Rede zum Antrag der Koalition zur Beschäftigungsduldung

Rede zum Antrag der Koalition zur Beschäftigungsduldung

Dem Landtag lag ein Antrag der Koalitionsfraktionen vor, der Chancen auf Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung für Flüchtlinge in Brandenburg erhöhen soll.

Meine Rede dazu ist hier als Video verfügbar.

Außerdem dokumentiere ich die Rede hier, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Migrationspakt wurden die Ausbildungsduldung und die Beschäftigungsduldung im Aufenthaltsrecht neu geregelt. Seit dem 1. Januar 2020 gelten die neuen Vorschriften. Es ist ein richtiger Schritt, hierzu eine landesweit einheitliche Anwendungspraxis zu schaffen, nicht nur, um die Potenziale der Geflüchteten für den Arbeitsmarkt zu nutzen, wie es im Antrag der Koalitionsfraktionen heißt, sondern auch, weil das Aufenthaltsrecht kein Lottospiel sein darf, bei dem die eine Ausländerbehörde so und die andere anders agiert. Das ist auch wichtig, weil es für diejenigen, die sich aktiv integrieren wollen, eine gute und oftmals die einzige Chance für eine Perspektive in Deutschland ist.

Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass die Instrumente Ausbildungs- und
Beschäftigungsduldung bislang in Brandenburg nur zu einem geringen Maße zur Anwendung kommen. So waren zum Stichtag 31. März 2021 nur 60 Personen in Brandenburg in einer Ausbildungsduldung, und davon lediglich vier, die eine Duldung im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde erhalten haben. Bei allen anderen waren die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, sodass ihnen die Duldung zu erteilen war. Bei der Beschäftigungsduldung waren die Zahlen noch niedriger: Lediglich 21 Personen hatten zum Stichtag eine Duldung als Beschäftigte erhalten, und drei weitere mit einer Beschäftigungsduldung waren Familienangehörige. Hier ist also noch viel Luft nach oben.

Allerdings muss man auch sagen, dass der Bundesgesetzgeber mit diesen
Instrumenten nur halb gesprungen ist. So sind die Hürden zum Erhalt der Ausbildungsund noch mehr der Beschäftigungsduldung sehr, sehr hoch. Es ist unklar, warum bei einer Ausbildungsduldung bereits vorher eine Duldung von mindestens drei Monaten Dauer vorgelegen haben muss. Einige Ausschlussgründe, zum Beispiel für einige Personen im Dublin-Verfahren, sind ebenfalls wenig sinnvoll.

Eine Beschäftigungsduldung können gar nur Personen bekommen, die vor dem August 2018 eingereist sind. Die Person muss seit zwölf Monaten im Besitz einer Duldung sein. Sie muss seit 18 Monaten mindestens 35 Stunden pro Woche arbeiten. Außerdem muss die beantragende Person ihren Lebensunterhalt in den letzten 12 Monaten und aktuell selbst finanzieren. Zudem muss ein verpflichtender Integrationskurs abgeschlossen worden sein.

Das alles führt dazu, dass auch Menschen, die für den Arbeitsmarkt in Brandenburg wichtig wären, durchs Raster fallen. Umso wichtiger ist es, die vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen Ermessensentscheidungen bei der Erteilung der Duldung so weit wie möglich auszulegen. Vor allem die Auslegung der Regelung zur Identitätsklärung, aber auch die Definition, wann ein offensichtlicher Missbrauch anzunehmen ist, bedürfen einer landeseinheitlichen Regelung.

Auch die weiteren im Antrag der Koalitionsfraktionen aufgeführten Maßnahmen wie die Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse teilen wir. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass dies zu einem guten Teil gar nicht in der Hoheit des Landes liegt. Wichtig wäre eine effektive Begleitung bei der Antragsstellung und die Schaffung passgenauer Anpassungsqualifizierungen.

Wir werden Ihrem Antrag insofern zustimmen; allerdings – das hatte ich bereits zu Beginn meiner Rede angedeutet – wird die reine Fokussierung auf den Arbeitsmarkt aus unserer Sicht dem Problem nicht gerecht. Wir brauchen nicht nur Duldung; darauf hat Herr Baaske ebenfalls schon hingewiesen. Was wir brauchen, sind vor allem sichere Bleibeperspektiven.

Frau Nonnemacher hat anlässlich des Weltflüchtlingstags dafür geworben, jungen Menschen, die im Land dringend gebraucht werden, eine Bleibeperspektive zu eröffnen. Die in den Jahren 2015 und 2016 angekommenen Minderjährigen und jungen Erwachsenen hätten vielfach erfolgreich ihren Weg in Ausbildung und Arbeit gemeistert und seien längst in Brandenburg zu Hause. Das Land solle Bemühungen anstellen, die Möglichkeiten der Gesetzesspielräume von Bleiberechtsregelungen für junge Geflüchtete auszuschöpfen.

Ich stimme Frau Nonnemacher hierin unbedingt zu. Leider finden sich in Ihrem Antrag dazu keine Forderungen. Dabei gibt es auch in § 25a und § 25b – auch darauf hat Herr Baaske gerade hingewiesen -, also in den Vorschriften zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden und zur Aufenthaltsgewährung bei guter Integration, Spielräume, die von den Ländern ausgestaltet werden können. Rheinland-Pfalz oder auch Niedersachsen sind diesen Weg erfolgreich gegangen und haben Anwendungshinweise für die kommunalen Ausländerbehörden erlassen. Der hier vorliegende Antrag kann also nur ein erster Schritt sein. Ich möchte die Koalition ermutigen, im Bereich der sicheren Bleibeperspektiven ebenfalls tätig zu werden.

Ich habe zum Abschluss noch eine Frage, die mir vielleicht einer der nachfolgenden Redner beantworten kann. Sie haben hier wieder den Haushaltsvorbehalt mit aufgenommen. Ich habe aber keinen Punkt gefunden, von dem ich mir vorstellen kann, dass dadurch sehr hohe Kosen entstünden. Möglicherweise können Sie das noch näher ausführen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.“