Rede im Landtag zum Antrag "Die Kommunen in der Corona-Krise unterstützen"

Rede im Landtag zum Antrag „Die Kommunen in der Corona-Krise unterstützen“

Als LINKE haben wir in das Plenum des Landtages den Antrag „Die Kommunen in der Corona-Krise unterstützen“ eingebracht. Die Fraktion BVB/Freie Wähler unterstützte den Antrag und reichte ihn nach einigen Änderungen gemeinsam mit uns ein. In der Debatte wurde deutlich, dass die Koalition keine eigenen Vorschläge zur Unterstützung der Kommunen hat, sie lehnte unseren Antrag jedoch dennoch ab.

Meine Einbringungsrede ist hier zu finden. Am Anfang habe ich bei der Begrüßung einige Worte gesagt, um gegen die Pairingvereinbarung zu protestieren, die dazu fürhte, dass nicht alle Abgeordneten an der Landtagssitzung teilnehmen konnten.

Meine Erwiderung am Ende der Debatte ist leider (noch) nicht als Einzelvideo verfügbar, im Video von der Gesamtdebatte kann man sie sich jedoch anschauen.

 

Beide Reden dokumentiere ich hier auch textlich. Dies ist das gesprochene Wort zitiert aus dem vorläufigen stenografischen Protokoll.

Einbringungsrede:

„Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren an den Bildschirmen! Liebe Abgeordnete hier im Saal! Ich möchte ganz besonders die Abgeordneten grüßen, die heute nicht im Saal sein können, weil hier kein ausreichender Infektionsschutz für alle 88 Abgeordneten gewährleistet werden kann.
Ich betrachte es als ein Armutszeugnis für die Demokratie, wenn der Landtag gerade in einer solchen Krise nicht in voller Stärke tagen kann. Angeblich ist es nicht möglich, größere Räumlichkeiten in diesem Lande zu nutzen, wie andere Landtage dies übrigens tun. Für die Sitzung im Mai wünsche ich mir eine Lösung, bei der keine Abgeordneten unter Druck gesetzt werden, auf ihr in der Verfassung verankertes Teilnahmerecht zu verzichten.

Die Städte und Gemeinden, die Landkreise und die kreisfreien Städte sind das Rückgrat unseres Landes. Das wird in dieser Situation angesichts der Pandemie, in der wir uns befinden, sehr deutlich. Sie tragen die Hauptlast der Krise: Die Ordnungsbehörden setzen die Eindämmungsverordnung um. Die Gesundheitsämter koordinieren die Maßnahmen vor Ort, und sie sind die ersten Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger.

Ohne Kommunen wäre die Krisenbewältigung nicht möglich, gerade auch, weil sie die Aufgaben im Auftrag des Landes und des Bundes erledigen. Gleichzeitig ist absehbar, dass Kommunen durch die Krise stark belastet werden. Wir können erwarten, dass es zu einem Einbrechen der Gewerbesteuern kommt. Wir können erwarten, dass die Einkommensteueranteile sinken. Wir können davon ausgehen, dass sich die Verbundmasse infolge sinkender Einnahmen des Landes verringern wird usw.

Zu diesen sinkenden Einnahmen kommen dann noch krisenbedingt höhere Ausgaben. Die Sozialkosten werden steigen. Die Ausgaben im Zusammenhang mit der Krise kommen hinzu. Die Belastungen bei den kommunalen Eigenbetrieben, beispielsweise beim ÖPNV oder bei den Krankenhäusern, sind absehbar. Das heißt, diejenigen, ohne die wir die Corona-Krise nicht bewältigen können, werden mit absoluter Sicherheit in finanzielle Nöte geraten.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Einige von ihnen sind es schon. Etwa 20 % der Kommunen befanden sich bereits vor der aktuellen Krise in der Haushaltssicherung, trotz guter Konjunktur und hervorragenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Trotz dieser Erkenntnisse, die niemandem in diesem Saal neu sein dürften, spielt der Erhalt der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kommunen bisher weder bei der Hilfe des Bundes noch des Landes irgendeine Rolle.

Aus unserer Sicht ist es existenziell wichtig, jetzt mit der Klärung der Frage zu beginnen, wie wir als Landespolitik dafür sorgen können, dass unsere Kommunen finanziell handlungsfähig bleiben, wie sie also vor dem Einbruch ihrer Einnahmen bewahrt, wie sie von bürokratischen Hürden befreit und wie sie in ihrer Leistungsfähigkeit gestärkt werden.

Wir müssen verhindern, dass Kommunen aufgrund der Krise in die Haushaltssicherung getrieben werden; denn die Haushaltssicherung ist für etwas anderes da. Sie soll strukturelle Probleme lösen – wenn also die Ausgaben dauerhaft die Einnahmen übersteigen -, und nicht, wie nun zu befürchten, in schwierigen Situationen die Handlungsfähigkeit verhindern.

Aus unserer Sicht braucht es daher jetzt das Signal an die Kommunen, dass die Landespolitik dieses Problem verstanden hat; deshalb dieser Antrag. Ich danke den Freien Wählern sehr, dass wir ihn inzwischen als gemeinsamen Antrag einbringen. Wir haben noch eine Änderung vorgenommen; das haben Sie dem Neudruck entnehmen können.

Wir schlagen Ihnen vor, die Landesregierung aufzufordern, verschiedene Maßnahmen zu prüfen, die aus unserer Sicht geeignet wären, den Kommunen in dieser Situation zu helfen. Dabei wissen wir sehr wohl, dass nicht alles davon eins zu eins realisiert werden kann. Wir wollen aber bis Ende Mai, also auch unter Berücksichtigung der Mai-Steuerschätzung, eine fundierte Datengrundlage, um gemeinsam mit den Kommunen entscheiden zu können, welche Maßnahmen geeignet und geboten sind, ihnen zu helfen.

Ich habe heute aufmerksam die Presse gelesen und dabei zur Kenntnis genommen, dass Herr Redmann glaubt, mit dem kommunalen Notlagegesetz bereits unsere Intention aufgenommen zu haben. Ich habe daraufhin noch einmal in den Gesetzentwurf geschaut, aber Herr Redmann, ich sage Ihnen: Das wird bei Weitem nicht ausreichen, um überplanmäßige Ausgaben, die nicht gedeckt sind, zu erlauben. Angesichts der sich abzeichnenden Lage ist es nahezu ein Hohn, sich hinzustellen und zu behaupten, das werde ausreichen.

Das ist Ihnen anscheinend heute Nacht ebenfalls aufgefallen, und deswegen haben Sie uns heute Morgen noch einen Entschließungsantrag zur Debatte des Notlagegesetzes vorgelegt, zu dem wir aber leider nichts sagen konnten, weil wir den Antrag zu dem Zeitpunkt, als unser Redner an der Reihe war, noch nicht kannten. Deswegen werde ich jetzt etwas dazu sagen.

Ich befürchte, Sie werden uns gleich erklären, dass sich mit dem Satz in Ihrem Entschließungsantrag, die Landesregierung solle eine Prognose vorlegen, welche finanziellen Auswirkungen die Corona-Krise auf die Kommune habe, unser Antrag erledigt habe und nicht nötig sei.
(Zuruf) – Das dachte ich mir, Herr Redmann.

Ich hoffe aber, dass Sie das nicht tun. Ihr Satz sagt – genauso wie der gesamte Rest Ihres Entschließungsantrags – nicht allzu viel aus. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Sie gerade in dem Satz zu den finanziellen Auswirkungen noch nicht mal eine zeitliche Festlegung getroffen haben, bis wann denn die Landesregierung diese Prognose vorgelegt haben soll. Mit solchen Allgemeinplätzen die Vorschläge der Opposition plattzumachen, ist aus meiner Sicht unter Ihrem Niveau.

Nein, das Land wird deutlich mehr tun müssen. Der Landtag trägt die Verantwortung, mehr zu sagen als nur: Die Landesregierung soll mal eine Prognose vorlegen!

Wir haben konkrete Vorschläge unterbreitet, wie den Kommunen geholfen werden kann. Das sind beispielsweise der befristete Verzicht auf ausgeglichene Haushalte, der befristete Verzicht auf Einhaltung von Haushaltssicherungskonzepten, die Einbeziehung der Kommunalwirtschaft in die Hilfsprogramme, die Wiederaufnahme des kommunalen Investitionsprogramms unter zeitweisem Verzicht auf die Eigenanteile, eine Fortsetzung der Entschuldung der Kommunen, die teilweise Übernahme von Kassenkrediten oder auch die Kompensation von Einnahmeverlusten durch Ausgleich des Landes auf Verbundmasseniveau des Jahres 2019.

Das sind unsere Vorschläge zur Prüfung. Ich freue mich jetzt sehr auf die Debatte und wünsche mir, dass wir gemeinsam das richtige Signal aussenden: dass wir die Kommunen in dieser Situation nicht allein lassen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

 

Erwiderung am Ende der Debatte:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich den Koalitionsfraktionen widme, muss ich kurz etwas zu Herrn von Lützow sagen: Herr von Lützow, möglicherweise wäre es sinnvoll, wenn Sie sich noch einmal mit der Finanzpolitik der rot-roten Koalition der letzten Wahlperiode beschäftigten. Es ist völliger Unsinn zu behaupten, wir hätten die Kommunen kaputtgespart. Ich erwähne, dass die Verbundquote von 20 auf 22,4 % erhöht wurde. Das ist der höchste Satz in der Geschichte Brandenburgs und bedeutete jährlich 200 Millionen Euro mehr. Wir hatten ein 150-Millionen-Euro-Investitionsprogramm für die Kommunen, 220 Millionen Euro Entschuldung für die kreisfreien Städte. Es ist also wirklich Unsinn, hier zu erklären, unter Rot-Rot wären die Kommunen kaputtgespart worden.

Ich muss auch etwas zum Minister sagen: Herr Minister, ich lasse mir ungern vorwerfen, nicht aufgepasst zu haben. Deswegen will ich hier zumindest kurz den Beweis antreten, dass ich aufgepasst habe. Erstens: Die Kitabeiträge – das haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen – kommen in der Regel den Eltern zugute, wie ich das bisher verstanden habe. Das Notlagengesetz hilft eben gerade nicht bei der finanziellen Ausstattung, und die ÖPNV-Gelder sind keine zusätzlichen Gelder, sondern sie wurden einfach früher ausgezahlt.

Das mag der Liquidität helfen, hilft aber nicht bei 10 bis 15 Millionen Euro Mindereinnahmen unserer ÖPNV-Unternehmen in Brandenburg monatlich. Deswegen kann ich nur sagen: Nein, bisher ist nicht viel von dieser Landesregierung gekommen, was den Kommunen hilft.

Dann muss ich noch etwas zum finanzpolitischen Harakiri und den Schnellschüssen sagen: Wir haben hier eine Koalition erlebt, die innerhalb von 72 Stunden das Hilfsprogramm von 500 Millionen auf 2 Milliarden Euro erhöht hat, im Übrigen mit der Begründung, dass 1 Milliarde Euro Mindereinnahmen erwartet werden. Das sind dann übrigens auch über 200 Millionen, die die Kommunen weniger bekommen. Das heißt, es ist absehbar, dass die Kommunen in eine finanzielle Schieflage geraten. Dazu haben wir heute von Ihnen in dieser Debatte nichts, aber auch gar nichts gehört.

Weshalb die Koalition jetzt auf einmal so ein Problem mit Prüfaufträgen hat, erschließt sich mir auch nicht. Ich erinnere einmal an die 55 Prüfaufträge, die wir im Koalitionsvertrag lesen konnten, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hätte mir hier wirklich gewünscht, dass Sie heute mit konkreten Vorschlägen kommen und uns sagen, wie Sie den Kommunen unter die Arme greifen können. Wir haben hier nichts, aber auch gar nichts an konkreten Vorschlägen gehört. Wir haben welche vorgelegt und ich prophezeie Ihnen schon heute – wir werden es in den nächsten Monaten erleben -, dass Sie auf einen Vorschlag nach dem anderen von unseren zehn vorgelegten Punkten zurückgreifen, weil der Druck aus den Kommunen so groß werden wird, dass Sie gar nicht darum herumkommen. – Herzlichen Dank.“