Rede zum Antrag "Einrichtung einer Beratungsstelle bei der Integrationsbeauftragten"

Rede zum Antrag „Einrichtung einer Beratungsstelle bei der Integrationsbeauftragten“

Die Koalitionsfraktionen haben einen Antrag zur „Einrichtung einer Beratungsstelle bei der Integrationsbeauftragten“ ins Plenum eingebracht und beschlossen.

Meine Rede dazu ist als Video hier verfügbar.

Außerdem ist hier das Skript der Rede dokumentiert:

„Eine Frau und vier syrische Kinder sind im regulären Familiennachzug nach Brandenburg gekommen. Ihre Pässe laufen nun ab und die zuständige Ausländerbehörde verlangt für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung neue Pässe, die aber kosten bei der syrischen Botschaft mindestens 165 Euro, je nach Dringlichkeit auch bis zu 700 Euro. Da steht die Frage, wer bezahlts? Das Jobcenter ist nicht zuständig und das Sozialamt winkt auch ab? Zudem: Das Aufenthaltsgesetz gibt diese Passpflicht gar nicht her, da für den Aufenthalt in Deutschland auch ein Passersatzpapier möglich ist. Die Ausländerbehörde beharrte Monate lang auf ihrem Standpunkt, erst eine politische Intervention sorgte dafür, dass der Fall erneut geprüft wurde und die Behörde einlenkte.

Eine andere Ausländerbehörde erklärte im Rahmen des regulären Familiennachzugs, dass ein Einkommen von 3000 Euro nicht ausreiche, eine vierköpfige Familie zu versorgen, weshalb sie dem Familiennachzug nicht zustimmen wollte und die Frau und die Kinder in Syrien hätten bleiben müssen. Nicht nur, dass diese Einschätzung sicher viele Menschen in Brandenburg irritieren dürfte, die Behörde verkannte auch die Rechtslage: Im Rahmen des regulären Familiennachzugs ist ein Einkommensnachweis gar nicht erforderlich. Das braucht es nur beim Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge.

Das sind zwei Fälle, die fast vor Gericht gelandet wären, hätte es nicht noch politische Intervention gegeben, die zum Einlenken der Behörde führte. Es gibt dutzende ähnlich geartete. Ob bei der Wohnsitzauflage, bei der Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes, bei Fragen der Umverteilung zwischen Kommunen, bei der Anwendung der Sozialgesetze, beim Familiennachzug oder beim Umgang mit besonderer Schutzbedürftigkeit  –  es gibt Unsicherheiten mit der – diverse Male in den vergangenen Jahren geänderten – Rechtslage bei kommunalen Ausländer- und Sozialbehörden.

Gleichzeitig beobachten wir, dass die Regelsysteme die spezifischen Bedingungen und Bedürfnisse der Geflüchteten nicht oder nur unzureichend berücksichtigen. Aber auch unterschiedliche Rechtsanwendung in verschiedenen Kommunen in Brandenburg ist immer wieder ein Thema. Das sind vermeidbare Probleme, die nicht selten vor Gericht landen.

Die von uns geschaffene Struktur der Migrationssozialarbeit als Fachberatungsdienst kann diese Problemlagen nicht immer ausreichend bearbeiten und auch die Integrationsbeauftragten der Landkreise und kreisfreien Städte stoßen innerhalb der Verwaltungen oftmals an Grenzen.

Um diese Lücke zu schließen, wollen wir im Rahmen eines zweijährigen Modellvorhabens die Ombudsfunktion der Integrationsbeauftragten des Landes stärken. Die zu schaffende Beratungsstelle soll in Konfliktfällen vermitteln und bei Rechtsunsicherheiten oder besonders komplexen Einzelfällen für die kommunalen Ausländerbehörden aber auch für die Beraterinnen und Berater der Migrationssozialarbeit als Ansprechpartner und Berater zur Verfügung stehen.

Es geht also nicht darum, eine zusätzliche Beratungsstruktur für Geflüchtete zu schaffen – dafür gibt es die Migrationssozialarbeit als Fachberatungsdienst und künftig auch die Verfahrensberatung in der Erstaufnahme –  sondern vielmehr eine Unterstützung für Handelnde in den Verwaltungen und der Migrationssozialarbeit zu organisieren. Das klare Ziel ist, dass weniger Fälle vor Gericht landen und gerade im Falle komplizierter Fallgestaltungen die handelnden Akteure Sicherheit zur Rechtslage erlangen. Gleichzeitig können hier Gesetzeslücken oder Schwächen in den Regelsystemen aber auch im Verwaltungshandeln identifiziert und zur Änderung vorgeschlagen werden.“