Rede im Landtag zur Verabschiedung des neuen Landesaufnahmegesetzes
Heute wird im Landtag das neue Landesaufnahmegesetz beschlossen. Hier mein Rede dazu:
„Meine sehr verehrten Damen und Herren,
zu diesem neuen Landesaufnahmegesetz fand seit der Einbringung im Dezember eine intensive Debatte mit den Akteuren der Arbeit mit Geflüchteten statt. In der Anhörung im Ausschuss und den vielen begleitenden Diskussionen mit Initiativen, Landkreisen und kreisfreien Städten, freien Trägern und Ehrenamtlichen vor Ort wurde deutlich, dass die Erwartungen zu diesem Gesetz sehr weit auseinander gehen. Während die Landkreise und Kommunen vor allem Wirtschaftlichkeit und Effizienz im Blick haben, wollen der Flüchtlingsrat und Migrationssozialarbeiter noch höhere Standards bei der Unterbringung und Betreuung. Politik ist immer auch Interessensaugleich und ich finde, wir haben hier einen guten Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessenslagen gefunden. Und ja, mehr geht immer. Mehr würde auch gehen, wenn der Bund sich endlich an der Finanzierung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe angemessen beteiligen würde.
Meine Damen und Herren,
wir werden heute, als einziges Bundesland in dieser Bundesrepublik trotz der gesteigerten Zahl der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, die Standards für ihre Unterbringung und Versorgung verbessern. Darauf bin ich stolz und ich hoffe sehr, dass Brandenburg damit ein Zeichen auch an andere Länder sendet, dass gute Standards die Chancen der Integration verbessern.
Wir werden aber nicht nur die Unterbringung und Versorgung verbessern sondern gleichzeitig auch die Finanzierung dieser Leistungen besser ausstatten.
Konkret heißt das:
- Wir werden den Betreuungsschlüssel bei der sozialpädagogischen Betreuung verbessern. Von aktuell 1:120 über 1:80 auf 1:70. Das ist überfällig, weil ein solcher Betreuungsschlüssel fachgerecht ist und auch weil ein guter Teil der Kommunen diesen bereits bisher angewandt und selbst finanziert hat. Hier sorgen wir nicht nur für die Verbesserung der Versorgung der Geflüchteten sondern auch für die Entlastung der engagierten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und für eine Verbesserung der Finanzierung für die Kommunen.
- Es wird eine fallunabhängige Struktur der Migrationssozialarbeit mit landesweit 54 Stellen in den Landkreisen und kreisfreien Städten geschaffen. Die Kommunen können diese konzeptionell untersetzt für die Sozialberatung, das Erkennen besonderer Schutzbedürftigkeit, die psychosoziale Betreuung und auch für die Unterstützung und Koordination ehrenamtlicher Strukturen einsetzen. Dies sorgt für die Stärkung der Strukturen vor Ort und schafft flexible Lösungen auf vorhandene Bedarfe in den Kommunen.
- Die Unterbringung in Wohnungen wird forciert, indem die Investitionspauschale für die Schaffung von Unterbringungsplätzen, die bisher nur für Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnverbünde gezahlt wurde, auf die Wohnungsunterbringung ausgeweitet wird. Und sie wird nicht mehr wie bisher nur bis zur Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten sondern in voller Höhe gezahlt. Es war ein klarer Fehlanreiz im bisherigen Landesaufnahmegesetz und es ist gut, dass wir diesen beseitigen.
- Für die Unterbringung wird außerdem künftig eine Unterbringungspauschale gezahlt, die sich an der tatsächlichen Kostenstruktur für Wohnraum in den jeweiligen Kommunen orientiert. Das heißt dann konkret auch, dass für die Unterbringung in Wohnungen mehr Kosten durch das Land pauschal übernommen werden als für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Dies ist ein sehr viel wirkungsvollerer Anreiz für die Steigerung der Quote der Wohnungsunterbringung als über den Weg der Investitionspauschale, wie von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen. Eine höhere Unterbringungspauschale ist an dieser Stelle einfach konsequenter, weil es eine dauerhafte Finanzierung ist und nicht nur einmalig bei der Einrichtung des Platzes. Deshalb werden wir auch den Antrag der Grünen ablehnen, auch wenn wir im Ziel, mehr Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen, einig sind.
- Das Gesetz fordert eine Unterbringung, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Dies unterstreicht den Willen des Gesetzgebers, dass die Unterbringung in abgelegenen Lagen ohne Anschluss an ÖPNV, Bildungseinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten und Zugang zu Vereinen, Verbänden der Vergangenheit angehören soll. Ich verhehle nicht, dass ich mir hier eine weiter reichende Formulierung gewünscht hätte. Auch diese Regelung stellt jedoch eine Verbesserung zur bisherigen Gesetzeslage dar und ich bin froh, dass wir zumindest diese erreichen konnten.
- Die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung. Es ist kein Geheimnis, dass wir als LINKE die diskriminierenden Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes ablehnen, das ist ja auch im Koalitionsvertrag verankert. Dazu zählen insbesondere die Einschränkungen bei der gesundheitlichen Versorgung. Die Beschränkung auf eine Akutversorgung sorgt zwangsläufig für Fälle, bei denen Krankheiten, die eigentlich gut behandelbar wären, chronisch oder auch lebensbedrohlich werden. Auf Landesebene können wir das nicht ändern. Was wir aber tun können ist, eine elektronische Gesundheitskarte einzuführen, um zumindest die Entscheidung, ob jemand behandelt werden muss oder nicht, in ärztliche Hände zu legen. Um hier einen Anreiz zu schaffen, dass möglichst alle Landkreise und kreisfreien Städte der Vereinbarung mit den Krankenkassen zur Einführung einer solchen Gesundheitskarte beitreten, übernimmt das Land vollständig die Kosten der gesundheitlichen Versorgung.
Es gab zu diesem Punkt einige Debatten, die sich vor allem auf den Abrechnungsmodus zwischen den Krankenkassen, den Kommunen und dem Land bezogen. Sicher kann man darüber streiten, ob der gefundene Weg der Richtige ist und da gibt es Für und Wider für die verschiedenen Varianten. Deshalb unser heutiger Entschließungsantrag, der noch einmal deutlich macht, dass mit der Evaluierung der Bestimmungen zur Kostenerstattung auch die Überprüfung der Verfahrens- und Erstattungsregelungen der Gesundheitskosten erfolgt. Bei dieser Debatte ist aber untergegangen, dass die Kommunen – bei allen Varianten – von Verwaltungsaufwand und Kosten entlastet werden und gleichzeitig die gesundheitliche Versorgung der Geflüchteten vereinfacht und entbürokratisiert wird. Künftig wird nicht mehr in der Verwaltung entschieden, ob Geflüchtete behandelt werden und Medikamente erhalten müssen, sondern von Ärzten. Und bei allem Streit ist das eine substanzielle Verbesserung für alle Seiten, für die Geflüchteten, für die Ärzte und für die Kommunen!
Meine Damen und Herren,
die Debatte zum Gesetzentwurf war eine sehr intensive. Wir haben es mit dem Spannungsfeld zu tun gehabt, dass die freien Träger und Aktiven in der Flüchtlingsarbeit sich deutlich mehr Verbesserungen für die Geflüchteten gewünscht haben und die Landkreise und kreisfreien Städte sich möglichst wenig politische Steuerung durch das Land über definierte Standards und eine Spitzabrechnung für alle Kosten gewünscht haben. In diesem Spannungsfeld kann man nicht alle Interessen gleichermaßen bedienen. Was mich allerdings wirklich geärgert hat in der Debatte, ist die wiederholte Aussage der Kommunen, die Finanzierung sei nicht ausreichend. Selbst auf meine mehrmalige Frage im Ausschuss, ob die Kommunen uns – also dem Gesetzgeber – die Kostenabrechnung der vergangenen Jahre offen legen, wurde ausweichend geantwortet. Weder der Landesregierung noch uns als Landtag liegen bis heute Zahlen vor, welche Ausgaben die Kommunen für die Unterbringung und Versorgung der Asylsuchenden tatsächlich haben. Da hilft der hauptsächlich über die Presse an uns herangetragene Vorwurf, das Land würde nicht alle Kosten übernehmen, wenig. Die Landkreise haben uns damit in die Situation gebracht, keine Handlungsgrundlage zu haben. Zu behaupten, eine Finanzierung sei nicht ausreichend, ist das eine. Die wiederholte Weigerung der Offenlegung aber das andere. Deshalb werden wir an der von der Landesregierung vorgeschlagenen Finanzierungsstruktur festhalten und haben die Evaluierung bereits im IV. Quartal des Erstattungsjahres 2017 vorgesehen. Die verankerten Nachweispflichten haben das Ziel, dieser Überprüfung die notwendige Grundlage aufgrund der tatsächlich entstandenen Kosten zu geben.
Ich will an dieser Stelle erwähnen: Wir wissen, dass die Kommunen durch die hohen Investitionskosten teilweise Haushaltsrisiken eingehen mussten, bei denen wir als Land die Verantwortung haben, gemeinsam mit den Kommunen Lösungen finden müssen, um diese Risiken abzufedern. Das Landesaufnahmegesetz ist dafür aber nicht er richtige Ort.
Meine Damen und Herren,
die gute Unterbringung, Versorgung und Integration derjenigen, die zu uns geflüchtet sind, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, all denen zu danken, die in den Kommunen, in den Unterkünften, bei freien Trägern, in Vereinen und Verbänden, in Unternehmen, bei Bildungseinrichtungen und als Ehrenamtliche und Paten die Unterbringung und Betreuung, die gesundheitliche und psychosoziale Versorgung und die Integration der Geflüchteten mit Leben erfüllen. All diesen tausenden Menschen, die dafür arbeiten, dass die Geflüchteten in Brandenburg eine Lebensperspektive erhalten, gilt unser Dank und unsere Hochachtung für die täglich vor Ort geleistete Arbeit. Mit dem Landesaufnahmegesetz, wie wir es heute beschließen wollen, leisten wir unseren Teil als Land. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetz.“