Rede zum Antrag der CDU zum Verbot von Kinderehen

Rede zum Antrag der CDU zum Verbot von Kinderehen

20161109_183912_resizedDie CDU hat einen Antrag „Kinderehen in Deutschland verbieten – Kindeswohl sichern“ eingebracht.

Ein Videomitschnitt meiner Rede ist hier anzuschauen.

Diese Rede brachte mir eine Kurzintervention der AfD ein. Auch von dieser und meiner Reaktion gibt es einen Videomitschnitt.

Mein Redebeitrag dazu ist hier dokumentiert:

„Zuerst möchte ich Ihnen von Samira erzählen. Ich habe sie vor ein paar Wochen in einer Flüchtlingsunterkunft kennen gelernt. Samira wird bald 16. Sie kommt aus Syrien. Ihre Eltern sind tot. Kurz vor ihrer Flucht hat sie ihren 26-jährigen Onkel geheiratet. Ehen innerhalb der Familie sind dort eh gern gesehen und ihre Großmutter war der Auffassung, dass dies der beste Schutz für Samira auf der Flucht ist. Am Anfang war da keine Liebe, aber die gemeinsame Fluchterfahrung hat sie zusammen geschweißt, ihr Mann hat sie beschützt und sie will eine gemeinsame Zukunft mit ihm. Samira hat Angst, dass sie von ihm getrennt wird, aktuell sind sie in der gleichen Einrichtung untergebracht, weil sie ja verwandt sind und sie erzählen niemandem, dass sie auch verheiratet sind, weil sie Angst haben, dann getrennt zu werden.

Will ich diese Bindung trennen und zu den schlimmen Erfahrungen der Flucht noch eine Trennung vom einzigen Menschen, der Samira wichtig ist, in Kauf nehmen? Man kann diese Frage unterschiedlich beantworten. Man kann sagen, das Kindeswohl steht im Vordergrund und da Samira unter 16 Jahren alt ist, ist die Ehe nichtig und sie wird zu ihrem Schutz von ihrem Mann getrennt und in einer anderen Einrichtung untergebracht. Wohlgemerkt, wir reden über eine Ehe, die im Heimatland völlig rechtmäßig ist. Man kann darauf auch reagieren, indem man diese Ehe zwar aufhebt, dem Paar aber dennoch eine gemeinsame Unterbringung sichert und damit die Möglichkeit eröffnet, diese Beziehung weiter zu pflegen und später die Ehe zu erneuern, wenn beide das entsprechende Alter erreicht haben. Und man kann darauf reagieren, indem man sagt, dass dem Wunsch von Samira und ihrem Mann nach einem gemeinsamen Leben respektiert wird und diese Ehe nicht annulliert wird.

Es mag sein, dass Samira und ihr Mann ein Einzelfall sind.Aber sind nicht alle Ehen irgendwie ein Einzelfall? Für mich macht dieses Beispiel deutlich, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Wir sind einig, dass wir nicht wollen, dass Kinder – meist Mädchen – ihrer Kindheit beraubt und in eine Ehe gezwungen oder gedrängt werden. Wir sind ebenfalls einig, dass Zwangsehen völlig zu Recht verboten sind und unter Strafe stehen. Und völlig klar ist auch, dass eine Ehe mit unter 14-Jährigen nicht möglich ist und der Geschlechtsverkehr mit Kindern unter 14 Jahren verboten ist. Und auch, dass es in Deutschland keine Eheschließungen außerhalb des deutschen Rechts geben darf, ist unstrittig. Schwieriger ist es aber bei der Bewertung bereits bestehenden Ehen.

Aus meiner Sicht muss es Ziel sein, weltweit ein Ehemündigkeitsalter von 18 Jahren zu etablieren. Diese Zielsetzung steht jedoch nicht im Widerspruch zu der Position, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt der Entscheidung stehen muss, wie mit einer bestehenden Ehe bei der ein oder beide Partner minderjährig sind, umgegangen wird.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte betont in einer Stellungnahme zum Thema: Eine Regelung, die die Unwirksamkeit jeder Ehe zur Folge hätte, würde weitreichende Nachteile für die Minderjährigen nach sich ziehen. Die Ehe hätte nie bestanden, so dass nicht automatisch Unterhaltsansprüche bestehen, sondern diese müssten erst durch gerichtliche Verfahren geklärt werden. Kinder aus solchen Ehen würden als nichteheliche Kinder angesehen. Das damit verbundene soziale Stigma könnte auch für viele die Bereitschaft zur Rückkehr in ihre Heimatländer erschweren.“

Weitere Folgen wären bspw. Existenzprobleme in den Herkunftsländern, verlorengegangene Erbschaftsansprüche, renten- und sozialrechtliche Anspruchsverluste.

Und deshalb ist nicht nur die Frage, ob solche Ehen mit unserem Werteverständnis vereinbar sind, sondern eben auch, ob ein pauschales Verbot und die Sanktionierung tatsächlich dem Kindeswohl dienen. Die UN-Kinderrechtskonvention spricht in diesem Zusammenhang übrigens vom Schutz der überwiegenden Interessen des Kindes und sieht ein Anhörungsrecht vor.

Wir haben gestern bereits im Antrag zu den besonders schutzbedürftigen Geflüchteten festgelegt, dass minderjährige Verheiratete psychologische und psychosoziale Unterstützung erhalten und der Kinder- und Jugendschutz durch eine Einzelfallprüfung zu gewährleisten ist. Dort haben wir auch klar gestellt, dass es bereits Regelungen zur Inobhutnahme  Betroffener unter 14 Jahren gibt und daran auch nicht gerüttelt werden soll.

Wir wollen insofern einen Weg gehen, der tatsächlich die Interessen des Kindes im Blick hat und eine umfassende Folgeabschätzung vornimmt bei der Entscheidung, was für die Minderjährigen im Einzelfall das Beste ist. Den Weg eines generellen Verbots bzw. einer generellen annulierung lehnen wir ab.“