Handreichung zum Umgang mit der AfD in Kommunalvertretungen
Die beiden Landesvorsitzenden der LINKEN Brandenburg haben mich gebeten, eine Handreichung für LINKE Kommunalpolitiker*innen zum Umgang mit der AfD zu erarbeiten. Das habe ich natürlich sehr genr gemacht und veröffentliche sie auch hier in meinem Blog, in der Hoffnung, dazu mit alle Interessierten ins Gespräch und in die Diskussion zu kommen!
Die Handreichung zum Download als PDF gibt es hier: Handreichung zum Umgang mit der AfD in Kommunalvertretungen
Eine leicht aktualisierte Version als Borschüre gibt es hier: Broschüre Handreichung zum Umgang mit der AfD
Ich stelle sie hier aber auch als Textbeitrag im Blog zur Verfügung.
Handreichung zum Umgang mit der AfD in Kommunalvertretungen
Die AfD in Brandenburg ist eine extrem rechte Partei. Das ist nicht erst seit der Einstufung der AfD durch den Brandenburger Verfassungsschutz als „rechtsextremer Verdachtsfall“ für alle sichtbar, die es sehen wollen. Klar ist für uns, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD und ihren Akteur*innen gibt. Und dennoch ist es nicht immer einfach, eine Strategie zum Umgang mit den Vertreter*innen dieser Partei in den Kommunalvertretungen zu finden. Das gilt gerade dort, wo die Mitglieder der AfD im Ort bekannt und verankert sind und als bürgerlich wahrgenommen werden.
Vorab sei klargestellt: Es gibt nicht DIE Strategie, die garantiert und immer funktioniert. Dafür sind die Bedingungen und Akteur*innen in den einzelnen Kommunen zu unterschiedlich. Eine Strategie muss deshalb immer anhand der konkreten Bedingungen vor Ort entwickelt werden.
Es gibt jedoch inzwischen Erfahrungen überall im Land, die einige grundsätzliche Handlungsempfehlungen ermöglichen. Diese werden im letzten Teil dieser Handreichung aufgegriffen. Vorangestellt werden Informationen zur Entwicklung der AfD in Brandenburg, ihrer Einbindung in rechtsextreme Netzwerke, ihren Strategien, Themen und Akteur*innen sowie ihre (bisher erkennbaren) kommunalpolitischen Strategien.
Die AfD bundesweit und in Brandenburg
Die AfD ist bundesweit Teil und parlamentarischer Arm der sich seit den 68ern und dann verstärkt seit Mitte der 1990er Jahren entwickelnden Neuen Rechten: sie ist vernetzt mit rechten Think Thanks (bspw. Institut für Staatspolitik), publizistischen Organen (bspw. Compact, Sezession, Junge Freiheit), extrem rechten Burschenschaften, Vereinen und Stiftungen. Sie setzt stark auf die Zusammenarbeit mit Bewegungen wie bspw. Zukunft Heimat, PEGIDA, Identitäre Bewegung oder – gerade aktuell – die Bewegung gegen Corona-Maßnahmen. Durch ihre parlamentarische Präsenz hat sie die Positionen all dieser Strukturen sichtbarer und präsenter gemacht.
Vor allem aber ist ihre parlamentarische Präsenz ein großes „Arbeitsbeschaffungsprogramm“ für Akteur*innen der Neuen Rechten. In der Bundestagsfraktion aber auch in den Landtagsfraktionen werden immer wieder bei Abgeordneten aber zunehmend auch bei Mitarbeiter*innen Verstrickungen ins rechte Netz öffentlich. Abgrenzungen oder Distanzierungen von rechtsextremen Machenschaften ihres Personals finden nur statt, wenn der öffentliche Druck im Einzelfall zu groß wird. Selbstreinigungskräfte gibt es nicht in dieser Partei und darauf zu hoffen, wäre fahrlässig und gefährlich.
Denn die AfD ist in den vergangenen Jahren immer weiter nach rechts gewandert. Von der EU-kritischen, rechtsliberalen und sich stark bürgerlich gebenden AfD eines Bernd Lucke 2013 bis 2015 entwickelte sie sich unter Frauke Petry 2015 bis 2017 bereits stark nach rechts, jedoch war zu diesem Zeitpunkt ihre Verankerung in rechtsextremen Bewegungen noch gering. Spätestens mit der Abspaltung der Blauen um Frauke Petry übernahmen jene Kräfte innerhalb der Partei das Ruder, deren Strategie die Verankerung in rechtsextreme Strukturen und Bewegungen war und ist. Jörg Meuthen und Alexander Gauland setzen auf den „Flügel“, der immer mehr an Stärke gewann.
Aktuell beobachten wir erneut einen Machtkampf in der AfD. Dieser verläuft öffentlich wahrnehmbar zwar an personellen Auseinandersetzungen Jörg Meuthen versus Andreas Kalbitz und Björn Höcke, eigentlich ist es aber ein Richtungskampf. Dabei sind zwei große Strömungen in der AfD zu beobachten: die des von Höcke so bezeichneten „sozialen Patriotismus“ und die des nationalen Konservatismus (über beide Begrifflichkeiten kann man trefflich streiten, aus meiner Sicht charakterisieren sie die Strömungen aber ganz gut).
Die Strömung des nationalen Konservatismus hat vor allem das Ziel, im bürgerlichen Lager Bündnisfähigkeit herzustellen. Der Teil der AfD um Jörg Meuthen, zu dem früher auch Alexander Gauland gehörte, versucht die AfD mitten in der Gesellschaft, als ihren wahren konservativ-bürgerlichen Part darzustellen. Er zielt auf konservative Wähler*innen und ist gut vernetzt in das konservative Bürgertum und vor allem zu radikalliberalen Eliten. Das spiegelt sich auch in den Positionen, die auf das Leistungsprinzip in Wirtschaft und Bildung, den freien Markt und Freihandel zielen, im Kern aber auch klar EU-feindlich und auf den Wirtschaftsstandort Deutschland fixiert sind. Neben der Senkung der Hartz IV-Bezüge setzt dieser Teil der AfD auf Sozialabbau insgesamt. Weitere typische Positionen sind die Leugnung der Effekte des Klimawandels und die Ablehnung des Kohleausstiegs.
Die Strömung des „sozialen Patriotismus“ in der AfD – deren Vertreter*innen sich bis zu dessen offizieller Auflösung vor allem im sogenannten Flügel gesammelt haben – setzt stark auf die Mobilisierung von Protestpotential und versucht, die AfD insgesamt immer stärker nach rechts zu verschieben. Im Auftreten deutlich radikaler, erwecken deren Vertreter*innen gar nicht den Anschein bürgerlich zu sein. Vielmehr suchen sie bewusst und öffentlich den Schulterschluss mit extrem rechten Bewegungen. Mit sozialen Versprechungen im Zusammenspiel mit Positionen der Identitären zur kulturellen Identität – Stichwort Ethnopluralismus – wird die untere und mittlere Mittelschicht angesprochen. Und damit erreicht sie vor allem jene, die Angst vor einem wirtschaftlichen oder sozialen Abstieg haben. Wenn wir eine Antwort darauf haben wollen, warum die „Wende 2.0“-Semantik im Osten so stark verfängt, liegt hier ein Teil der Antwort: Die Positionen der Flügel-AfD enthalten eine ganze Menge soziale Forderungen, die durchaus denen der LINKEN ähneln (Soziale Gerechtigkeit in Steuerpolitik und Rentensystem, Vergemeinschaftung in Gesundheitswesen und ÖPNV, Flächentarifverträge, Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, Verbesserungen in der Pflege usw.). Diese Forderungen werden dann mit rassistischen, fremdenfeindlichen und antiislamischen sowie frauenfeindlichen, sexistischen und homophoben Positionen garniert und gegen vermeintliche „Altparteien“ stammtischkompatibel aufbereitet.
Der Machtkampf zwischen beiden Strömungen scheint aktuell weiter offen zu sein. Der Ausschluss von Andreas Kalbitz aus der Partei hat hier zwar zu einem Punktsieg für das national-konservative Lager geführt, das muss aber nichts heißen. Die Auseinandersetzungen werden vor allem rund um die Kandidaturen und die strategische Aufstellung zur Bundestagswahl weiter erbittert geführt werden.
In Brandenburg ist die AfD fest in der Hand des „Flügels“. Sie ist eingebettet in ein extrem rechtes Netzwerk, dem unter anderem das in Werder ansässige und in Falkensee produzierte extrem rechte Magazin Compact von Jürgen Elsässer und der durch die Organisation flüchtlingsfeindlicher Demonstrationen bekannt gewordenen Verein Zukunft Heimat angehören. Auf Hilfe und Unterstützung der völkisch-nationalistischen Identitären Bewegung, dem Verein „Ein Prozent“ sowie dem neonazistischen Netzwerk der aktionsorientierten Spreelichter aus dem Süden des Landes war ebenfalls immer Verlass, was sich sowohl bei Demonstrationen als auch bei offensichtlich gemeinsamen Projekten wie der „Mühle“ in Cottbus zeigt.
In der Brandenburger Landtagsfraktion der AfD ist diese Einbettung in das neonazistische Netzwerk in Brandenburg auch personell vollzogen. So ist bspw. der Gründer von Zukunft Heimat, Christoph Berndt, Mitglied der Landtagsfraktion, mit Lars Günther auch ein Mitarbeiter von Compact. Berndt wurde Ende Oktober 2020 gar als Nachfolger von Andreas Kalbitz zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion gewählt. Des Weiteren wurden in den vergangenen Monaten mehrere Fälle bekannt, dass Mitarbeiter der Landtagsfraktion in der Identitären Bewegung aktiv sind oder auch ein im Verfassungsschutzbericht 2018 und 2019 erwähnter rechtsextremer Liedermacher für die Fraktion tätig ist.
Aus diesem extrem rechten Netzwerk zieht die Fraktion aber auch die Landespartei ihre Stärke. Nicht nur geht ein Teil der Mobilisierungsfähigkeit auf dieses Netzwerk zurück, die Fraktion im Landtag fungiert faktisch auch als dessen parlamentarischer Arm.
Aber diese Stärke ist zugleich eine Schwäche. Denn die AfD im Land steht unter Druck: Der Brandenburger Verfassungsschutz hat die AfD Brandenburg mittlerweile als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen eingestuft. Der Verfassungsschutz-Chef Müller wies darauf hin, dass verhindert werden müsse, dass sprachliche Gewalt zu physischer Gewalt wird und dass die Gewalttaten der letzten Monate zeigten, dass der Rechtsextremismus aktuell die größte Bedrohung für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung ist. Hier seien Worte zu Taten geworden und die geistige Brandstiftung habe auf erschreckende Weise gewirkt. Extremisten müssten, wenn sie als solche erkannt werden, auch als Extremisten benannt werden. Beim Brandenburger Landesverband der AfD lägen „hinreichend gewichtige, tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vor, dass von ihm Bestrebungen gegen die Freiheitlich Demokratische Grundordnung ausgehen.
Diese sind laut Müller „extremistische und dem Landesverband zurechenbare Positionierungen von AfD Mitgliedern, insbesondere die Verletzung der Menschenwürde, des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips“, die „starke „Verflügelung“ der AfD Brandenburg (40% der Mitglieder)“ und die „nachweisliche personelle und strukturelle Verflechtung mit anderen rechtsextremistischen Strukturen (IB, Compact, Zukunft Heimat)“. Müller erklärte weiter, die AfD sei in Teilbereichen schon „erwiesen extremistisch“. Besonderes Augenmerk ist hier auf Verflechtungen in rechtsextreme Strukturen gelegt.
Diese Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall hat zu großer Verunsicherung von Teilen der Mitgliedschaft der AfD geführt. Vor allem für diejenigen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, scheint dies die rote Linie für einen Parteiaustritt zu sein. Der amtierende Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Daniel von Lützow sprach in seiner Videobotschaft zur Einstufungsnachricht vor allem die Beamten an, als er die Mitglieder flehentlich bat, Ruhe zu bewahren und nicht auszutreten.
Allerdings gäbe es auch andere Gründe, die AfD zu verlassen. Ihr Auftreten im Landtag hat mit verantwortungsvollem politischen Agieren zur Repräsentation der Interessen von Wählerinnen und Wählern wenig zu tun. Die AFD im Brandenburger Landtag zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich in den Ausschüssen kaum an den Fachdebatten beteiligt und auch sonst recht wenig Konstruktives beizutragen hat. Was sie jedoch exzessiv betreibt ist ein klares Agendasetting im Plenum wie in den Ausschüssen.
Strategisch bedient sie vor allem folgende Themen bzw. Images:
- Protestpartei
- Verächtlichmachung der „Altparteien“
- Label „Linksextrem“ für demokratische Parteien
- Identitätspolitik
- keine Integration von Geflüchteten zulassen
- (soziale) Forderungen nur für „Biodeutsche“
- Radikale Ablehnung gleichstellungspolitischer Forderungen
- Kampf gegen Zivilgesellschaft und politische Gegner*innen
- Anfragen gegen Netzwerk „Tolerantes Brandenburg“ sowie diverse zivilgesellschaftliche Gruppen
- Anträge gegen emanzipatorische, antifaschistische Projekte und Initiativen
- Anti-Flüchtlings-Politik, Anti-Islam-Politik
- Skandalisierung von Einzelfällen
- Einforderung von mehr Abschiebungen
- Soziale Versprechungen
- Einsatz für Arbeiter*innen in der Lausitz
- Forderungen in Pflege- und Gesundheitspolitik
- Corona-Leugnung bzw. -Skepsis
- Pseudowissenschaftliche Argumentation
- Ablehnung jeglicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie
- Schulterschluss mit Verschwörungsideologien
Auch ist zu beobachten, dass die AfD in der Regel nicht für die mediale Öffentlichkeit arbeitet. Viele Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken, ihre spärliche und in der Regel verspätete Pressearbeit, aber auch das Agieren in den Ausschüssen und im Plenum deuten darauf hin, dass der AfD ihre Wirkung in den „traditionellen“ Medien weitgehend egal ist und sie sich stattdessen ihre eigene Öffentlichkeit schafft und diese über die eigenen Kanäle bedient. Damit macht sie sich auch ein Stück weit unabhängig von den Medien und kann die eigene Klientel zumindest zum Teil ungefiltert erreichen.
Die AfD in den Kommunen in Brandenburg
Die AfD Brandenburg hat bei der Kommunalwahl 2019 gezeigt, dass sie überall dort, wo sie Kandidat*innen hatte und angetreten ist, den Sprung in die Kommunalvertretung geschafft hat. In weiten Teilen des Landes hat sie DIE LINKE deutlich überholt. So hat die AfD bei den Kommunalwahlen 2019 für einen extremen Zuwachs an Kandidat*innen und Mandaten sorgen können. Allein in den Kreistagen gewann sie 120 Mandate hinzu und entsendet nun 159 Vertreter*innen. Hinzu kommen noch viele Mandate in den Stadtverordnetenversammlungen und
Gemeindevertretungen.
Dabei ist die AfD in den Kommunen in Brandenburg überaus divers und es scheint zum Teil Zufall zu sein, ob sie überhaupt zur Kommunalwahl angetreten ist und wenn ja mit welchen Personen. Es ist dabei offensichtlich, dass faktisch jede und jeder, die bereit waren auf dem Ticket der AfD zu kandidieren, auch aufgestellt wurde. Das Spektrum der Akteur*innen ist demnach weit: neben bekennenden Neonazis und Quertreibern sind auch Unternehmer*innen (meist Handwerker) und Arbeiter*innen (mit Betonung Arbeiter zu sein und damit den „kleinen Mann“ zu vertreten) aktiv. Außerdem gibt es vereinzelt Personen mit AfD-Mandat die ausgewiesene kommunalpolitische Expert*innen sind.
Es gibt also nicht DEN Typ Mandatsträger*in der AfD, vielmehr ist hier eine starke Diversität erkennbar, die eine differenzierte Strategie im Umgang mit diesen Personen bereits intendiert. Klar ist allerdings, dass aktuell bestimmte Spaltungstendenzen zu beobachten sind. Dies nicht erst seit, aber mittlerweile befeuert durch die Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. So sind die Fraktionen in den Kreistagen Ostprignitz-Ruppin, Barnim, Prignitz und Teltow-Fläming bereits nicht mehr in der ursprünglichen Stärke aktiv und auch in den Stadtverordnetenversammlungen Cottbus, Luckenwalde, Oranienburg, Schwedt und Neuruppin gibt es Spaltungstendenzen.
Es ist zu vermuten, dass dieser Prozess der Erosion im Verlauf der Wahlperiode anhält. Dazu tragen die Auseinandersetzungen auf Bundes- und Landesebene ebenso wie ideologische Differenzen, die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall aber auch personelle Unverträglichkeiten bei. Klar ist, innerhalb der AfD gibt es bisher nur wenige kontinuierlich arbeitende Parteistrukturen und Mechanismen zur Streitschlichtung und Konfliktbearbeitung sind unterentwickelt, so dass erwartbar ist, dass immer wieder (oft für Außenstehende völlig überraschend) Austritte aus Fraktionen stattfinden oder auch Fraktionen sich in neuer Zusammensetzung neu konstituieren.
Gleichzeitig sind (bisher) keine landesweite Vernetzung der kommunalpolitischen Akteur*innen und keine landesweite kommunalpolitische Strategie der AfD erkennbar. Das kann damit zusammenhängen, dass die kommunalpolitische Vereinigung der AfD (Kommunalpolitischer Heimatverein) und die AfD-nahen politischen Stiftung (Erasmus-Stiftung) wegen gravierender Missstände in ihrem Finanzgebaren nur kurzzeitig und in geringem Maß finanzielle Förderung vom Land Brandenburg erhalten haben. Damit entfällt zumindest bisher die Unterstützung bei der Fortbildung der kommunalen Mandatsträger*innen der AfD. Und auch durch die Landespartei und die Landtagsfraktion sind keinerlei Aktivitäten zur Vernetzung und Fortbildung kommunalpolitisch Aktiver bekannt.
Die Diversität der Kommunalvertreter*innen schlägt sich auch im Agieren in den Vertretungen nieder. Von faktisch nicht wahrnehmbar bis sehr aktiv, vom Bemühen, als „normale“ Partei angesehen zu werden bis zur aktiven Herausstellung der angeblich einzigen Opposition gegen die „Systemparteien“, von alleinigem Agieren in der Vertretung bis zur Organisation von „Druck von der Straße“ und von „null Ahnung“ bis zu hoher fachpolitischer Kompetenz ist bisher alles zu beobachten. Eine landesweite kommunalpolitische Strategie gibt es nicht bzw. sie ist nicht erkennbar. Vielmehr scheint das konkrete Agieren der AfD in hohem Maß von den jeweils handelnden Akteur*innen abhängig und damit weithin unberechenbar zu sein.
Gleichzeitig finden sich jedoch auch in den Kommunalvertretungen immer wieder die oben geschilderten thematischen bzw. strategischen Ansätze der Landtagsfraktion bzw. der Landespartei wieder. Protest, Identitätspolitik, Kampf gegen Zivilgesellschaft und politische Gegner*innen, Anti-Flüchtlings-Politik, Anti-Islam-Politik, soziale Versprechungen und Corona-Leugnung bzw. -Skepsis sind auch im kommunalpolitischen Agieren zu finden, dies scheint jedoch nicht koordiniert zu werden bzw. ist ebenfalls personenabhängig. Auch ist bislang festzuhalten, dass nur wenige inhaltsgleiche Anträge in mehreren Kommunalvertretungen gestellt wurden (bspw. Beflaggung von Schulen). Inwiefern dies dann durch die Landesebene koordiniert wurde oder auf Vernetzung einzelner Akteur*innen zurückzuführen ist, ist aktuell nicht klar.
Als landesweite Schwerpunkte der kommunalpolitischen Arbeit der AfD können bisher benannt werden: Flüchtlingspolitik, Islamfeindlichkeit, Sozialpolitik (elternbeitragsfreie Schülerbeförde-rung, Baby-Willkommensgeld), Bildung (Ausstattung Schulen) und Sport (Sportstätten) und Umwelt- und Tierschutz. Es ist jedoch zu vermuten, dass die bisher beobachtete Häufung von Aktivitäten in diesen Themenbereichen mehr oder weniger zufällig entstanden ist.
Oftmals werden zudem lokalpolitisch aktuelle Themen aufgegriffen, die ein hohes Maß an Protestpotential bergen. Ziel dabei ist, bereits vorhandene Stimmungen in der Bevölkerung und aktive Initiativen zu nutzen und (nicht selten populistisch) in die Vertretungen zu tragen. Dies kommt dem gewollten Image der AfD als der wahren Vertreterin des „Volkswillens“ entgegen.
Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD und ihren Akteur*innen in den Kommunalvertretungen
Bereits eingangs hatte ich erwähnt, dass es nicht DIE Strategie im Umgang in den Vertretungen gibt. Die Diversität der Akteur*innen vor Ort, aber und vor allem auch der Situation in den Vertretungen als solche (Mehrheiten, Agieren anderer Parteien usw.) macht es unmöglich, eine für alle Vertretungen allgemeingültige Handlungsempfehlung zu geben. Allerdings gibt es einige Grundsätze und auch Erfahrungen, die sich bisher herauskristallisiert haben und die hier im Folgenden angerissen werden sollen.
Aus meiner Sicht sollte als Leitlinie gelten:
Die AfD ist keine „normale“, sondern eine extrem rechte Partei! Einer „Normalisierung“ darf
gerade DIE LINKE keinen Vorschub leisten!
Wie dargestellt ist die AfD in Brandenburg eine rechtsextreme Partei und das ist nicht erst sichtbar, seitdem der Brandenburger Verfassungsschutz die AfD als „Verdachtsfall“ eingestuft hat. Es mag sein, dass nicht jede Mandatsträgerin und jeder Mandatsträger ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild aufweist. Jedoch engagiert sich jede Person, die für diese Partei ein Mandat errungen hat, für diese Partei und sorgt mit ihrem Agieren auch für eine Stärkung der Partei. Das ist selbst gewählt, niemand muss Mitglied einer Partei oder einer Fraktion sein!
Für uns als LINKE, als verlässliche antifaschistische Kraft ist es unerträglich, dass eine rechtsextreme Partei eine solche Stärke gewinnen konnte. Eine Normalisierung dieses Zustands darf es nicht geben und wir werden dafür kämpfen, dass es nicht als „normal“ gilt, dass eine solche Partei in den Kommunalvertretungen und Parlamenten dauerhaft Fuß fasst.
Vielfach wird gesagt, die AfD sei aber nun mal demokratisch gewählt. Ja, das stimmt. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer demokratisch gewählten Partei und einer demokratischen Partei. Die AfD bekämpft die Demokratie und ist schon deshalb keine „normale“, sondern eine zutiefst antidemokratische Partei. Und deshalb kann und darf sie von Demokrat*innen auch nicht wie eine demokratische Partei behandelt werden.
Für uns ergibt sich aus diesem Grundsatz ein Spannungsfeld. Einerseits müssen wir der Normalisierung dieser Partei entgegentreten und sie bekämpfen, andererseits dürfen wir nicht den Fehler machen, ihre Rechte als demokratisch gewählte Partei einzuschränken. Demokratie muss auch Antidemokraten aushalten und darf sich nicht dadurch auf eine Stufe mit ihnen stellen, dass sie sich dazu hinreißen lässt, selbst antidemokratisch zu agieren.
Aus dem Grundsatz, dass es keine Normalisierung der AfD geben darf, ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen:
- Keine inhaltliche Zusammenarbeit mit der AfD
Unsere Inhalte, Initiativen und Anträge entwickeln wir allein bzw. mit anderen demokratischen Parteien und Wähler*innenvereinigungen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Wir brauchen keinen Input der AfD, um gute Politik zu machen.
Wo wir zu schwach sind, um unsere Positionen durchzusetzen, kämpfen wir mit guten Argumenten um demokratische Mehrheiten. Aber wir werden weder strategisch noch taktisch auf die AfD setzen. - Keine gemeinsamen Initiativen und Anträge
Daraus folgt, dass es auch keine gemeinsamen Initiativen oder Anträge mit der AfD geben kann. Selbst wenn die AfD das richtige fordert, sie ist für uns grundsätzlich keine Partnerin und das werden wir klar demonstrieren. Gerade gemeinsame Anträge würden das Signal aussenden, dass die AfD eine „normale“ Kraft in der Kommunalvertretung ist, mit der man zusammenarbeiten kann.
Und selbst wenn alle anderen Fraktionen gemeinsam mit der AfD einen Antrag einbringen: Wir sollten uns nicht beteiligen und im Zweifel den Antrag wortgleich als
eigenen einbringen, um zu dokumentieren, dass wir uns dem Anliegen als solchem nicht verschließen, sondern es um die grundsätzliche Haltung geht, mit der AfD nichts gemeinsam zu tun.
Und ja, das kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Herzensanliegen von uns nicht
realisiert wird, weil nur durch die AfD eine Mehrheit zustande käme. Dann heißt es weiter um demokratische Mehrheiten kämpfen! - Keine Zustimmung zu Anträgen der AfD
Ebenso verhält es sich mit Anträgen der AfD. Wir stimmen keinem Antrag zu, der vor der AfD kommt, egal, was er beinhaltet. Wir versuchen auch nicht, Anträge der AfD besser zu machen, indem wir Änderungsanträge dazu stellen oder die Anträge in Ausschüsse zu überweisen.
Im Einzelfall kann das in der Bevölkerung schwierig zu vermitteln sein. Wenn es ein Thema betrifft, das dringend bearbeitet werden muss, dann sucht nach anderen
Wegen! Man kann auch zum gleichen Thema einen eigenen Antrag einbringen und
darum werben, dass andere demokratische Fraktionen diesen gemeinsam mit uns auf den Weg bringen. Selbst wenn uns ein solches Vorgehen öffentlich vorgeworfen wird, so ist der politische Schaden immer noch geringer, als es eine Zustimmung zu einem AfD-Antrag wäre.
Wichtig ist aber auch, in jedem Einzelfall die Argumentation zu prüfen. Manchmal kann es sein, dass ein einfaches Wegstimmen ohne Redebeitrag angezeigt ist. Oftmals muss man eine Ablehnung aber auch begründen, für die anderen Mitglieder der
Kommunalvertretung, aber auch und gerade gegenüber der Öffentlichkeit. - Keine Wahl von AfD-Vertreter*innen in Funktionen
In Kommunalvertretungen gibt es oftmals Funktionen, bei denen eine Partei entsprechend ihrer Stärke das Vorschlagsrecht zusteht. Das heißt aber noch lange nicht, dass es einen Zwang zur Wahl der vorgeschlagenen Personen gibt. Es empfiehlt sich, sehr genau abzuwägen, wie man sich im Einzelfall verhält. Die Wahl eines Schriftführers, der bei Wahlen in der Kommunalvertretung die Stimmen auszählt, ist sicher etwas
anderes als die Wahl des Vorsitzenden eines Ausschusses.
Bisher hat sich bewährt, bei Funktionen, die der AfD zustehen, wo aber kein Schaden entsteht, wenn ein Vertreter der AfD in diese gewählt wird, (wenn möglich) in Absprache mit den anderen demokratischen Kräften eine Enthaltung zu erwägen, und damit die Besetzung der Funktion mit Stimmen der AfD zu ermöglichen.
Bei Funktionen hingegen, die Außenwirkung bzw. politische Einflussmöglichkeiten
ermöglichen, ist oftmals eine Ablehnung empfehlenswert. Bei Funktionen, die nicht aus formalen Gründen zwingend an die AfD gehen müssen, sollte immer das Ziel sein, diese stattdessen durch Parteien oder Wählervereinigungen des demokratischen Spektrums zu besetzen. Auch eine Enthaltung wäre hier nicht sinnvoll.
Ich empfehle hierbei unbedingt eine vorherige Abwägung und Absprachen mindestens in der eigenen Fraktion, möglichst auch mit anderen demokratischen Kräften. Denn es kann auch die „Opferrolle“ der AfD bedienen, wenn alle ihre Vorschläge für eine
unwichtige Funktion abgelehnt werden. Und andererseits kann es eine verheerende politische Symbolik sein, wenn AfD-Vertreter in bestimmte Funktionen gewähltVon einer Ja-Stimme durch LINKE für AfD-Vertreter würde ich grundsätzlich abraten, einerseits wegen des Grundsatzes, keine Normalisierung zuzulassen und andererseits wegen der Symbolkraft, die in einem solchen Vorgang schlummert. - Aber: Keine Beschneidung demokratischer Rechte
Auch wenn es manchmal schwerfällt: Hütet euch vor der Beschneidung demokratischer Rechte, nur weil es die AfD trifft. Das stärkt nur ihre Opferrolle und in der Regel gibt es andere Lösungen! Und: Eine Beschneidung von Rechten in einer Kommunal-vertretung (bspw. Einschränkung des Anfragerechts oder der Redezeit) trifft immer alle, auch die demokratischen Mandatsträger*innen.
Allerdings ist es vollständig legitim, die bestehenden formalen Regelungen auszureizen. Es kann bspw. sinnvoll sein, Ausschüsse zusammenzulegen, weil die AfD ansonsten den Zugriff auf den Vorsitz im Sozial- oder Kulturausschuss bekommen würde. Auch kann der Versuch, fraktionslose Abgeordnete in demokratische Fraktionen zu integrieren und dadurch stärker zu sein als die AfD, sinnvoll sein, weil dies auch bedeuten kann, dass der AfD keine Aufsichtsratsmandate zustehen. Es kann auch im Einzelfall notwendig sein, einen Tagesordnungspunkt abzusetzen, weil klar ist, dass dieser nur der Hetze der AfD nutzt.
Die Ausnutzung der bestehenden Regelungen zum Nachteil der AfD ist in Ordnung. Aber bitte wägt das immer im Einzelfall auf seine Risiken und Nebenwirkungen ab!
Ein solches Agieren in der Kommunalvertretung ist nicht einfach durchzuhalten. Deshalb noch folgende Empfehlungen:
- Absprachen in der Fraktion – bestimmte Fragen „präventiv“ klären
Es ist wichtig, dass ihr euch in der Fraktion sowohl bezüglich des grundsätzlichen
Umgangs mit der AfD als auch zum konkreten Agieren in einzelnen Fragen einig seid. Deshalb klärt das vorab grundsätzlich und nehmt euch zusätzlich die Zeit, vor jeder Sitzung der Vertretung die einzelnen Fragen zu diskutieren. Es wird immer wieder schwierige Situationen geben! Wichtig ist, dass ihr voneinander wisst und identifiziert, welche Punkte auch in der Außenwirkung schwierig werden können, um dazu ein
gemeinsames Vorgehen zu besprechen. - Absprachen mit anderen demokratischen Kräften, gemeinsames Agieren
Es klang schon mehrmals an: Sucht euch Partner! Das ist nicht in jeder Kommunalvertretung möglich und oft wird es Fraktionen geben, die ein anderes Agieren gegenüber der AfD wollen, als wir das tun. Versucht es aber trotzdem! So konnte in einigen Kreistagen eine Verständigung der demokratischen Fraktionen auf eine grundsätzliche Ablehnung von Anträgen der AfD oder die Verabredung zu gemeinsamen Agieren bspw. Absprachen zu Redebeiträgen herbeigeführt werden.
Aber selbst wo das nicht möglich ist, bringt es Sinn, zumindest einzelne Akteur*innen oder Fraktionen zu finden, die bereit sind, gemeinsam zu agieren. - Klare Positionierung
Es hilft nicht, den Kopf einzuziehen. Bei AfD-Initiativen, die rassistisch, fremdenfeindlich, antisemitisch, homophob und/oder sexistisch sind, hilft nur eine klare Positionierung. Auch wenn viele Bürger*innen oder andere Kräfte in der Kommunalvertretung das Anliegen teilen oder es zumindest ähnlich sehen, wir sind LINKE und es ist an
solchen Stellen unsere Aufgabe, klare Kante zu zeigen. Wir müssen es weder allen recht machen, noch werden wir dafür gewählt, im Strom mit zu schwimmen.
Im Gegenteil: Von uns wird erwartet, dass (wenigstens) wir dagegenhalten. - Inhaltliche Auseinandersetzung, Dechiffrierung
Viele Anträge oder Initiativen kommen auf den ersten Blick harmlos daher und sind so geschrieben, dass man sie eigentlich nicht ablehnen kann. Auf den zweiten Blick wird aber oft deutlich, dass es darum geht, eine schnelle Nachricht zu produzieren, die
eigene Klientel zu bedienen und die geschilderten Politikansätze und Strategien zu
bedienen oder auch einfach nur die anderen Kräfte in der Kommunalvertretung unter Druck zu setzen. Benennt dieses Kalkül deutlich, klärt die Hintergründe auf und
entlarvt ihre Strategie! Dechiffriert, was das eigentliche Ziel des Antrags ist. Das ist vor allem wichtig, um in der Öffentlichkeit zu erklären, weshalb wir Initiativen nichtUnd geht in die inhaltliche Auseinandersetzung! Dabei ist vor allem wichtig, dass ihr inhaltlich in den Themen fit seid. Dann könnt ihr auch anderen schnell klarmachen,
wo die AfD nur auf ein Thema drauf springen will und Scheinlösungen anbietet.
Und nicht selten wird es vorkommen, dass ihr bei der Diskussion in der Fraktion feststellt, dass der eigentlich harmlos klingende Antrag gar nicht so harmlos ist. Und das soll dann natürlich auch die Öffentlichkeit wissen. Versucht zu schwierigen Themen auch eigene Öffentlichkeit, bspw. über Websites oder Flyer zu schaffen. Hier könnt ihr ungefiltert und ausführlich erklären, weshalb ihr eine Initiative ablehnt. - Agieren, nicht nur Reagieren
Lasst euch nicht treiben. Reagiert nicht erst, wenn die AfD ein Thema auf die Tagesordnung setzt. Wenn ein Thema vor Ort aktuell ist oder sich aufbaut, dann agiert.
Redet mit den Akteur*innen, erklärt frühzeitig, wie ihr dazu steht und dokumentiert, dass ihr von Anfang an am Thema dran seid. Gerade wenn es in eurer Kommunalvertretung eine aktive AfD-Fraktion gibt, geht es dabei oft um Schnelligkeit.
Und wenn die AfD doch schneller war, dann verabredet euch, wie ihr das Thema angehen wollt und arbeitet an Mehrheiten für euren Lösungsweg. Ein Thema liegen zu lassen, nur, weil die AfD das schon versucht zu besetzen, ist mit Sicherheit der falsche Weg!
Und: Oftmals ist es nicht die Sache der AfD, langfristig ein Thema zu bearbeiten. Bleibt dran, auch wenn es schwer ist. Das macht in der Sache glaubwürdiger als es ein Schnellschuss der AfD vermag. - Nicht über jedes Stöckchen springen
Manchmal startet die AfD Initiativen oder hält Reden, die nur dafür da sind, die anderen Kommunalvertreter*innen zu provozieren. Es ist das Geschäft der AfD, ihre Positionen radikal zu formulieren, in dem Wissen, dass alle anderen dem nicht zustimmen können. Die AfD lebt davon, „anders“ zu sein als die demokratischen Parteien und mit Provokation Aufmerksamkeit zu erregen. Und natürlich gehört dazu das Kalkül, dass alle anderen sich aufregen und der Initiative dadurch eine größere Bedeutung verliehen wird, als sie es eigentlich verdient. Deshalb kann es auch mal die richtige Strategie sein, zu einem Antrag (idealerweise in Absprache mit den anderen Fraktionen) gar nichts zu sagen und ihn einfach abzulehnen. Das geht natürlich nicht immer, manchmal darf Gesagtes auch nicht so im Raum stehen bleiben. Hier müsst ihr im Einzelfall abwägen. - Immer die Symbolik mitdenken
Es klagt schon in mehreren Handlungsempfehlungen an: Politik hat immer etwas mit Symbolik zu tun. Versucht diese Ebene immer mitzudenken und überlegt gut, welches Bild in der Öffentlichkeit entsteht. Versucht auch die eigenen Anträge daraufhin abzuklopfen, dass keine ungewollte Symbolik produziert wird. So kann es im Einzelfall besser sein, auf einen Antrag zu verzichten (vor allem, wenn eine Mehrheit dafür unwahrscheinlich ist), bei welchem das Symbol produziert werden würde, dass die AfD dieses Anliegen (gemeinsam mit demokratischen Kräften) verhindert hat. Umgekehrt kann auch genau das gewollt sein, gerade wenn es demokratische Kräfte gibt, die gern mal mit der AfD gemeinsame Sache machen. - Persönlicher Umgang
Gerade in Kommunalvertretungen kennt oft jede*r jede*n. Besprecht in der Fraktion, wie ihr es mit den AfD-Vertreter*innen halten wollt. Du oder Sie, Begrüßung mit Handschlag oder nicht (Achtung: Handschlag ist auch Symbolik, vor allem, wenn es davon Fotos gibt!), Smalltalk in der Pause ja oder nein… Ich persönlich halte es so, dass ich mit AfD-Vertreter*innen keinerlei persönliches Wort wechsle, sie grundsätzlich sieze, nur in Sitzungen überhaupt mit ihnen kommuniziere und ihnen keinesfalls die Hand gebe. Aber das ist meine persönliche Entscheidung, ihr könnt das auch entsprechend der Gegebenheiten und des Umgangs miteinander in der Vertretung anders entscheiden. Aber: Egal, wie ihr euch entscheidet, wichtig ist, dass ihr voneinander wisst und darüber sprecht.
Auch außerhalb der Kommunalvertretung kann es passieren, dass ihr mit AfD-Vertreter*innen konfrontiert werdet. Auch dazu einige Empfehlungen:
- Keine gemeinsamen Veranstaltungen und Pressekonferenzen
Gemeinsame Veranstaltungen oder auch Pressekonferenzen haben eine starke symbolische Bedeutung in ihrer Außenwirkung und können eine ungewollte Dynamik weit über die Ortgrenze hinaus haben – das haben wir anhand der Vorgänge in Forst gesehen. Auch hier gilt – ebenso wie oben ausgeführt bei Anträgen und Initiativen – die AfD ist kein Partner für uns und deshalb wird es keine gemeinsamen Veranstaltungen geben. Egal wie wichtig das Thema uns ist, eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen gibt es auch in Einzelfällen mit uns nicht. - Kein Podium bieten
Allerdings steht die Frage, was wir machen, wenn es sich um Veranstaltungen Dritter handelt und wir entscheiden müssen, ob wir teilnehmen, obwohl jemand von der AfD da ist. Das muss im Einzelfall abgewogen werden. Eine Podiumsdiskussion, wo lediglich eine Person der LINKEN und eine der AfD eingeladen ist, würde ich empfehlen zu meiden. Handelt es sich aber um eine Veranstaltung, bei der alle oder mehrere Fraktionen eingeladen sind – unter anderem dann auch die AfD – sollten wir teilnehmen. Aber auch da kann es wiederum Ausnahmen geben. Ich empfehle, das gemeinsam im Vorfeld abzuwägen. Oftmals kann es auch helfen, die Veranstalter*innen über das Unbehagen zu informieren und mit ihnen gemeinsam zu bereden, ob eine Teilnahme der AfD wirklich sinnvoll und notwendig ist.
Und wichtig: Sprecht wenn möglich vorher mit den anderen Teilnehmer*innen darüber, wie verhindert wird, dass die AfD die Agenda bestimmt, wie mit rechtsextremen Äußerungen umgegangen wird oder wie reagiert wird, wenn es zu schwierigen Situationen kommt. Ziel muss immer sein, dass die AfD nicht die Themen bestimmt - Angegriffene schützen
Eine Strategie der AfD ist es, innerhalb wie außerhalb der Parlamente und Vertretungskörperschaften, missliebige Personen aus anderen Parteien wie der Zivilgesellschaft und der Medien, aber auch Vereine, Verbände und Initiativen anzugreifen und zu diffamieren. Das kann für die angegriffene Person und deren Familien sehr belastend sein und auch zivilgesellschaftliche Strukturen können dadurch in ihrem Image leiden. Die dahinter stehende Strategie ist immer die gleiche: Gegner*innen sollen geschwächt und möglichst mundtot gemacht werden. Hier hilft nur eines: unbedingte Solidarität. Versucht, gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften zusammenzustehen, diese Strategie zu entlarven und die Angegriffenen wo immer es geht zu schützen und zu unterstützen. - Gegenprotest?
In den vergangenen Monaten hat die AfD in vielen Orten Veranstaltungen und Kund-gebungen, die teils gut besucht waren, durchgeführt. Immer wieder steht die Frage, soll dagegen Protest organisiert werden. Wie so oft in diesem Papier gibt es da kein einfaches Rezept. Tendenziell würde ich immer sagen, dass Protest sinnvoll ist, wenn er nicht nur von uns allein kommt. Wenn es also zivilgesellschaftliche Mitstreiter*innen oder auch andere Parteien oder Wählervereinigungen gibt, die gemeinsam mit uns der Normalisierung der AfD entgegentreten wollen, sind Gegenaktionen meist sinnvoll. Von alleinigen Aktionen LINKE gegen AfD würde ich wegen der Symbolik abraten.
Aber auch von dieser Empfehlung kann es Ausnahmen geben. Manchmal braucht es einfach ein Signal, dass es vor Ort Menschen gibt, die der AfD entgegentreten und in anderen Fällen ist es besser, eine Veranstaltung zu ignorieren, um sie nicht noch mehr aufzuwerten. Und manchmal kann es auch besser sein, nicht die direkte Konfrontation zu suchen, sondern zeitlich oder örtlich versetzt eine eigene Aktivität zu planen.
Auch hier ist es empfehlenswert, gemeinsam abzuwägen, was der richtige Weg ist.
All diese Handlungsempfehlungen sind nicht abschließend. Sie beruhen auf den bisherigen Erfahrungen im Umgang mit den Akteur*innen der AfD. Aber selbst wenn ihr alle Ratschläge beherzigt und euch intensiv beratet und abwägt, kann es passieren, dass es schiefgeht, jemand aus den eigenen Reihen einen Fehler macht, in der Öffentlichkeit kein gutes Bild erzeugt wird und/oder handfester politischer Schaden entsteht.
Wichtig ist dann: holt euch Hilfe! Im Landesvorstand und in der Landtagsfraktion gibt es erfahrene Genoss*innen, die euch in schwierigen Situationen zur Seite stehen können. Deshalb meldet euch bei der Landesgeschäftsstelle, wenn ihr nicht sicher seid, wie ihr mit einer Situation umgehen sollt oder auch, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr nicht optimal agiert habt und es deshalb Ärger gibt. Die Genoss*innen in der Landesgeschäftsstelle werden den Kontakt zu denjenigen, die euch in der konkreten Situation helfen können, herstellen.
Und bitte: Seid solidarisch! Fehler im Agieren oder im vorherigen Abwägen werden immer mal wieder gemacht werden. In der Regel geschieht das nicht bewusst oder gewollt und deshalb sollten wir uns dann nicht gegenseitig Vorwürfe machen, sondern gemeinsam beraten, wie wir größeren Schaden abwenden und wie wir solche Fehler künftig vermeiden.
Weitergehende Informationen
Für alle Fragen rund um den Umgang mit der AfD in Kommunalvertretungen und auch für
Diskussionen bei euch vor Ort zu diesem Thema könnt ihr euch jederzeit gern an die Landesgeschäftsstelle der LINKEN Brandenburg wenden:
E-Mail: info@dielinke-brandenburg.de,
Telefon: 0331/20 00 9-0
Oder auch direkt an mich:
E-Mail: mail@andrea-johlige.de,
Telefon: 0331/966-1521
Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine sehr hilfreiche Publikation zum Thema verfügbar:
Rät*innen gegen Rechts https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Broschur_Raet-innen-gegen-rechts.pdf