Rede zum Antrag der Freien Wähler zu mehr Bürgerbeteiligung bei der Straßenerschließung

Rede zum Antrag der Freien Wähler zu mehr Bürgerbeteiligung bei der Straßenerschließung

Die Freien Wähler haben einen Antrag „Erschließungsbeiträge sind so oldschool – Auch Koalition gibt sich Ruck und ermöglicht Mitbestimmung der Anlieger… oder nicht?“ eingebracht.

Das Video meiner Rede dazu ist hier verfügbar.

Mein Redeskript dokumentiere ich hier:

„Erschließungsbeiträge dienen dazu, ein Grundstück erstmals zu erschließen, die Bebaubarkeit und Nutzung des Grundstückes damit erst zu ermöglichen. Insofern sind die Erschließungsbeiträge ganz eindeutig und weit überwiegend im Interesse der Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer und sollten nach unserer Ansicht grundsätzlich nicht durch die Allgemeinheit übernommen werden.

Der Landtag beschäftigt sich nunmehr zum wiederholten Mal mit der Forderung der Freien Wähler die Erschließungsbeiträge landesweit neu zu regeln.

Unter anderen zuletzt nach der gescheiterten Volksinitiative zur Abschaffung der Erschließungsbeiträge bei „Sandpisten“, die dem Landtag noch einmal aufgezeigt hat, dass das Problem der Sandpisten weiter einer landesweiten politischen Lösung bedarf.

Dabei kann man einige Aussagen der Antragstellenden durchaus hinterfragen. So zum Beispiel, dass derzeit einige wenige Anlieger für Güter der Allgemeinheit (bauliche Anlagen, die der Allgemeinheit gehören und von jedermann genutzt werden) zahlungspflichtig gestellt werden. Wir wiederholen uns hier: Anliegerstraßen werden gemeinhin zu einem weit überwiegenden Anteil von Anliegern genutzt, sie oder ihr Besuch erreichen das Grundstück, die Müllabfuhr, Feuerwehr, Rettungsdienste fahren auf diesen Straßen zu Ihrem Grundstück, bei Gewerbetreibenden erreichen die Kunden der Firma oder gar Lieferanten das Grundstück.

Es liegt auf der Hand, dass dieser Vorteil weit überwiegend den Anliegern zu Gute kommt. Und es kommt aus diesem Grund eben nicht darauf an, dass ein wirtschaftlicher Mehrwert nachzuweisen ist. Der ist da.  Ohne diese Straße würden die Grundstückseigentümer das eigene Grundstück nicht erreichen, ja sie hätten eigentlich ihr Haus gar nicht bauen können.

Die Linke hatte in diesem Zusammenhang  gefordert, verbindliche Regelungen für eine bessere Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner und Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer vor der Realisierung solcher teuren Erschließungsmaßnahmen zu schaffen, weiter sollten Vorschläge erarbeitet werden, wie die Ausbaustandards an tatsächliche Erfordernisse vor Ort gemeinsam mit den Anwohnerinnen und Anwohnern und Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer und den Kommunen erreicht werden können und einen Härtefallfonds einzurichten, mit dem drohende Grundstücksverluste wegen hoher Erschließungsbeitragskosten und zu geringen Einkommens oder Vermögens verhindert werden können. Das letztere hat nach unserer Auffassung in diesen Zeiten mit explodierenden Baukosten eine besondere Bedeutung.

Die Freien Wähler wollen nunmehr die Landesregierung beauftragen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nachdem Anlieger von jenen gemeindlichen Straßen, für deren Erschließungsanlagen ein gemeindlicher Anteil am Erschließungsaufwand von weniger als einem Drittel getragen werden soll ein verbindliches Mitbestimmungsrecht einzuräumen und so die Mehrheit über die Errichtung der Erschließungsanlage entscheidet.

Dieser Punkt der geforderten Bürgerbeteiligung wird bereits jetzt bspw. in Potsdam so ähnlich seit Jahren angewendet. So ähnlich deshalb, weil die Stadtverordnetenversammlung dort im Falle der Ablehnung durch die Anwohner oder Eigentümer die letztliche Entscheidung trifft.

Und das ist auch unsere Kritik am Gesetzentwurf, denn der Wunsch der Grundstückseigentümer*Innen nach einer anteiligen Kostenbelastung ist naturgemäß sehr gering. Denn gerade wenn nach vielen Jahren der Nutzung einer Sandpiste oder Straße ist es faktisch kaum vermittelbar, weshalb heute, nach vielen Jahren der Nutzung bei einem erstmaligen grundhaften Ausbau bis zu 90% der Kosten auf die Anlieger*innen umgelegt werden sollen.

Und insofern ist die Wirkung einer solchen Regelung vorhersehbar, die Zementierung des Status quo, Erschließungsmaßnahmen werden scheitern, weil die Zustimmung der Anwohnerschaft nicht zu erreichen ist, die Kommunen werden sich auf die Suche nach verschiedenen Lösungen machen, diese werden mehr oder weniger einer gerichtlichen Prüfung unterzogen und standhalten oder auch nicht.  Und so wird die Unzufriedenheit der Betroffenen wohl eher bleiben, weil es Kommunen gibt, die entweder alles oder einen deutlich höheren Anteil der gemeindlichen Kosten übernehmen.

Eine bessere Bürgerbeteiligung ist dringend notwendig. Aber dies ist nicht der richtige Weg. Insofern werden wir uns zu dem Antrag enthalten.“