Rede zu Mobilität und Wohnen beim Landesparteitag der LINKEN

Rede zu Mobilität und Wohnen beim Landesparteitag der LINKEN

Am 17. und 18. März 2018 fand der Landesparteitag der LINKEN Brandenburg in Potsdam statt. In der Generaldebatte habe ich zu den Themen Mobilität und Wohnen geredet. Meine Rede ist hier dokumentiert:

„Ich möchte euch verraten, was meine Lieblingsstelle im Leitantrag des Landesvorstands ist:
Zugleich müssen wir uns kritisch hinterfragen, ob unsere Analysen zur Entwicklung Brandenburgs noch zeitgemäß sind. War und ist die Annahme richtig, dass die Bevölkerung Brandenburgs weiter dramatisch schrumpfen wird, oder wird diese
Schrumpfung deutlich geringer ausfallen bzw. in einigen Regionen gar nicht eintreten und in anderen Regionen dagegen sogar ein noch deutlicheres Bevölkerungswachstum geben? War und ist die Annahme richtig, dass die Mittel der öffentlichen Hand deutlich zurückgehen werden oder sprudeln nun nicht schon seit Jahren die Steuern in nicht geahnter Höhe? Und erwarteten und erwarten die Bürger*innen nicht Antworten von uns auf andere drängendere Probleme, die viel mehr ihrer Lebenswirklichkeit entsprochen hätten?

Das ist meine Lieblingsstelle, weil hier genau die richtigen Fragen gestellt werden und weil es zeigt, dass wir eben gerade nicht die fertigen Antworten haben. Dieses Land verändert sich seit einigen Jahren dramatisch! Wir – und auch alle anderen politischen Akteure – gingen jahrelang davon aus, dass dieses Land schrumpft, außer vielleicht im Speckgürtel, dass wir weniger Menschen werden, die Finanzen zurückgehen und dass die Verwaltungen geschrumpft werden müssen.

Das stimmte auch eine Zeit lang. Wir müssen aber feststellen, da hat sich was verändert. Das liegt vor allem an Berlin. Berlin entwickelt sich viel besser als alle geglaubt haben. Und wenn es in Berlin eng wird, dann drängen mehr Menschen in die Weiten der Mark.

Zuerst natürlich in das Umland. Ich wohne in so einer Region, in Wustermark, und ich kann euch sagen, wir merken dort seit einigen Jahren, was das heißt. Dass die Kommunen kaum hinterher kommen, die öffentliche Infrastruktur aufzubauen, um dem massiven Zuzug Rechnung zu tragen, ist das eine. Das hat aber noch andere Auswirkungen: Wir haben inzwischen massig Arbeitsplätze vor allem im Logistikbereich. Nur können sich die Leute, die dort arbeiten die Miete in der Region nicht mehr leisten, so dass bspw. Amazon Busse chartert, um die Arbeitskräfte teils aus 60 km Entfernung ran zu holen.

Wir haben bei uns das, was wir sonst vor allem in großen Städten haben: Soziale Verdrängung. Wer wenig Geld hat, muss wegziehen und auch eine Familie mit Durchschnittseinkommen hat kaum noch eine Chance, eine Wohnung zu finden, die sie bezahlen kann. Unser Bürgermeister versucht uns inzwischen 10,50 Euro Kaltmiete als bezahlbaren Wohnraum zu verkaufen. Nachdem die Gemeindevertretung es übrigens abgelehnt hat, einem Investor für ein großes Vorhaben aufzuerlegen, wenigstens einen kleinen Teil der Wohnungen als Sozialwohnungen zu errichten.

Soziale Verdrängung heißt dann aber nicht, wie in einer Stadt, dass man in ein anderes Viertel umziehen muss, so schlimm das ist. In Brandenburg heißt das, weiter weg von Berlin oder in einen kleineren und – im schlimmsten Fall – in einen Ort ziehen, in dem die Mobilität schlechter ist.

Und, das, was bei uns passiert,  passiert auch in anderen Regionen des Landes. Schaut euch Orte wie Neuruppin oder auch Templin an. Auch da sind die Wohnungen knapp, auch da steigen die Mieten. Auch in vielen anderen Orten gibt es auf einmal lange Wartelisten bei den Kita-Plätzen und das nicht nur im berlinnahen Raum.

Und bevor jetzt jemand sagt, aber es gibt sie auch, die schrumpfenden Regionen. Ja, natürlich. Aber es sind viel weniger als wir noch vor ein paar Jahren dachten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere zwei wichtigsten Schwerpunkte in den kommenden Jahren Mobilität und Wohnen sein müssen. Wenn es stimmt, dass Menschen dorthin wollen, wo es eine gute Anbindung an die Bahn gibt, dann muss ich Geld in die Hand nehmen, und die Bahn attraktiver machen und vielleicht sogar Bahnhöfe, die abgekoppelt wurden, wieder ans Netz anschließen. Und dann kann ich nicht, wie es gerade das Infrastrukturministerium mit dem neuen Nahverkehrsplan machen will, für Orte wie Wustermark oder Rathenow die Verbindungen nach Berlin zusammenstreichen.

Und wenn es stimmt, dass soziale Verdrängung nicht nur im berlinnahen Raum stattfindet, dann muss ich mir überlegen, wie ich dem entgegenwirke. Unser Sozialwohnungsbauprogramm mit jährlich 100 Millionen Euro fließt nicht mal vollständig ab, weil es unattraktiv und unflexibel ist. Aber selbst wenn das vollständig greifen würde, würde das noch lange nicht ausreichen. Deshalb lasst uns gemeinsam darüber nachdenken, was wir tun können. Vielleicht brauchen ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum, das Gemeinden aussprechen können. Vielleicht brauchen wir ein Programm, das die Gründung kommunaler Wohnungsunternehmen anschiebt. Vielleicht braucht es auch Anreize, damit Städte und Gemeinden mehr für bezahlbaren Wohnraum tun.

Ich glaube, wir brauchen dafür ganz viele neue Ideen, weil unsere Konzepte nicht ausreichend sind, für die Veränderungen des Landes . Und deshalb finde ich es großartig, dass diese Fragen im Leitantrag angesprochen sind und deshalb bin ich ein Fan der ZUkunftskonferenze und des Prozesses der Erarbeitung des Wahlprogramms von unten. Ich bin gespannt auf die vielen Ideen, die wir da entwickeln. Ich freue mich drauf!“