Rede zum Antrag zu einem Ministerialvorbehalt bei Abschiebungen nach Afghanistan

Rede zum Antrag zu einem Ministerialvorbehalt bei Abschiebungen nach Afghanistan

Bündnis 90/Die Grünen haben beantragt, dass ein Ministerialvorbehalt bei Abschiebungen nach Afghanistan eingeführt wird. Zum Antrag geht es hier.

Zum Videomitschnitt der Rede geht es hier.

Das Skript meiner Rede ist hier dokumentiert:

„Bereits im März haben wir als Landtag die Landesregierung beauftragt, darauf hinzuwirken, dass die Ausländerbehörden bestehende aufenthaltsrechtliche Ermessensspielräume bei Geflüchteten aus Afghanistan konsequent nutzen. Natürlich kann man als Landtag einen solchen Beschluss konkretisieren. Mehr als eine Konkretisierung wäre der vorliegende Antrag aber auch nicht.

Uns ist es offen gestanden egal, wie die Landesregierung diesen Beschluss umsetzt, uns ist wichtig, dass sie es endlich tut. Ob sie dafür den Weg eines Rundschreibens oder eines ermessenslenkenden Erlasses – was unsere bevorzuge Variante wäre – geht, ist letztlich eine Frage der Bindungswirkung. Wenn sie glaubt, einen Ministervorbehalt zu benötigen, um – wie es im Antrag formuliert ist – Kenntnis darüber zu haben, welche Personen für eine zwangsweise Rückführung angemeldet werden, dann kann sie sich dies vorbehalten. Um dieses Ziel zu erreichen, sind aber auch andere Wege denkbar. Insofern halten wir den vorliegenden Antrag für verzichtbar und werden ihn deshalb auch ablehnen.

Die Landesregierung hat  sich beim Bund entsprechend des Willens des Landtages dafür eingesetzt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan überprüft wird. Die anderen Bestandteile harren jedoch der Umsetzung, besonders drängend ist aus unserer Sicht die Sicherstellung einer unabhängigen Verfahrensberatung in der Erstaufnahme. Da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Verfahren so stark beschleunigt hat, dass die Anhörungen im Asylverfahren bereits wenige Tage nach Ankunft stattfinden, braucht es dringend eine Verfahrensberatung, die sehr schnell möglichst alle Geflüchteten erreicht. Aktuell findet diese kaum und vor allem nicht systematisch statt, was zur Folge hat, dass die Flüchtlinge völlig unvorbereitet und in Unkenntnis des Verfahrens in die Anhörungen gehen. Damit wird in Kauf genommen, durch Verfahrensunsicherheiten Menschen um ihr Recht auf Asyl zu bringen. Hier ist Handlungsbedarf!

Nach dem verheerenden Anschlag in Kabul hat die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan wenigstens zum Teil ausgesetzt, bis eine Neubewertung der Sicherheitslage stattgefunden hat. Die Begründung für diesen Schritt, dass die deutsche Botschaft nach dem Anschlag in Kabul nicht einsatzfähig sei, kommentiere ich hier lieber nicht. Sie macht aber deutlich, dass es eben keinen Paradigmenwechsel auf Bundesebene gegeben hat. Klar ist: Afghanische Geflüchtete sind nach wie vor nicht sicher vor zwangsweisen Rückführungen – trotz noch einmal verschlechterter Sicherheitslage. Unter anderem sind diejenigen von der Aussetzung der Abschiebungen ausgenommen, denen man unterstellt, über ihre Identität getäuscht zu haben oder nicht ausreichend an der Identittsfeststellung mitzuwirken. Wir wissen aus der Praxis, dass dies auch gern mal Menschen trifft, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Papiere haben. Das betrifft viele Geflüchtete. Und so haben Afghanen in Deutschland auch nach dieser vollmundigen Ankündigung der Bundesregierung faktisch keinen Schutz vor Abschiebung.

Einen Lichtblick gibt es allerdings: Am Mittwoch hat im Innenausschuss des Bundestages  das Bundesinnenministerium bekannt gegeben, dass bis zur Neubewertung der Sicherheitslage das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Entscheidungen über Asylanträge von Afghanen mehr fällt. Das hilft aber denen, deren Asylantrag bereits vorher abgelehnt wurde, herzlich wenig. Deshalb bleibt es bei der Forderung nach einem bundesweiten Abschiebestopp für alle Afghanen.

Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Debatte hier mal das am Wochenende verabschiedete Wahlprogramm der SPD zu der kommenden Bundestagswahl angeschaut. Dort heißt es – ich zitiere: „Wir halten daran fest, dass Abschiebungen in Länder nicht erfolgen, in denen für die Menschen die unmittelbare Gefahr besteht, Opfer eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes zu werden. Wir werden keine Menschen in Perspektivlosigkeit und Lebensgefahr abschieben. Da die Sicherheitslage in Afghanistan kein sicheres Leben zulässt, werden wir bis auf weiteres keine Abschiebungen nach Afghanistan durchführen. Außerdem werden wir eine Altfallregelung schaffen, sodass Menschen, die seit mindestens zwei Jahren in Deutschland leben, hier nicht straffällig geworden sind und Arbeit haben oder zur Schule gehen, nicht abgeschoben werden.“ Zitat Ende.

Ich habe mich darüber wirklich gefreut und ich glaube, dass dies eine zusätzliche Motivation für eine  Landesregierung sein kann, den Willen des Landtages, afghanische Flüchtlinge wirksam vor Abschiebungen zu schützen, zügig umzusetzen.“