Interview zum Verfassungsschutzgesetz: „Hätten sonst eine Chance vertan“

Interview zum Verfassungsschutzgesetz: „Hätten sonst eine Chance vertan“

Der Kollege Benjamin Lassiwe hat mit mir ein Interview zum Verfassungsschutzgesetz gemacht. Dieses ist in der Lausitzer Rundschau und im Prignitzer erschienen und das will ich natürlich hier nicht vorenthalten.

 

„Hätten sonst eine Chance vertan“

Die Linken-Abgeordnete und Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss Andrea Johlige wird Verfassungsschutzgesetz zustimmen

Für die Linken sitzt sie im NSU-Untersuchungssausschuss. Und zu behaupten, dass Andrea Johlige eine große Freundin des Verfassungsschutzes sei, wäre eine faustdicke Lüge. Die Landtagsabgeordnete aus dem Havelland erklärt im Gespräch mit Benjamin Lassiwe, warum sie dem neuen Verfassungsschutzgesetz dennoch zustimmen wird.

Frau Johlige, was hat die Linke beim Verfassungsschutzgesetz erreicht?

Wir hatten uns vorher Ziele gesetzt, die wir erreichen wollten: Eine bessere Kontrolle des Verfassungsschutzes, eine Stärkung der Rolle der Parlamentarischen Kontrollkommission, eine konsequente Beibehaltung des Trennungsgebots von Polizei und Verfassungsschutz und eine Innenrevision. Das haben wir geschafft.

Aber die V-Leute gibt es weiter. Lehnt die Linke deren Einsatz nicht eigentlich ab?

Wenn wir den Einsatz von V-Leuten, den wir ablehnen, schon nicht abschaffen können, dann wollen wir sie wenigstens strengeren gesetzlichen Regelungen unterwerfen: Bestimmte Dinge, wie sie etwa bei „Piatto“ passiert sind, wird es künftig nicht mehr geben.

Ein Straftäter, der wegen Beihilfe zum Mord verurteilt wurde, soll künftig nicht mehr angeworben werden können.

Wollte die Linke den Verfassungsschutz nicht in ihrem Wahlprogramm insgesamt abschaffen?

Wir lehnen den Verfassungsschutz ab, das stimmt. Wir wissen aber auch, dass die Forderung nach seiner Abschaffung weder eine gesellschaftliche noch eine parlamentarische Mehrheit hat. Und bei einem Brandenburger Alleingang wäre der Bundesverfassungsschutz für Brandenburg zuständig. Der wäre noch weniger kontrollierbar als der Landesverfassungsschutz. Deswegen ist so etwas derzeit nicht umsetzbar.

Was würde passieren, wenn das Verfassungsschutzgesetz im Landtag an den Linken scheitert?

Dann hätten wir die Chance vertan, als erstes Bundesland umfassende Schlussfolgerungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss zu ziehen. Zum Beispiel die Whistleblower-Regelung: Künftig sollen sich Verfassungsschützer anonym selbst an die PKK wenden können.

Sie sollen keine Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie auf Missstände hinweisen.

Nach der nächsten Landtagswahl könnte es sein, dass die CDU an der Regierung beteiligt ist. Würde so ein Gesetz dann zustande kommen?

Mit Sicherheit nicht. Wenn die CDU an der Beschlussfassung eines neuen Verfassungsschutzgesetzes beteiligt wäre, würde der Verfassungsschutz deutlich stärkere Befugnisse erhalten, als heute. Und wir haben diese Befugnisse ja schon ausgeweitet: Und das wären dann nicht nur die Anpassung der Einsatzmittel an den technischen Fortschritt wie mit dem IMSI-Catcher zur Identifizierung von Mobiltelefonen im jetzigen Entwurf, der im bisherigen Gesetz fehlte.

Wie geht es jetzt weiter? Im Moment gibt es ja keine Mehrheit…

Das Gesetz wird jetzt erst einmal in den Landtag eingebracht. Dann gibt es Expertenanhörungen. Und dann werden wir darüber mit Experten beraten, wo man noch nachsteuern muss.

Und wie wird man die Jugendorganisation „Solid“ von diesem Gesetz überzeugen?

Wir werden das gemeinsam mit „Solid“ und mit anderen Gruppen der Partei diskutieren. So ein Gesetz kann kein Selbstläufer in der Linken sein. Wir müssen vor der Abstimmung also sehr kritisch hinsehen, ob wirklich alle unsere Ziele erreicht wurden.