Rede zum Antrag der CDU zur Einstufung der Maghreb-Staaten als "sichere" Herkunftsstaaten

Rede zum Antrag der CDU zur Einstufung der Maghreb-Staaten als „sichere“ Herkunftsstaaten

Nachdem wir im März einen fast gleichlautenden Antrag bereits abgelehnt hatten, stand heute erneut ein Antrag zur Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten auf der Tagesordnung.

Update: Mittlerweile ist die Rede auch als Video beim rbb verfügbar.

Meine Rede dazu ist hier dokumentiert:

„Meine sehr verehrten Damen und Herren,

im März haben wir hier im Plenum den Antrag der CDU-Fraktion beraten, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, im Bundesrat der Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten zuzustimmen. Der Antrag wurde damals abgelehnt. Heute beraten wir den Antrag, die Landesregierung solle verlangen, dass der Bundesrat die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten auf die Tagesordnung setzt und diesem Ansinnen dann auch zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen de CDU,

es ist Aufgabe die Opposition, die Koalition vor sich her zu treiben. Aber zu guter Oppositionsarbeit gehört auch, dass man sich immer mal wieder was Neues ausdenkt. Wir können jetzt auch gern jeden Monat eine Debatte dazu führen. Allein, das wird an der Position nichts ändern. Es ist bekannt, dass LINKE und SPD hier unterschiedliche Auffassungen haben und Sie wissen so gut wie ich, dass es für solche Fälle Koalitionsverträge gibt, in denen eine Enthaltung im Bundesrat bei Nichteinigkeit der Koalitionspartner festgeschrieben ist. Und auch wenn es Ihnen nicht gefällt: Sie werden diese Koalition nicht auseinander treiben, nur weil sie das halbtote Pferd ein weiteres Mal reiten. Halbtot? Nunja, derzeit könnte man fast den Eindruck bekommen, dass es eher ganz tot ist. Was sich seit März nämlich verändert hat, ist, dass es Frau Merkel nicht gelingt, für die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten eine Mehrheit im Bundesrat zu finden. Und dafür gibt es gute Gründe, die im März stimmten und auch heute noch stimmen. Eigentlich könnte ich es mir jetzt einfach machen und einfach auf das Protokoll der März-Sitzung verweisen. Ich befürchte aber, sie würden nicht nachlesen und deshalb zitiere ich im Folgenden aus meiner Rede hier im Plenum. Wiederholung brennt sich ja bekanntlich besser ins Gedächtnis.

„Es bleibt dabei: Kein Land wird dadurch sicher, dass Bundestag und Bundesrat es beschließen. Und das gilt auch für die nun in Rede stehenden Staaten.

Ein paar Tatsachen:

Marokko: friedliche Demonstrationen gewaltsam aufgelöst, Folter in Haft, unter Folter gemachte „Geständnisse“ sind vor Gericht zugelassen, kein Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt, Haftstrafen für Homosexuelle

Algerien: eingeschränkte Meinungs- und Versammlungsfreiheit, politisch motivierte Justiz, gesetzliche Diskriminierung von Frauen und kein Schutz vor sexueller Gewalt, Folter und willkürliche Festnahmen, Misshandlungen durch Sicherheitsorgane

Tunesien: mehrmals Ausgangssperren und Ausnahmezustand, IS-Milizen und von eben diesen verübte terroristische Anschläge, erst gestern hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für Tunesien ausgegeben, und auch hier willkürliche Haft und auch hier Folter.

Und diese Länder wollen sie als sicher einstufen? Sie können sich gern selbst belügen, aber dort ist gar nichts sicher.

(…)

Sie wollen Handlungsfähigkeit beweisen, in dem Wissen, dass weitere sogenannte sichere Herkunftsstaaten nicht ein einziges Problem lösen. Es ist das Prinzip Hoffnung, Hoffnung darauf, dass aus diesen Ländern weniger Menschen zu uns kommen, wenn man ihr individuelles Recht auf Asyl beschneidet. Denn nichts anderes ist es, wenn man Schnellverfahren durchführen will, die den Entscheidern nicht die Chance geben, individuell und gut recherchiert zu entscheiden. Nichts anderes ist es, wenn man die Beweislast umkehrt und die Schutzsuchenden gegen die politische Doktrin, dass diese Länder nun einmal sicher seien, ankämpfen lässt. Im Zweifel gegen den Geflüchteten ist das Prinzip und Sie nehmen in Kauf, dass die Menschen aus diesen Ländern kein faires individuelles Asylverfahren bekommen und Sie nehmen auch in Kauf, dass Fehlentscheidungen getroffen werden. Und wir sollten und bewusst machen, dass Fehlentscheidungen im Asylrecht zu Haft, Folter und zum Tod führe können.

Dazu wird es von der LINKEN keine Zustimmung geben. Wenn Sie sichere Herkunftsstaaten wollen, dann tun Sie etwas dafür: hören Sie auf, Flüchtlinge zu bekämpfen und ihre Flucht immer gefährlicher zu machen. Und fangen Sie endlich an, die Ursachen der Flucht zu bekämpfen. Die Menschen werden sich neue, immer gefährlicher Routen suchen aber sie werden sich nicht von der Flucht abhalten lassen, so lange ihnen Folter und Krieg, Verfolgung und Diskriminierung, Elend und Not, sexuelle Gewalt und staatliche Diskriminierung drohen. Und deshalb würde es Ihnen gut stehen, hiergegen etwas zu tun, anstatt denen, die hier Asyl beantragen, das Recht auf ein faires Verfahren zu nehmen. Es bleibt dabei: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Wir lehnen Ihren Antrag ab.“

Zitat Ende.“