „Normalisierung“ darf gerade Die Linke keinen Vorschub leisten!

Wie dargestellt ist die AfD in Brandenburg eine rechtsextreme Partei und das ist nicht erst sichtbar, seitdem der Brandenburger Verfassungsschutz die AfD als „Verdachtsfall“ eingestuft hat. Es mag sein, dass nicht jede Mandatsträgerin und jeder Mandatsträger ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild aufweist. Jedoch engagiert sich jede Person, die für diese Partei ein Mandat errungen hat, für diese Partei und sorgt mit ihrem Agieren auch für eine Stärkung der Partei und deren menschenverachtende Positionen. Das ist selbst gewählt, niemand muss Mitglied einer Partei oder einer Fraktion sein und es gibt gerade in den Kommunen viele Möglichkeiten, für eine Kommunalvertretung zu kandidieren, ohne dabei unter der Flagge der AfD zu segeln!

Für uns als Linke, als verlässliche antifaschistische Kraft ist es unerträglich, dass eine rechtsextreme Partei eine solche Stärke gewinnen konnte. Eine Normalisierung dieses Zustands darf es nicht geben und wir werden dafür kämpfen, dass es nicht als „normal“ gilt, dass eine solche Partei in den Kommunalvertretungen und Parlamenten dauerhaft Fuß fasst.

Vielfach wird gesagt, die AfD sei aber nun mal demokratisch gewählt. Ja, das stimmt. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer demokratisch gewählten Partei und einer demokratischen Partei. Die AfD bekämpft die Demokratie und ist schon deshalb keine „normale“, sondern eine zutiefst antidemokratische Partei. Und deshalb kann und darf sie von Demokrat*innen auch nicht wie eine demokratische Partei behandelt werden.

Für uns ergibt sich aus diesem Grundsatz ein Spannungsfeld. Einerseits müssen wir der Normalisierung dieser Partei entgegentreten und sie bekämpfen, andererseits dürfen wir nicht den Fehler machen, ihre Rechte als demokratisch gewählte Partei einzuschränken. Demokratie muss auch Antidemokraten aushalten und darf sich nicht dadurch auf eine Stufe mit ihnen stellen, dass sie sich dazu hinreißen lässt, selbst antidemokratisch zu agieren.

Aus dem Grundsatz, dass es keine Normalisierung der AfD geben darf, ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen:

  • Die AfD ist nicht der Nabel der Welt
    Ohne Zweifel ist der Kampf gegen den Faschismus und die Auseinandersetzung mit der AfD gerade für uns Linke wichtig. Aber: Wir sind eine eigenständige politische Kraft und machen unser Handeln nicht von der AfD abhängig. Das ist mir wichtig zu betonen, gerade angesichts der Tatsache, dass ich dem Umgang mit der AfD eine ganze Handreichung widme. Man kann im Umgang mit dieser Partei viele Fehler machen. Der größte ist aber, sie größer zu machen, als sie ist.
    In vielen Kommunalvertretungen sind ihre Vertreter*innen unscheinbar, sagen und tun nichts und haben keinerlei Wirkungsmacht. Das soll dann bitte auch so bleiben und deshalb gilt: Auseinandersetzung wo nötig, aber lasst uns vor allem über das reden, was wir vertreten und tun. Gute Politik ist immer noch das beste Mittel gegen die AfD und wenn wir Gutes tun, sollen die Menschen auch davon erfahren. Also redet vor allem über das, was wir tun und nicht über das, was die AfD tut oder nicht.
  • Keine inhaltliche Zusammenarbeit mit der AfD
    Unsere Inhalte, Initiativen und Anträge entwickeln wir allein bzw. mit anderen demokratischen Parteien und Wähler*innenvereinigungen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Wir brauchen keinen Input der AfD, um gute Politik zu machen.
    Wo wir zu schwach sind, um unsere Positionen durchzusetzen, kämpfen wir mit guten Argumenten um demokratische Mehrheiten. Aber wir werden weder strategisch noch taktisch auf die AfD setzen.
  • Keine gemeinsamen Initiativen und Anträge
    Daraus folgt, dass es auch keine gemeinsamen Initiativen, Resolutionen oder Anträge mit der AfD geben kann. Selbst wenn die AfD das richtige fordert, sie ist für uns grundsätzlich keine Partnerin und das werden wir klar demonstrieren. Gerade gemeinsame Anträge oder Resolutionen würden das Signal aussenden, dass die AfD eine „normale“ Kraft in der Kommunalvertretung ist, mit der man zusammenarbeiten kann.
    Und selbst wenn alle anderen Fraktionen gemeinsam mit der AfD einen Antrag einbringen: Wir werden uns nicht beteiligen und im Zweifel den Antrag wortgleich als eigenen einbringen, um zu dokumentieren, dass wir uns dem Anliegen als solchem nicht verschließen, sondern es um die grundsätzliche Haltung geht, mit der AfD nichts gemeinsam zu tun.
    Und ja, das kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Herzensanliegen von uns nicht realisiert wird, weil nur durch die AfD eine Mehrheit zustande käme. Dann heißt es weiter um demokratische Mehrheiten kämpfen!
  • Keine Zustimmung zu Anträgen der AfD
    Ebenso verhält es sich mit Anträgen der AfD. Wir stimmen keinem Antrag zu, der vor der AfD kommt, egal, was er beinhaltet. Wir versuchen auch nicht, Anträge der AfD besser zu machen, indem wir Änderungsanträge dazu stellen oder die Anträge in Ausschüsse zu überweisen.
    Im Einzelfall kann das in der Bevölkerung schwierig zu vermitteln sein. Wenn es ein Thema betrifft, das dringend bearbeitet werden muss, dann sucht nach anderen Wegen! Man kann auch zum gleichen Thema einen eigenen Antrag einbringen und darum werben, dass andere demokratische Fraktionen diesen gemeinsam mit uns auf den Weg bringen. Selbst wenn uns ein solches Vorgehen öffentlich vorgeworfen wird, so ist der politische Schaden immer noch geringer, als es eine Zustimmung zu einem AfD-Antrag wäre.
    Wichtig ist aber auch, in jedem Einzelfall die Argumentation zu prüfen. Manchmal kann es sein, dass ein einfaches Wegstimmen ohne Redebeitrag angezeigt ist. Oftmals muss man eine Ablehnung aber auch begründen, für die anderen Mitglieder der Kommunalvertretung, aber auch und gerade gegenüber der Öffentlichkeit.
  • Keine Wahl von AfD-Vertreter*innen in Funktionen
    In Kommunalvertretungen gibt es oftmals Funktionen, bei denen eine Partei entsprechend ihrer Stärke das Vorschlagsrecht zusteht. Das heißt aber noch lange nicht, dass es einen Zwang zur Wahl der vorgeschlagenen Personen gibt. Es empfiehlt sich, sehr genau abzuwägen, wie man sich im Einzelfall verhält. Die Wahl eines Schriftführers, der bei Wahlen in der Kommunalvertretung die Stimmen auszählt, ist sicher etwas anderes als die Wahl des Vorsitzenden eines Ausschusses.
    Bisher hat sich bewährt, bei Funktionen, die der AfD zustehen, wo aber kein Schaden entsteht, wenn ein Vertreter der AfD in diese gewählt wird, (wenn möglich) in Absprache mit den anderen demokratischen Kräften eine Enthaltung zu erwägen, und damit die Besetzung der Funktion mit Stimmen der AfD zu ermöglichen. Auch davon kann es aber Ausnahmen geben. Wenn die AfD bspw. einen bekennenden Neonazi zum Aufsichtsrat für eine Kultureinrichtung oder eine Aktivistin gegen Rechte von LSBTIQ zur Vorsitzenden des Sozialausschusses machen will, ist ein Nein politisch nicht nur erklärbar sondern auch angezeigt. Bei Blockabstimmungen besteht auf Einzelwahl! 
    Bei Funktionen, die Außenwirkung bzw. politische Einflussmöglichkeiten ermöglichen, ist meist eine Ablehnung empfehlenswert. Bei Funktionen, die nicht aus formalen Gründen zwingend an die AfD gehen müssen, sollte immer das Ziel sein, diese stattdessen durch Parteien oder Wählervereinigungen des demokratischen Spektrums zu besetzen. Auch eine Enthaltung wäre hier nicht sinnvoll.
    Ich empfehle hierbei unbedingt eine vorherige Abwägung und Absprachen mindestens in der eigenen Fraktion, möglichst auch mit anderen demokratischen Kräften. Denn es kann auch die „Opferrolle“ der AfD bedienen, wenn alle ihre Vorschläge für eine unwichtige Funktion abgelehnt werden. Und andererseits kann es eine verheerende politische Symbolik sein, wenn AfD-Vertreter in bestimmte Funktionen gewählt werden.
    Bei der Besetzung sachkundiger Einwohner*innen ist, wenn der Vorschlag von der AfD kommt, ebenfalls Vorsicht geboten. Schaut euch die vorgeschlagenen Personen genau an. Auch hier ist mindestens eine Enthaltung angeraten, ggf. auch Ablehnung.
    Von einer Ja-Stimme durch LINKE für AfD-Vertreter würde ich grundsätzlich abraten, einerseits wegen des Grundsatzes, keine Normalisierung zuzulassen und andererseits wegen der Symbolkraft, die einem solchen Vorgang inhärent ist.
  • Aber: Keine Beschneidung demokratischer Rechte
    Auch wenn es manchmal schwerfällt: Hütet euch vor der Beschneidung demokratischer Rechte, nur weil es die AfD trifft. Das stärkt nur ihre Opferrolle und in der Regel gibt es andere Lösungen! Und: Eine Beschneidung von Rechten in einer Kommunalvertretung (bspw. Einschränkung des Anfragerechts oder der Redezeit) trifft immer alle, auch die demokratischen Mandatsträger*innen.
    Allerdings ist es vollständig legitim, die bestehenden formalen Regelungen auszureizen. Es kann bspw. sinnvoll sein, Ausschüsse zusammenzulegen, weil die AfD ansonsten den Zugriff auf den Vorsitz im Sozial- oder Kulturausschuss bekommen würde. Auch kann der Versuch, fraktionslose Abgeordnete in demokratische Fraktionen zu integrieren und dadurch stärker zu sein als die AfD, sinnvoll sein, weil dies auch bedeuten kann, dass der AfD keine Aufsichtsratsmandate zustehen. Es kann auch im Einzelfall notwendig sein, einen Tagesordnungspunkt abzusetzen, weil klar ist, dass dieser nur der Hetze der AfD nutzt.
    Die Ausnutzung der bestehenden Regelungen zum Nachteil der AfD ist in Ordnung. Aber bitte wägt das immer im Einzelfall auf seine Risiken und Nebenwirkungen ab!

Ein solches Agieren in der Kommunalvertretung ist nicht einfach durchzuhalten. Deshalb noch folgende Empfehlungen:

  • Absprachen in der Fraktion – bestimmte Fragen „präventiv“ klären
    Es ist wichtig, dass ihr euch in der Fraktion sowohl bezüglich des grundsätzlichen Umgangs mit der AfD als auch zum konkreten Agieren in einzelnen Fragen einig seid. Deshalb klärt das vorab grundsätzlich und nehmt euch zusätzlich die Zeit, vor jeder Sitzung der Vertretung die einzelnen Fragen zu diskutieren. Es wird immer wieder schwierige Situationen geben! Wichtig ist, dass ihr voneinander wisst und identifiziert, welche Punkte auch in der Außenwirkung schwierig werden können, um dazu ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen.
  • Absprachen mit anderen demokratischen Kräften, gemeinsames Agieren
    Es klang schon mehrmals an: Sucht euch Partner! Das ist nicht in jeder Kommunalvertretung möglich und oft wird es Fraktionen geben, die ein anderes Agieren gegenüber der AfD wollen, als wir das tun. Versucht es aber trotzdem! So konnte in einigen Kreistagen eine Verständigung der demokratischen Fraktionen auf eine grundsätzliche Ablehnung von Anträgen der AfD oder die Verabredung zu gemeinsamem Agieren bspw. Absprachen zu Redebeiträgen herbeigeführt werden.  
    Aber selbst wo das nicht möglich ist, bringt es Sinn, zumindest einzelne Akteur*innen oder Fraktionen zu finden, die bereit sind, gemeinsam zu agieren.
  • Klare Positionierung
    Es hilft nicht, den Kopf einzuziehen. Bei AfD-Initiativen, die rassistisch, fremdenfeindlich, antisemitisch, misogyn, homophob und/oder sexistisch sind, hilft nur eine klare Positionierung. Auch wenn viele Bürger*innen oder andere Kräfte in der Kommunalvertretung das Anliegen teilen oder es zumindest ähnlich sehen, wir sind Linke und es ist an solchen Stellen unsere Aufgabe, klare Kante zu zeigen. Wir müssen es weder allen recht machen, noch werden wir dafür gewählt, im Strom mit zu schwimmen.
    Im Gegenteil: Von uns wird erwartet, dass (wenigstens) wir dagegenhalten.
  • Inhaltliche Auseinandersetzung, Dechiffrierung
    Viele Anträge oder Initiativen kommen auf den ersten Blick harmlos daher und sind so geschrieben, dass man sie eigentlich nicht ablehnen kann. Auf den zweiten Blick wird aber oft deutlich, dass es darum geht, eine schnelle Nachricht zu produzieren, die eigene Klientel zu bedienen und die geschilderten Politikansätze und Strategien zu bedienen oder auch einfach nur die anderen Kräfte in der Kommunalvertretung unter Druck zu setzen. Benennt dieses Kalkül deutlich, klärt die Hintergründe auf und entlarvt ihre Strategie! Dechiffriert, was das eigentliche Ziel des Antrags ist. Das ist vor allem wichtig, um in der Öffentlichkeit zu erklären, weshalb wir Initiativen nicht zustimmen.
    Und geht in die inhaltliche Auseinandersetzung! Dabei ist vor allem wichtig, dass ihr inhaltlich in den Themen fit seid. Dann könnt ihr auch anderen schnell klarmachen, wo die AfD nur auf ein Thema drauf springen will und Scheinlösungen anbietet.
    Und nicht selten wird es vorkommen, dass ihr bei der Diskussion in der Fraktion feststellt, dass der eigentlich harmlos klingende Antrag gar nicht so harmlos ist. Und das soll dann natürlich auch die Öffentlichkeit wissen. Versucht zu schwierigen Themen auch eigene Öffentlichkeit, bspw. über Websites oder Flyer zu schaffen. Hier könnt ihr ungefiltert und ausführlich erklären, weshalb ihr eine Initiative ablehnt.
  • Agieren, nicht nur Reagieren
    Lasst euch nicht treiben. Reagiert nicht erst, wenn die AfD ein Thema auf die Tagesordnung setzt. Wenn ein Thema vor Ort aktuell ist oder sich aufbaut, dann agiert. Redet mit den Akteur*innen, erklärt frühzeitig, wie ihr dazu steht, und dokumentiert, dass ihr von Anfang an am Thema dran seid. Gerade wenn es in eurer Kommunalvertretung eine aktive AfD-Fraktion gibt, geht es dabei oft um Schnelligkeit.
    Und wenn die AfD doch schneller war, dann verabredet euch, wie ihr das Thema angehen wollt und arbeitet an Mehrheiten für euren Lösungsweg. Ein Thema liegen zu lassen, nur, weil die AfD das schon versucht zu besetzen, ist mit Sicherheit der falsche Weg!
    Und: Oftmals ist es nicht die Sache der AfD, langfristig ein Thema zu bearbeiten. Bleibt dran, auch wenn es schwer ist. Das macht in der Sache glaubwürdiger als es ein Schnellschuss der AfD vermag.
  • Bleibt im Gespräch mit der Zivilgesellschaft und Akteur*innen vor Ort
    Nicht nur um Themen frühzeitig zu erkennen ist es wichtig, mit den relevanten Akteur*innen vor Ort im Gespräch zu bleiben. Gerade wenn AfD-Vertreter*innen Sachen beantragt, gesagt oder getan haben, die für Empörung in Teilen der Bevölkerung sorgen, kann es ein guter Weg sein, dies aus der Zivilgesellschaft heraus zu thematisieren. Dadurch umgeht man den Vorwurf, parteitaktisch zu agieren und erreicht oft eine höhere Wirkung, als wenn Die Linke die AfD kritisiert. Hinzu kommt: Wir brauchen Verbündete, um rechtsextreme Positionen und Strukturen dauerhaft zurückzudrängen. Auch deshalb ist der Schulterschluss vor Ort wichtig.
  • Nicht über jedes Stöckchen springen
    Manchmal startet die AfD Initiativen oder hält Reden, die nur dafür da sind, die anderen Kommunalvertreter*innen zu provozieren. Es ist das Geschäft der AfD, ihre Positionen radikal zu formulieren, in dem Wissen, dass alle anderen dem nicht zustimmen können. Die AfD lebt davon, „anders“ zu sein als die demokratischen Parteien und mit Provokation Aufmerksamkeit zu erregen. Und natürlich gehört dazu das Kalkül, dass alle anderen sich aufregen und der Initiative dadurch eine größere Bedeutung verliehen wird, als sie es eigentlich verdient. Deshalb kann es auch mal die richtige Strategie sein, zu einem Antrag (idealerweise in Absprache mit den anderen Fraktionen) gar nichts zu sagen und ihn einfach abzulehnen. Das geht natürlich nicht immer, manchmal darf Gesagtes auch nicht so im Raum stehen bleiben. Hier müsst ihr im Einzelfall abwägen.
  • Immer die Symbolik mitdenken
    Es klagt schon in mehreren Handlungsempfehlungen an: Politik hat immer etwas mit Symbolik zu tun. Versucht diese Ebene immer mitzudenken und überlegt gut, welches Bild in der Öffentlichkeit entsteht. Versucht auch die eigenen Anträge daraufhin abzuklopfen, dass keine ungewollte Symbolik produziert wird. So kann es im Einzelfall besser sein, auf einen Antrag zu verzichten (vor allem, wenn eine Mehrheit dafür unwahrscheinlich ist), bei welchem das Symbol produziert werden würde, dass die AfD dieses Anliegen (gemeinsam mit demokratischen Kräften) verhindert hat. Umgekehrt kann auch genau das gewollt sein, gerade wenn es demokratische Kräfte gibt, die gern mal mit der AfD gemeinsame Sache machen.
    Symbolik ist vor allem auch bei offenen Briefen im Spiel. Wenn Kommunalvertreter*innen gemeinsame offene Briefe an wen auch immer schreiben, achtet darauf, dass keine Vertreter*innen der AfD unterschreiben. Aus der Erfahrung heraus hilft es nicht, Sätze rein zu schreiben, denen die AfD eigentlich nicht zustimmen kann. Die AfD weiß genau um die symbolische Wirkung und wird sie nutzen, um euch vorzuführen und um das Anliegen zu diskreditieren oder einfach um im Gespräch zu sein.
  • Achtet auf eure Sprache!
    Eine der Strategien der AfD ist es, Begriffe und Konzepte aus dem rechtsextremen Kontext in den allgemeinpolitischen Sprachgebrauch zu überführen und die dahinter stehenden Inhalte damit – schleichend – mehrheitsfähig in der Gesellschaft zu machen. Sprache formt Bewusstsein und politische Positionen. Und negative Begriffe oder Bezeichnungen können Einstellungen gegenüber Menschengruppen beeinflussen. Deshalb achtet darauf, welche Begriffe und Bezeichnungen ihr verwendet und beobachtet bewusst die Wortwahl der AfD, um Negativzuschreibungen und Verächtlichmachungen zu erkennen und ggf. zu entlarven. (Ich weiß, das ist keine einfache Empfehlung und es geht auch nicht darum, „Sprachpolizei“ zu spielen. Dennoch ist es wichtig für das Verständnis politischer Diskurse, weil Rechtsextreme sich der Wirkung der Sprache oftmals sehr bewusst sind und dies – leider – auch recht erfolgreich einsetzen. Wenn ihr Zeit und Lust habt, lest Victor Klemperers LTI – Notizbuch eines Philologen. In diesem Buch wird beschrieben, wie die Sprache im Nationalsozialismus zur Verankerung der Ideologie in der Bevölkerung benutzt wurde.)
  • Seid fit in den Formalien!
    Je stärker die AfD wird und je länger sie in den Kommunalvertretungen sitzt, umso besser kennt sie auch die Formalien und lernt sie auszunutzen. Ich weiß, Geschäftsordnungen und Hauptsatzungen sind nicht jedermanns Sache. Dennoch: Ihr müsst die Formalien besser kennen als die AfD. Nicht nur um sie auszubremsen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, sondern vor allem um zu verhindern, dass demokratische Prozesse durch die AfD-Vertreter*innen ver- oder behindert werden oder sie sich einen Vorteil verschaffen, der bei Kenntnis der Regeln nicht notwendig gewesen wäre.
  • Prüft jegliche Personalvorschläge!
    Es hat sich auch herausgestellt, dass Vorschlagslisten für ehrenamtliche Richter*innen, Schiedspersonen oder Schöff*innen – die ja in der Regel von den Verwaltungen vorgelegt werden – unbedingt geprüft werden sollten. Es gab einige Fälle, in denen AfD-Vertreter*innen versucht haben, über solche Funktionen Einfluss in Gesellschaft bzw. Justiz zu erringen.
  • Persönlicher Umgang
    Gerade in Kommunalvertretungen kennt oft jede*r jede*n. Besprecht in der Fraktion, wie ihr es mit den AfD-Vertreter*innen halten wollt. Du oder Sie, Begrüßung mit Handschlag oder nicht (Achtung: Handschlag ist auch Symbolik, vor allem, wenn es davon Fotos gibt!), Smalltalk in der Pause ja oder nein… Ich persönlich halte es so, dass ich mit AfD-Vertreter*innen keinerlei persönliches Wort wechsle, sie grundsätzlich sieze, nur in Gremiensitzungen bzw. öffentlichen Diskussionen überhaupt mit ihnen kommuniziere und ihnen keinesfalls die Hand gebe. Aber das ist meine persönliche Entscheidung, ihr könnt das auch entsprechend der Gegebenheiten und des Umgangs miteinander in der Vertretung anders entscheiden. Aber: Egal, wie ihr euch entscheidet, wichtig ist, dass ihr voneinander wisst und darüber sprecht.
  • Umgang mit ehemaligen AfDlern
    Durch das Auseinanderfallen einiger Kommunalfraktionen stellt sich immer häufiger die Frage, wie der Umgang mit denjenigen gestaltet werden soll, die zwar auf AfD-Ticket gewählt wurden, jedoch der Partei bzw. der Fraktion den Rücken gekehrt haben. Auch hier wird es nicht die eine richtige Antwort geben können.
    Grundsätzlich ist es immer gut, wenn die AfD geschwächt wird (zumindest solange sie sich nicht weiter nach rechts bewegen). Dennoch stellt sich jeweils die Frage, ob dies aus opportunistischen Gründen geschah, bspw. um keine Nachteile im Beruf zu haben, oder ob es sich tatsächlich um einen Bruch mit der Ideologie der Partei handelt. Bei denjenigen, bei denen glaubhaft ist, dass sie die Partei oder Fraktion verlassen haben, weil sie die Positionen nicht (mehr) vertreten können, sollte eine Reintegration ins demokratische Lager unbedingt Zielstellung sein.
    Ich würde jedoch nicht dafür plädieren, diejenigen gleich in Linke Fraktionen aufzunehmen, aber wenn bspw. die CDU oder die FDP diejenigen in ihre Fraktionen aufnehmen, sollte das für uns kein Grund zur Skandalisierung sein und wir sollten versuchen, mit denjenigen einen Umgang zu finden, der deutlich macht, dass die Entwicklung, die genommen wurde, anerkannt wird.
    Ist der Bruch mit der AfD-Politik jedoch nicht glaubwürdig, bleibt es sinnvoll, den bisherigen Umgang mit denjenigen beizubehalten.

Auch außerhalb der Kommunalvertretung kann es passieren, dass ihr mit AfD-Vertreter*innen konfrontiert werdet. Auch dazu einige Empfehlungen:

  • Keine gemeinsamen Veranstaltungen und Pressekonferenzen
    Gemeinsame Veranstaltungen oder auch Pressekonferenzen haben eine starke symbolische Bedeutung in ihrer Außenwirkung und können eine ungewollte Dynamik weit über die Ortgrenze hinaus haben – das haben wir anhand der Vorgänge in Forst gesehen. Auch hier gilt – ebenso wie oben ausgeführt bei Anträgen und Initiativen – die AfD ist kein Partner für uns und deshalb wird es keine gemeinsamen Veranstaltungen geben. Egal wie wichtig das Thema uns ist, eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen gibt es auch in Einzelfällen mit uns nicht.
  • Kein Podium bieten
    Allerdings steht die Frage, was wir machen, wenn es sich um Veranstaltungen Dritter handelt und wir entscheiden müssen, ob wir teilnehmen, obwohl jemand von der AfD da ist. Das muss im Einzelfall abgewogen werden. Eine Podiumsdiskussion, wo lediglich eine Person der Linken und eine der AfD eingeladen ist, würde ich empfehlen zu meiden. Handelt es sich aber um eine Veranstaltung, bei der alle oder mehrere Fraktionen eingeladen sind – unter anderem dann auch die AfD – sollten wir teilnehmen. Aber auch da kann es wiederum Ausnahmen geben. Ich empfehle, das gemeinsam im Vorfeld abzuwägen. Oftmals kann es auch helfen, die Veranstalter*innen über das Unbehagen zu informieren und mit ihnen gemeinsam zu bereden, ob eine Teilnahme der AfD wirklich sinnvoll und notwendig ist.
    Und wichtig: Sprecht – wenn möglich – vorher mit den anderen Teilnehmer*innen darüber, wie verhindert wird, dass die AfD die Agenda bestimmt, wie mit rechtsextremen Äußerungen umgegangen wird oder wie reagiert wird, wenn es zu schwierigen Situationen kommt. Ziel muss immer sein, dass die AfD nicht die Themen bestimmt
  • Angegriffene schützen
    Eine Strategie der AfD ist es, innerhalb wie außerhalb der Parlamente und Vertretungskörperschaften, missliebige Personen aus anderen Parteien wie der Zivilgesellschaft und der Medien, aber auch Vereine, Verbände und Initiativen anzugreifen und zu diffamieren. Das kann für die angegriffene Person und deren Familien sehr belastend sein und auch zivilgesellschaftliche Strukturen können dadurch in ihrem Image leiden. Die dahinterstehende Strategie ist immer die gleiche: Gegner*innen sollen geschwächt und möglichst mundtot gemacht werden. Hier hilft nur eines: unbedingte Solidarität. Versucht, gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften zusammenzustehen, diese Strategie zu entlarven und die Angegriffenen wo immer es geht zu schützen und zu unterstützen.
  • Gegenprotest?
    In den vergangenen Jahren hat die AfD in vielen Orten Veranstaltungen und Kundgebungen, die teils gut besucht waren, durchgeführt. Das wird auch bei den anstehenden Wahlkämpfen wieder verstärkt stattfinden. Immer wieder steht die Frage, soll dagegen Protest organisiert werden. Wie so oft in diesem Papier gibt es da kein einfaches Rezept. Tendenziell würde ich immer sagen, dass Protest sinnvoll ist, wenn er nicht nur von uns allein kommt. Wenn es also zivilgesellschaftliche Mitstreiter*innen oder auch andere Parteien oder Wählervereinigungen gibt, die gemeinsam mit uns der Normalisierung der AfD entgegentreten wollen, sind Gegenaktionen meist sinnvoll. Von alleinigen Aktionen Linke gegen AfD würde ich wegen der Symbolik abraten.
    Aber auch von dieser Empfehlung kann es Ausnahmen geben. Manchmal braucht es einfach ein Signal, dass es vor Ort Menschen gibt, die der AfD entgegentreten und in anderen Fällen ist es besser, eine Veranstaltung zu ignorieren, um sie nicht noch mehr aufzuwerten. Und manchmal kann es auch besser sein, nicht die direkte Konfrontation zu suchen, sondern zeitlich oder örtlich versetzt eine eigene Aktivität zu planen. Es hat sich teilweise auch bewährt, nicht auf Gegenprotest sondern auf ein paralleles demokratisches Angebot zu setzen Das kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn die eigene Mobilisierungsfähigkeit gering ist. Und auch mit kreativen Aktionen, die nur wenige Mitstreiter*innen benötigen, sind schon einige gute Signale gesetzt worden. Auch hier ist es empfehlenswert, gemeinsam mit anderen Akteuren vor Ort abzuwägen, was der richtige Weg ist.

All diese Handlungsempfehlungen sind nicht abschließend. Sie beruhen auf den bisherigen Erfahrungen im Umgang mit den Akteur*innen der AfD. Aber selbst wenn ihr alle Ratschläge beherzigt und euch intensiv beratet und abwägt, kann es passieren, dass es schiefgeht, jemand aus den eigenen Reihen einen Fehler macht, in der Öffentlichkeit kein gutes Bild erzeugt wird und/oder handfester politischer Schaden entsteht.

Wichtig ist dann: holt euch Hilfe! Im Landesvorstand und in der Landtagsfraktion gibt es erfahrene Genoss*innen, die euch in schwierigen Situationen zur Seite stehen können. Deshalb meldet euch bei der Landesgeschäftsstelle, wenn ihr nicht sicher seid, wie ihr mit einer Situation umgehen sollt oder auch, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr nicht optimal agiert habt und es deshalb Ärger gibt. Die Genoss*innen in der Landesgeschäftsstelle werden den Kontakt zu denjenigen, die euch in der konkreten Situation helfen können, herstellen.

Und bitte: Seid solidarisch! Fehler im Agieren oder im vorherigen Abwägen werden immer mal wieder gemacht werden. In der Regel geschieht das nicht bewusst oder gewollt und deshalb sollten wir uns dann nicht gegenseitig Vorwürfe machen, sondern gemeinsam beraten, wie wir größeren Schaden abwenden und wie wir solche Fehler künftig vermeiden.

Weitergehende Informationen

Für alle Fragen rund um den Umgang mit der AfD in Kommunalvertretungen und auch für Diskussionen bei euch vor Ort zu diesem Thema könnt ihr euch jederzeit gern an die Landesgeschäftsstelle der Linken Brandenburg wenden:
E-Mail:  info@dielinke-brandenburg.de, Telefon: 0331/20 00 9-0

Oder auch direkt an mich:
E-Mail: mail@andrea-johlige.de, Telefon: 0331/966-1521

Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine sehr hilfreiche Publikation zum Thema verfügbar: Rät*innen gegen Rechts https://www.rosalux.de/publikation/id/40148/raetinnen-gegen-rechts

Außerdem gibt es eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Kooperationen mit der extremen Rechten in ostdeutschen Kommunen: Hält die Brandmauer? https://www.rosalux.de/publikation/id/51762/haelt-die-brandmauer-1