Rede zum CDU-Antrag zur Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten

Rede zum CDU-Antrag zur Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten

Die CDU hat beantragt, dass die Landesregierung im Bundesrat der Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten zustimmen soll. Meine Rede zur Ablehnung dieses Ansinnens gibt es hier:

 

„Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte beginnen mit dem Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts, der in der aktuellen Debatte um Asylrechtsverschärfungen nicht oft genug wiederholt werden kann: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Und doch wird genau dies wieder getan. Nach Albanien, Mazedonien und dem Kosovo im vergangenen Jahr sollen nun also weitere Länder auf die Liste der Staaten gesetzt werden, die vom deutschen Gesetzgeber als „sicher“ eingestuft werden. Im Herbst mussten wir eine Kampagne ertragen, die Geflüchtete als Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge branntmarkte, um hierfür Mehrheiten zu finden. Und das, obwohl bekannt ist, dass es sehr wohl Gruppen wie bspw. die Roma gibt, für die diese Länder eben nicht sicher sind.

Es gibt in den Westbalkanstaaten gute Gründe für eine Flucht und es gibt Tatsachen, die die Einstufung als „sicherer“ Herkunftsstaat eigentlich verbieten, zumindest wenn man das Grundgesetz ernst nimmt. Hier heißt es in Artikel 16a Abs. 3, dass Staaten als sicher bestimmt werden können, „bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“ Auf keinen dieser Staaten trifft das zu, auch wenn die Anerkennungsquoten niedrig sind.

Es bleibt dabei: Kein Land wird dadurch sicher, dass Bundestag und Bundesrat es beschließen. Und das gilt auch für die nun in Rede stehenden Staaten.

Ein paar Tatsachen:

Marokko: friedliche Demonstrationen gewaltsam aufgelöst, Folter in Haft, unter Folter gemachte „Geständnisse“ sind vor Gericht zugelassen, kein Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt, Haftstrafen für Homosexuelle

Algerien: eingeschränkte Meinungs- und Versammlungsfreiheit, politisch motivierte Justiz, gesetzliche Diskriminierung von Frauen und kein Schutz vor sexueller Gewalt, Folter und willkürliche Festnahmen, Misshandlungen durch Sicherheitsorgane

Tunesien: mehrmals Ausgangssperren und Ausnahmezustand, IS-Milizen und von eben diesen verübte terroristische Anschläge, erst gestern hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für Tunesien ausgegeben, und auch hier willkürliche Haft und auch hier Folter.

Und diese Länder wollen sie als sicher einstufen? Sie können sich gern selbst belügen, aber dort ist gar nichts sicher.

Ihnen geht es nicht um die Menschenwürde und Menschenrechte vor Ort. Ihnen geht es einzig und allein darum, diejenigen Geflüchteten, die aus diesen Ländern kommen, so schnell wie möglich und so einfach wie möglich wieder los zu werden. Die Beschleunigung von Asylverfahren über das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten wird nicht funktionieren und ist ein Versuch abzulenken davon, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch immer nur einen kleinen Teil des versprochenen Personals eingestellt hat und dass wir mittlerweile fast 400.000 offene Verfahren haben, wobei die, die noch auf ihren ersten Termin beim Bundesamt warten noch gar nicht mitgezählt sind und diese Wartezeit liegt inzwischen bei mehr als drei Monaten.

Sie wollen Handlungsfähigkeit beweisen, in dem Wissen, dass weitere sogenannte sichere Herkunftsstaaten nicht ein einziges Problem lösen. Es ist das Prinzip Hoffnung, Hoffnung darauf, dass aus diesen Ländern weniger Menschen zu uns kommen, wenn man ihr individuelles Recht auf Asyl beschneidet. Denn nichts anderes ist es, wenn man Schnellverfahren durchführen will, die den Entscheidern nicht die Chance geben, individuell und gut recherchiert zu entscheiden. Nichts anderes ist es, wenn man die Beweislast umkehrt und die Schutzsuchenden gegen die politische Doktrin, dass diese Länder nun einmal sicher seien, ankämpfen lässt. Im Zweifel gegen den Geflüchteten ist das Prinzip und Sie nehmen in Kauf, dass die Menschen aus diesen Ländern kein faires individuelles Asylverfahren bekommen und Sie nehmen auch in Kauf, dass Fehlentscheidungen getroffen werden. Und wir sollten und bewusst machen, dass Fehlentscheidungen im Asylrecht zu Haft, Folter und zum Tod führe können.

Dazu wird es von der LINKEN keine Zustimmung geben. Wenn Sie sichere Herkunftsstaaten wollen, dann tun Sie etwas dafür: hören Sie auf, Flüchtlinge zu bekämpfen und ihre Flucht immer gefährlicher zu machen. Und fangen Sie endlich an, die Ursachen der Flucht zu bekämpfen. Die Menschen werden sich neue, immer gefährlicher Routen suchen aber sie werden sich nicht von der Flucht abhalten lassen, so lange ihnen Folter und Krieg, Verfolgung und Diskriminierung, Elend und Not, sexuelle Gewalt und staatliche Diskriminierung drohen. Und deshalb würde es Ihnen gut stehen, hiergegen etwas zu tun, anstatt denen, die hier Asyl beantragen, das Recht auf ein faires Verfahren zu nehmen. Es bleibt dabei: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Wir lehnen Ihren Antrag ab.“