Rede zur Beschlussempfehlung "Besonders gefährdete Flüchtlinge schützen"

Rede zur Beschlussempfehlung „Besonders gefährdete Flüchtlinge schützen“

Im Januar wurde im Plenum der Antrag „Besonders gefährdete Flüchtlinge schützen“ behandelt und in die Ausschüsse überwiesen. Nach einer Anhörung im Innenausschuss lag im heutigen Plenum eine Beschlussempfehlung des Ausschusses vor, die die Mehrheit fand.

Einen Videomitschnitt der Rede kann man hier anschauen.

Meine Rede dazu ist hier dokumentiert:

„Ich habe in der ersten Behandlung dieses Antrags im Plenum gesagt, dass die Koalition diesen Antrag überweisen und ernsthaft prüfen wird.

Und ich denke mit Blick auf die vergangenen Monate können wir feststellen, dass wir in sehr großer Ernsthaftigkeit diesen Antrag gemeinsam weiter qualifiziert haben. Die Anhörung im federführenden Ausschuss für Inneres und Kommunales war sehr ergiebig und erbrachte einige Hinweise zu sinnvollen Ergänzungen.

Nach diesem Prozess können wir für Brandenburg feststellen:

Das Land und die Kommunen haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Anstrengungen unternommen, damit besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in unserem Land ohne Angst und Gewalt ankommen und leben können und ihnen die notwendigen Hilfestellungen gewährt werden.

Dazu gehört das neue Landesaufnahmegesetz, in dem viele Punkte bereits geregelt  sind, die die Belange der besonders schutzbedürftigen Menschen  betreffen. Insbesondere die Einführung der Migrationssozialarbeit als Fachberatungsdienst und die Schaffung von landesweit 54 Stellen dafür, stellt eine deutliche Verbesserung auch und gerade für besonders Schutzbedürftige dar. Und auch die Möglichkeit der unbürokratischen landesinternen Umverteilung von Geflüchteten zum Schutz in besondere Situationen ist gerade für diese Personengruppe eine spürbare Verbesserung.

Weitere Maßnahmen wurden bereits in Angriff genommen: So gibt es seit 1. Juli 2016 eine Koordinierungsstelle für Zufluchts- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder, um geflüchteten Frauen, die in besonderem Maße von Gewalt betroffen waren oder sind, die Möglichkeit der Unterbringung in Frauenhäusern zuermöglichen.  Und Brandenburgische Frauenberatungen und -schutzeinrichtungen können von gewaltbetroffenen Frauen unabhängig vom Status als Geflüchtete genutzt werden.

Einen weiteren Bereich möchte ich noch hervorheben, das ist die besondere Aufmerksamkeit für Flüchtlinge mit Behinderungen. Bundesweit einmalig ist bspw. das Projekt, das gehörlosen Geflüchteten spezifische Schulungen bspw. zum Erlernen der deutschen Gebährdensprache und Schriftsprache für Menschen, die auf unterstützende Kommunikation angewiesen sind, anbietet.

Auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen wurden bereits zahlreiche Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie ergriffen. Dazu gehören bspw.:

– die Einrichtung eines sozial-psychologischen Dienstes,

– die Ergänzung einer psychiatrischen Sprechstunde in Kooperation mit dem Städtischen Krankenhaus Eisenhüttenstadt,

– die Einrichtung einer migrationsspezifischen Sozialberatung,

– die gesonderte Betreuung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transidenten, trans- und intersexuellen Geflüchteten durch eine Betreuungsperson mit Spezialausbildung,

– die Einrichtung niedrigschwelliger Sozialbetreuung durch sog. Hausbetreuer,

– die Schaffung und Umsetzung von Gewaltschutzkonzepten für alle Gruppen schutzbedürftiger Personen,

– die Durchführung regelmäßiger Weiterbildungsveranstaltungen für haupt- und ehrenamtlich Tätige zur Arbeit mit besonders schutzbedürftigen Gruppen zu Themen wie Trauma, Gewalt und sexualisierte Gewalt, Sucht und Gesundheit,

– die Schaffung separater Wohnheime für allein reisende Frauen mit Kindern,

– im Bedarfsfall die schnelle und sichere Unterbringung in Frauenhäusern und

– die Etablierung standardisierter Verfahrensabläufe für besondere Vorfälle mit Handlungsanweisungen und Meldewegen.

Trotzdem haben sich bei der Umsetzung dieses neuen Systems Probleme gezeigt, einerseits weil sehr viele Geflüchtete zu uns kamen und nicht immer in der notwendigen Schnelligkeit die Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden konnten und andererseits weil die EU-Aufnahmerichtlinie in ihrer Anwendung ausgelegt werden musste – auch übrigens, weil bis heute die bundesgesetzliche Vorgabe fehlt.

Die Beschlussempfehlung des Sozialausschusses hat schon den deutlichen Fingerzeig gegeben, dass weiterer Handlungsbedarf besteht. Ich denke mit dem jetzt vorliegenden Antrag haben wir diese Bedarfe weiter präzisiert.

Dabei möchte ich zwei Punkte hervorheben, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind:

Das ist 1. die Implementierung und Umsetzung eines umfassenden Verfahrens zur Ermittlung der Schutzbedürftigkeit und zur Feststellung der notwendigen weiteren Schritt. Nur mit einem solchen Verfahren kann die Versorgung dieser Personengruppe in der notwendigen Qualität gewährleistet werden.

Und 2. ist dies der Ausbau der Fachberatung gegen häusliche und sexualisierte Gewalt sowie der Beratung von traumatisierten sowie LSBTTI*-Geflüchteten. Die Entwicklung der vergangenen Monate zeigt diesen Bedarf sehr deutlich und wir tun gut daran, hier weitere Anstrengungen zu unternehmen.

Ich bin überzeug davon, dass wir in Brandenburg auf einem guten Weg sind, um den besonders schutzbedürftigen Geflüchteten den Schutz und die Hilfestellung zu gewähren, die notwendig sind, um ihnen ein angstfreies und selbstbestimmtes Leben in unserem Land zu ermöglichen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung.“