Rede zum AfD-Antrag „Aktive Familienpolitik durch Baby-Willkommensdarlehen“
Heute fand im Landtag eine Debatte zu einem AfD-Antrag statt, den man auch umschreiben könnte mit „Darlehen für Babys von deutschen Eltern“. Meine Rede dazu hat mir den Preis der „rhetorischen Stalinorgel“ von der AfD eingebracht. Nun, ich nehme das mal als Kompliment, scheinbar habe ich ja ins Schwarze (oder Braune?) getroffen.
Update: Inzwischen ist die Rede als Video beim rbb veröffentlicht.
Die Rede habe ich frei gehalten, allerdings gab es ein Skript, das ich hier zur Verfügung stelle. In diesem Fall gilt aber besonders: Es gilt das gesprochene Wort, einige Abweichungen zum Skript gab es.
„Dieser Antrag ist einer der Tiefpunkte dessen, was wir bisher von der AfD ertragen mussten.
Offensichtlich saß da jemand in der AfD-Fraktion rum und meinte, wir brauchen mehr Kinder. Schließlich schafft sich das deutsche Volk nach Ansicht der AfD ja gerade ab. Und da kann es doch nicht sein, dass deutsche Frauen einfach zu wenige Kinder bekommen und dann auch noch immer älter dabei sind. Da muss man doch was machen! Und statt sich mit den gesellschaftlichen Ursachen auseinander zu setzen, hat die AfD eine scheinbar einfache Lösung gefunden.
Meine Damen und Herren, ein Willkommensdarlehen wird nichts daran ändern, dass Frauen mit Kindern noch immer im Arbeitsleben benachteiligt sind. Es wird auch nicht die zunehmende Prekarisierung zurückdrängen und es wird auch nicht dazu führen, dass Menschen, die glauben, sich ein Kind nicht leisten zu können, auf einmal sagen, oh super, da kriege ich 10.000 Euro, die muss ich dann zwar zurück zahlen, aber damit ist ja alles in Butter und dann kriegen wir halt mal ein Kind. Und wenn ich das Geld nicht zurück zahlen kann, dann kriegen wir halt noch eins, dann muss ich nicht mehr so viel und noch eins, dann muss ich gar nichts mehr zurück zahlen. Nein, ein solches Vorgehen löst das Problem ganz sicher nicht! Eigentlich hat in diesem Antrag nur noch gefehlt, dass man das Darlehen auch erlassen bekommt, wenn man das Kind Björn, Frauke oder Alexander nennt. Nein, meine Damen und Herren von der AfD, so funktioniert Kinderwunsch nicht und so einfach gestrickt sind die Brandenburgerinnen und Brandenburger nicht.
Hinter der Entscheidung, gemeinsam ein Kind zu bekommen, steht neben dem Wunsch, einem Kind Liebe und Geborgenheit zu geben, auch die selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Entscheidung für das eigene Leben und das Leben des Kindes. Der Staat kann und muss tatsächlich Rahmenbedingungen schaffen, die das Ja zum Kind erleichtern. Das sind beispielsweise eine gute, flächendeckende und kostenfreie Kinderbetreuung, bezahlbarer Wohnraum, wohnortnahe Schulen mit langem gemeinsamem Lernen, umfangreiche Beratungs- und Hilfsstrukturen wie unser Netzwerk gesunde Kinder und eine qualitativ hochwertige Jugendhilfe. Das sind aber auch kinder- und familienfreundliche Firmen, flexible Arbeitszeiten, eine gute, auskömmliche und diskriminierungsfreie Lohnstruktur und ein kinderfreundliches gesellschaftliche Klima.
Bis hierhin hätte man bei dem Antrag der AfD noch diskutieren können, ob der richtige Ansatz gewählt ist, ich habe dargestellt, warum ich dies anders sehe. Dann aber ist dem, der da in der AfD-Fraktion den Antrag schrieb noch aufgefallen, oh Schreck, dieses Darlehen könnte ja auch Ausländern zu Gute kommen. Das geht nun wirklich nicht. Aber rein schreiben, dass das nur für Bio-Deutsche gilt, wollte er dann auch nicht. Könnte ja irgendwer im Plenum daher kommen, und der AfD Rassismus vorwerfen. Also hat er tief in die Mottenkiste gegriffen und sich überlegt, dass das nur Menschen gewährt werden soll, die seit mindestens 8 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Und damit es nicht so auffällt, hat er noch die Unionsstaatsbürgerschaft ergänzt. Meine Damen und Herren, das ist aber sowas von durchsichtig und im Übrigen auch sowas von abgrundtief rassistisch. Denn im Klartext heißt das, dass all jene, die in den vergangenen 15 bis 20 Jahren zugewandert sind, keinesfalls ein solches Darlehen bekommen können. Und auch der türkische Familienvater, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, hier Steuern zahlt, hier seine Familie hat und hier engagiert ist im Sportverein oder wo auch immer, der jedoch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat, wird von Ihnen ausgegrenzt. Ja, das ist rassistisch! Ihnen geht es schlicht darum, dass Zugewanderte möglichst nicht in den Genuss ihrer sogenannten aktiven Familienpolitik kommen.
Ganz im Sinne von Herrn Gauland, der ja am Wochenende bei Ihrem Parteitag davor gewarnt hat, dass der Sieg gegen die Osmanen vor Wien durch Zuwanderung und die Geburtenrate der Zugewanderten ins Gegenteil verkehrt werden könnte, sagen Sie mit diesem Antrag: Wir wollen Kinder nur von Deutschen oder Menschen, die wenigstens vom Aussehen her als Biodeutsche durchgehen. Nein, meine Damen und Herren, für einen solch chauvinistischen und rassistischen Antrag werden sie keine Stimmen in diesem Haus gewinnen. Und ich hoffe, dass nicht allzu oft der Urheber bei Ihnen in der Fraktion Anträge schreibt, sonst müssen wir wohl damit rechnen, in einer der kommenden Sitzungen über die Wiedereinführung des Mutterkreuzes zu reden. Nur für deutsche Frauen versteht sich!“