Reden zum Antrag "Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus Griechenland"

Reden zum Antrag „Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus Griechenland“

Die Situation von Geflüchteten in Griechenland hat sich in der letzten Zeit sehr verschlechtert. Besonders katastrophal ist sie für unbegleitete Minderjährige, die in großer Zahl – von ca. 5000 spricht das UNHCR – in den völlig überfüllten Lagern auf den Ägäis-Inseln dahinvegetieren. Zum Teil haben sie keine Schlafplätze und sind von gesundheitlicher Versorgung und ausreichend Nahrung abgeschnitten.

Unser Antrag, einen Teil dieser Kinder nach Brandenburg zu holen, sollte an vergangene Übereinkünfte in der letzten Legislatur anknüpfen, denn fraktionsübergreifend waren sich die demokratischen Parteien einig, geflüchteten Menschen in Notsituationen zu helfen. Dies war bei den im Mittelmeer geretteten Geflüchteten so, und auch beim Landesaufnahmeprogramm für die vom IS verfolgten Jesidinnen aus dem Nordirak gab es im Landtag einen Konsens. Auch trugen wir mit diesem Antrag der Tatsache Rechnung, dass sich mit Potsdam, Frankfurt und Teltow schon drei Brandenburger Städte für eine Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ausgesprochen hatten.

Wir haben mit unserer Initiative die Regierungsfraktionen zu einem eigenen Antrag bewegen können, in welchem sie die generelle Bereitschaft zur Aufnahme erklären und mehrere Prüfaufträge an die Landesregierung stellen. Dies mag angesichts der Lage wenig klingen, allerdings war es das Maximum, was wir für die Kinder erreichen konnten. Wir werden an diesem Thema dran bleiben und weiter Druck machen, damit dieser Beschluss nun auch umgesetzt wird.

Hier geht es zu unserem Antrag, der abgelehnt wurde; zum Antrag der Koalitionsfraktionen, den der Landtag auch mit unseren Stimmen beschlossen hat; zum Mitschnitt meiner Einbringungsrede und zum Mitschnitt der gesamten Debatte (hier komme ich am Ende nochmals zu Wort).

Hier die Dokumentation beider Reden im Wortlaut:
„Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Vor allem liebe Mitglieder des Integrationsbeirats Oberspreewald-Lausitz; ich freue mich sehr, dass Sie spontan entschieden haben, für diese Debatte noch bei uns zu bleiben.
Meine Damen und Herren, im März 2016 wurde der EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei geschlossen. Inzwischen ist klar: Der Pakt kostet vor allem Geld und funktioniert nicht. Die Zahl der Geflüchteten, die aus Richtung Türkei nach Griechenland kommen, steigt immer mehr: Inzwischen kommen ca. zehnmal mehr Geflüchtete aus der Türkei nach Griechenland als umgekehrt. Der Pakt war Bestandteil des Systems der Abschottung Europas und sollte den europäischen Staaten Zeit verschaffen, um eine Lösung für die Verteilung der Geflüchteten zu finden. Wir wissen: Diese Lösung gibt es bis heute nicht.
Vor allem aber war der Pakt der Versuch Deutschlands und einiger anderer europäischer Staaten, sich von humanitärer Verantwortung freizukaufen. Der Preis
dafür ist hoch: Europa schweigt aufgrund dieses Paktes zu Verstößen gegen Menschen- und Freiheitsrechte und zur Verfolgung Andersdenkender in der Türkei.
Europa schweigt auch zum verbrecherischen Angriffskrieg auf Rojava. Der Preis ist auch deswegen hoch, weil der Flüchtlingsdeal auf Kosten Griechenlands geht: Griechenland wird bis heute von den europäischen Staaten allein gelassen.
Und der Preis ist für die Geflüchteten hoch, denn der Flüchtlingsdeal geht vor allem auf ihre Kosten: Die humanitäre Katastrophe, die wir in Griechenland – vor allem auf den ägäischen Inseln beobachten, wird von Europa verursacht.
Kurz zur Lage in Griechenland: Die Zahl der über das Mittelmeer Flüchtenden sinkt insgesamt. Ausnahme ist die Zahl derjenigen, die von der Türkei nach Griechenland gelangen: 2018 waren es ungefähr 50 000 Menschen, 2019 waren es 75 000 und für das Jahr 2020 erwartet die griechische Regierung ungefähr 100 000 Menschen, die auf diesem Weg kommen. Es ist also keine Entspannung in Sicht. Im Gegenteil: Wir beobachten, dass die Situation in den Lagern immer schwieriger, immer prekärer wird und sich die dortigen Lebensbedingungen zunehmend verschlechtern. Aktuell befinden sich ca. 42 000 Personen in den Lagern auf den griechischen Inseln, die auf eine Kapazität von ungefähr 9 000 Menschen ausgerichtet sind. Darunter sind 2 000 bis 3 000 unbegleitete Minderjährige, also Kinder und Jugendliche, in ganz Griechenland mehr als 5 000.
Die dort herrschenden katastrophalen Zustände sind natürlich für die Kinder besonders schlimm: Es gibt zu wenig geeignete Unterkünfte – die Zelte sind unbeheizt -, zu wenig Nahrung, katastrophale hygienische Zustände und kaum medizinische Versorgung. Die Kinder leiden nicht nur unter den traumatischen Erlebnissen bei der Flucht und der Trennung von ihren Eltern, sondern auch noch unter diesen Zuständen.
Im Dezember gab es eine öffentliche Debatte: Der Staatsminister des Auswärtigen Amtes, Michael Roth, forderte, für diese Kinder und Jugendlichen rasch eine
humanitäre Lösung zu finden. Robert Habeck forderte: Holt als Erstes die Kinder raus! Diverse Politiker schlossen sich an. Nur Innenminister Seehofer lehnt es ab, diesen Kindern zu helfen. Das war aber zu erwarten, das kennen wir von Herrn Seehofer.
Es war auch zu erwarten, dass angesichts dieser öffentlichen Debatte etwas passiert. Aber passiert ist seitens des Bundes und der meisten Länder bisher nichts. Es oblag wieder der Zivilgesellschaft, zu helfen, wo es geht. Ich verweise auf die Initiative „Hilfe für Samos“ aus Bad Freienwalde, die Hilfsgüter sammelt, um die größte Not in den Flüchtlingslagern zu lindern. Wir als Landtagsfraktion haben aus unserem Solidarfonds auch dafür gespendet. Ich kann allen Abgeordneten im Haus nur ans Herz legen, dort Hilfe zu leisten, denn das ist tatsächlich Hilfe, die in den Flüchtlingslagern vor Ort ankommt.
Und es oblag wieder den solidarischen Städten, die sich schon der Initiative „Seebrücke“ anschlossen und bereit waren, humanitäre Verantwortung zu übernehmen, voranzugehen. Ich bin für die Initiative aus Potsdam, Frankfurt (Oder) und Teltow sehr dankbar, Flüchtlingskinder aus Griechenland aufnehmen zu wollen.
Wir als Linksfraktion wollen, dass sich der Landtag ebenfalls dieser Verantwortung stellt. Ich kann nur sagen: Nicht nur reden, sondern auch handeln! Bisher haben sich sieben Bundesländer bereiterklärt, geflüchtete Kinder aus Griechenland aufzunehmen. Wir wünschen uns, dass auch der Landtag Brandenburg dieses Bekenntnis abgibt – deshalb unser Antrag. Wir wollen, dass der Landtag ein klares Bekenntnis abgibt, ein solches Aufnahmeprogramm aufzulegen. Deswegen fordern wir die Landesregierung mit unserem Antrag auf, ein Sofortprogramm aufzulegen und sich außerdem für ein Aufnahmekontingent auf Bundesebene einzusetzen.
Meine Damen und Herren, der Landtag hat sich bereits in der vergangenen Wahlperiode mehrfach zu humanitärer Verantwortung bekannt, wo EU und Bund
versagt haben. Ich hoffe, das tun wir als Landtag heute erneut, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

 

„Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für die Debatte bedanken – bis auf ein paar Beiträge, auf die ich gar nicht eingehen will – und auf einige Aspekte eingehen. Ich fange mit einer Bemerkung von Herrn Minister Stübgen an, die mich etwas geärgert hat; den Ärger hatte ich auch ein Stück weit bei Frau Richstein.
Man kann zwar darauf verweisen, dass Griechenland gerade überfordert ist und es nicht schafft. Man muss dann aber auch sagen, dass Griechenland seit Jahren damit alleingelassen wird.
Die Vertragsverletzung sehen wir vor allem bei den Staaten, die sich weigern, sich an einer solidarischen Verteillösung innerhalb der Europäischen Union zu beteiligen. Das ist doch das Problem. Griechenland wäre schon lange entlastet, wenn die Europäische Union in der Lage gewesen wäre, ein Verteilverfahren zu finden, an dem sich alle Länder beteiligen, oder, wenn sich nicht alle beteiligen, diejenigen besonders zu unterstützen, die überproportional aufnehmen. Insofern hat mich das wirklich geärgert, weil Griechenland nicht der böse Bube in dem Spiel ist, sondern ich glaube, dass es eine Verantwortung aller europäischen Staaten gibt. Das war meine erste Bemerkung.
Zweite Bemerkung: Ich freue mich sehr, dass der von uns gestellte Antrag dazu geführt hat, dass es bereits ein erstes Handeln der Landesregierung gibt und versucht wird, sich mit dem Bundesministerium ins Benehmen zu setzen. Wir kennen von vergangenen Aufnahmeprogrammen, die wir in Brandenburg angestrebt haben, dass das manchmal sehr, sehr lange dauert. Insofern freue ich mich, dass es gleich zu Handeln geführt hat.
Ich werbe noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag, weil er ein Stück weitergeht als der Antrag der Koalitionsfraktionen. Es steht nämlich darin, dass sich der Landtag zur Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Griechenland bekennt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktion, wir werden Ihrem Antrag zustimmen, schon um dem demokratischen und humanitären Konsens in diesem Landtag, der auch in der vergangenen Wahlperiode herrschte, Vorschub zu leisten.
Trotzdem kann ich mir ein paar Bemerkungen zu Ihrem Antrag nicht verkneifen:
Erstens: Die Überschrift „Prüfung zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten“: Es stehen 55 Prüfaufträge im Koalitionsvertrag. Da gewinnt man wirklich den Eindruck, Sie sind die Koalition der Prüfungen und nicht der Taten.
Zweitens: Über den Satz „Der Landtag erklärt seine grundsätzliche Bereitschaft, eine entsprechende Initiative der Landesregierung zu unterstützen“ habe ich mich wirklich gewundert. Wir behandeln einen Antrag im Landtag, wir bekennen uns als Parlament zur Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter, und dann ist es eine Initiative der Landesregierung?! Liebe Koalitionsfraktionen, da habe ich schon einen selbstbewussteren Landtag erlebt!
Ich freue mich sehr, dass wir in der Frage der Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Griechenland ein Stückchen weiterkommen. Wie gesagt: Es ist mir eigentlich ein bisschen viel Prüfung und ein bisschen wenig Tun. Ich bin in diesem Landtag dafür bekannt, dass ich relativ penetrant nachfrage, was aus Anträgen wird. Ich kann an dieser Stelle gleich ankündigen, dass wir als Linke sehr genau nachfragen werden, wie die Prüfungen verlaufen. Ich wünsche mir sehr, dass sie sehr, sehr zügig verlaufen, damit den Kindern in den Flüchtlingslagern in Griechenland schnell geholfen werden kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“