Rede zum Antrag der CDU zur Einstufung weiterer Länder als sogenannte sichere Herkunftsstaaten

Rede zum Antrag der CDU zur Einstufung weiterer Länder als sogenannte sichere Herkunftsstaaten

Huete wurde erneut ein Antrag der CDU im Plenum behandelt der fordert, dass die Landesregierung im Bundesrat zustimmt, dass weitere Länder als sogenannte sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.

Mein Redeskript ist hier verfügbar:

„Man muss sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auf Sie ist Verlass. Als im Bundestag der Beschluss gefasst wurde, weitere Staaten als sogenannte sichere Herkunftsstaaten einzustufen, dachte ich gleich, na, da wird doch wieder ein Antrag der CDU kommen. Und richtig, kurze Zeit später flatterte er herein. Und so diskutieren wir in dieser Wahlperiode zum dritten Mal über die Frage, ob Tunesien, Marokko und Algerien als weitere sogenannte sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Nun kam noch Georgien hinzu.

Die Argumentation, warum wir als LINKE dies ablehnen und deshalb auch in der Landesregierung auf eine Enthaltung Brandenburgs im Bundesrat hinwirken werden, bleibt dabei gleich: Kein Land wird dadurch sicher, weil Deutschland dies beschließt. Wir wollen ein faires Asylverfahren für jede und jeden Asylsuchenden und das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten steht diesem entgegen.

Ein faires Verfahren ist es aber gerade nicht, wenn die Geflüchteten gegen die Annahme des Staates, das Land, aus dem sie geflüchtet sind, sei sicher, ankämpfen müssen, und auch Schnellverfahren und verkürzte Rechtsmittelfristen benachteiligen Geflüchtete aus diesen Ländern und bringen sie im schlimmsten Fall um ihr Recht auf Asyl.

Hinzu kommt: Der Bundesgesetzgeber wird seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Alle vorliegenden Zahlen sprechen dafür, dass es des geplanten Gesetzes und der Einstufung, selbst aus der Perspektive seiner BefürworterInnen, nicht bedarf!

Deshalb will ich auf folgende Punkte hinweisen:

  1. es gab einen Rückgang der Asylanträge von Asylsuchenden aus den drei Maghreb-Staaten von 2016 bis heute in Höhe von 65%. Die Zahl der aus diesen Ländern beim BAMF noch anhängigen Asylverfahren reduzierte sich in diesem Zeitraum sogar um 85% (auf gerade einmal noch 626) – und das alles ohne Einstufung als sogenannte sichere Herkunftsstaaten!
  2. Die Zahl der Abschiebungen in die drei Staaten hat sich seit 2015 verzehnfacht
  3. Die Zahl der Ausreisepflichtigen aus diesen drei Staaten liegt aktuell bei gerade einmal unter 9.000 Personen bundesweit, etwa die Hälfte von ihnen wird geduldet.
  4. In der EU hat nur eine kleine Zahl von Staaten die drei Länder als sogenannte sichere Herkunftsstaaten gelistet (Kroatien, Slowenien und die Niederlande), und die Niederlande haben LGBTI-Personen hiervon ausdrücklich ausgenommen, was allerdings nach deutschem Recht nicht möglich ist. Sonst verweist die Bundesregierung immer gerne auf die Praxis anderer EU-Staaten, das müsste in diesem Fall aber heißen, die drei Länder nicht als „sicher“ anzusehen!
  5. Zum gängigen – aber falschen – Argument, die Einstufung von Herkunftsstaaten als „sicher“ würde zu einem Rückgang der Asylsuchenden aus diesen Herkunftsländern führen, will ich anschließen: Insbesondere nach der ersten Einstufung von drei Balkanstaaten, also Serbien, Bosnien, Mazedonien, im November 2014 war die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Ländern  sogar höher als vor der Einstufung! Bei der zweiten Einstufung dreier Westbalkanländer als „sicher“ im Oktober 2015 gab es zwar einen Rückgang, dieser hatte jedoch offenkundig bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung eingesetzt und war vor allem mit anderen Maßnahmen zu erklären.
    Und nicht zuletzt der drastische Rückgang der Asylsuchenden aus den drei Maghreb-Staaten – ohne Einstufung! – zeigt ja, dass der immer wieder behauptete Zusammenhang, warum man angeblich eine solche Einstufung dringend brauche, nicht besteht. Es geht hier, wieder einmal, vor allem um Symbolpolitik, mit allerdings drastischen Auswirkungen für die Betroffenen aus diesen Ländern, die nach einer Einstufung zahlreichen Gesetzesverschärfungen, Sonderregelungen und Drangsalierungen unterliegen.
  6. Und ein letztes Argument: Die Bundesregierung hat ursprünglich für das Jahr 2017 für die Länder Algerien, Marokko und Tunesien fälschlich bereinigte angegeben. Auf Anfrage der LINKEN im Bundestag wurde nun klar: die bereinigten Schutzquoten in Bezug auf diese drei Herkunftsstaaten, die angeblich total sicher sein sollen, lagen im Jahr 2017 bei 6,3%, 10,6%, und 5,9% – und damit  deutlich über der 5%-Marke, die bisher als Argumentation für die Einstufung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten herangezogen hat.

Deshalb: Wir lehnen das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich ab, aber selbst wenn man die Kriterien für die Einstufung, die bisher immer herangezogen wurden, ansetzt, gibt es keinen Grund für die Einstufung dieser vier Länder als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Es handelt sich – wie so oft – um Symbolpolitik auf Kosten der Geflüchteten durch die Große Koalition auf Bundesebene. Dafür wird es von uns keine Stimme im Bundesrat geben!“