Rede im Landtag zum Antrag „Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Brandeburg verbessern!“
In der heutigen Debatte zum gemeinsamen Antrag von Bü90/Grüne, LINKE und SPD zur Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Brandenburg, der mit den Stimmen aller Fraktionen, außer der AfD angenommen wurde, habe ich für mein Fraktion geredet.
Die Rede ist beim rbb als Video verfügbar. Mein Skript dokumentiere ich außerdem hier:
„Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind in erster Linie Kinder und Jugendliche. Kinder und Jugendliche, die Krieg und Vertreibung, Hunger, Elend und Ausgrenzung erlebt und die eine oft lebensgefährliche Flucht überlebt haben. Sie brauchen unseren besonderen Schutz, gerade weil sie den Schutz ihrer Eltern nicht oder nicht mehr haben.
Aufgrund der weltweiten Fluchtbewegungen und steigenden Flüchtlingszahlen suchen derzeit auch deutlich mehr unbegleitete Minderjährige bei uns Zuflucht. Da sich dies bisher bundesweit auf einige Kommunen konzentriert hat, hat die Diskussion um die Verteilung dieser Kinder und Jugendlichen auf die Bundesländer begonnen. Für uns LINKE steht im Mittelpunkt, dass auch diese Diskussion von den Kindern her geführt wird. Nicht starre Quoten und die bundesweite Verteilung nach Verwaltungslogik sondern das Kindeswohl und das Kindesinteresse müssen im Mittelpunkt stehen. Dazu gehört, auf familiäre und persönliche Bindungen, bspw. durch eine gemeinsame Fluchtgeschichte, Rücksicht zu nehmen. Diese Kinder und Jugendlichen haben wichtige Bezugspersonen verloren und es ist für ihre Entwicklung existenziell wichtig, dass die wenigen Bindungen, die geblieben sind oder gerade neu aufgebaut wurden, nicht auch noch verloren gehen.
Wir sind in Brandenburg gehalten, uns auf die veränderte Situation einzustellen. Es gilt an die hervorragende Arbeit von ALREJU in Fürstenwalde anzuknüpfen und weitere derart spezialisierte Einrichtungen aufzubauen und zu ertüchtigen. Dabei können wir von den guten Erfahrungen von ALREJU profitieren und daraus landesweite Standards für das Clearingverfahren und Standards für Unterbringung und Betreuung entwickeln.
Dabei werden wir die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht allein lassen. Die fachgerechte Unterbringung, Betreuung und Versorgung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stellt besondere fachliche Anforderungen an den Kinder- und Jugendschutz und erfordert eine starke Jugendhilfe mit spezialisiertem Personal und fachlich versierten Strukturen. Deshalb ist es richtig, dass das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hier beraten, koordinieren und begleiten wird. Und es ist auch richtig, dass wir dahingehend steuernd eingreifen, dass die Aufgabe auf Jugendämter mit den fachlich besten Voraussetzungen übertragen wird. Gleichzeitig ist allerdings der Bund aufgefordert, im Rahmen der aktuellen Diskussion auch dafür zu sorgen, dass die Jugendhilfe insgesamt gestärkt wird.
Dem Bund ist jedoch noch mehr ins Stammbuch zu schreiben. Zwar hat die Bundesregierung im Jahr 2010 die ausländerrechtlichen Vorbehalte bei der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention zurück genommen. Dies müsste die faktische Gleichbehandlung von deutschen und Flüchtlingskindern bedeuten, ist aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ist festgelegt, dass die Verfahrensmündigkeit in aufenthalts- und asylrechtlichen Fragen auf 18 Jahre heraufgesetzt werden soll. Es ist überfällig, dass dies umgesetzt wird. Ebenso überfällig ist die regelhafte Anerkennung kinderspezifischer Fluchtgründe, wie bspw. die Zwangsrekrutierung als Kindersoldat, sexueller Missbrauch, drohende Genitalverstümmelung oder auch die Zwangsverheiratung.
Und, auch das ist mir sehr wichtig. Es werden in einigen Bundesländern Kinder durch umstrittene medizinische, teilweise auch diskriminierende und entwürdigende Altersfeststellungsmaßnahmen älter gemacht als sie sind. Hier braucht es bundesweite Standards und Verfahren, die sicherstellen, dass auch hier das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Im Zweifel für das Kind. Ich bin sehr froh, dass wir uns als Landtag dazu bekennen und hoffe sehr, dass auch der Bundestag dies tun wird.
Es ist unsere Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diesen Kindern und Jugendlichen, wie allen anderen Kindern und Jugendlichen in Brandenburg ein bestmöglicher Start ermöglicht wird. Dazu gehören eine kindgerechte, verständnis- und liebevolle Betreuung, eine schnelle Integration in das Bildungssystem und eine bestmögliche gesundheitliche Versorgung inkl. der Behandlung von erlittenen psychischen Belastungen und Traumata, dazu gehören die Eröffnung von Ausbildungschancen und die der Ausbildung folgende Integration in das Erwerbsleben. Das alles wird nur gelingen, wenn alle Beteiligten in erster Linie das Kindeswohl und die Kindesinteressen im Blick haben. Mit diesem Antrag haben wir diesen Blick und ich bitte deshalb um Zustimmung.“