Rede zur Stellungnahme des Landtages zur neuen Eindämmungsverordnung

Rede zur Stellungnahme des Landtages zur neuen Eindämmungsverordnung

Das Kabinett hat am Montag nach dem Bund-Ländertreffen bei der Kanzlerin die neue für Brandenburg gültige Eindämmungsverordnung beschlossen. De Landtag könnte Einspruch gegen diese Verordnung einlegen, was diese stoppen würde. Die Eindämmungsverordnung wurde mehrheitlich gemäß Beschlussempfehlung angenommen. Für meine Fraktion habe ich begründet, waru wir uns dazu enthalten.

Meine Rede ist als Videomitschnitt hier verfügbar.

Außerdem dokumentiere ich den Text der Rede im Folgenden, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben wieder einmal die Realitätsverweigerung der AfD-Fraktion erlebt. Ich werde nicht darauf eingehen, weil ich finde, dass Frau Nonnemacher vorhin alles dazu gesagt hat, was man dazu sagen muss. Im Rest des Hauses sind wir uns, glaube ich, einig, dass es angesichts der Situation, die geschildert wurde, absolut notwendig war, die Notbremse zu ziehen, und die Maßnahmen, die bis dahin ergriffen worden waren, objektiv nicht ausgereicht haben – im Übrigen auch, weil einige sich nicht an die Vorgaben gehalten haben.
Deshalb war es notwendig, weitere Maßnahmen zu ergreifen, das teilen wir. Trotzdem werden wir uns bei der Abstimmung enthalten, und ich möchte das für Sie zumindest begründen.
Wir stimmen nachher darüber ab, ob wir als Parlament Widerspruch gegen die bereits erlassene Verordnung einlegen. Würden wir den Widerspruch einlegen, würden wir die gesamte Verordnung stoppen. Das wollen wir ausdrücklich nicht. Bei einzelnen Regelungen haben wir aber durchaus Bedenken, über die wir gerne vor Erlass der Verordnung gesprochen hätten. Der Ausschuss hatte heute Morgen viel zu wenig Zeit, es wurden vor allem auch Fragen zu Unklarheiten der Verordnung diskutiert, die sicherlich bei einer Befassung im Ausschuss vor dem Erlass der Verordnung hätten geklärt werden können. Und so konnten aus Zeitnot unsere Bedenken zu einzelnen Punkten der Verordnung nicht ausgeräumt werden.
Nicht diskutiert werden konnte beispielsweise, ob es der richtige Weg ist, auf Ausgangsbeschränkungen zu setzen, also einen sehr starken Grundrechtseingriff, obwohl die meisten anderen Bundesländer diesen Schritt nicht gehen. Wir konnten auch nicht über die Verhältnismäßigkeit des Versammlungsverbots bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 reden, ebenfalls ein sehr, sehr starker Grundrechtseingriff.
Und Herr Lüttmann, ich weiß nicht, woher Sie die Erkenntnis nehmen, dass in der Sitzung heute Morgen eine intensive Abwägung stattgefunden habe: Dem Ausschuss und auch dem Plenum – ist nicht einmal die Begründung zu der Verordnung zugegangen, sodass wir sie gar nicht kennen, und sie spielte heute Morgen keine Rolle. Ich finde, eine solche Abwägung muss stattfinden, und über sie muss der Landtag auch informiert werden. Das ist das Problem an der Stelle, und ich hätte mir sehr gewünscht, dass wir diese Debatte tatsächlich führen können, denn Grundrechtseinschränkungen sind immer zu begründen und sehr genau abzuwägen.
Es gibt weitere Bedenken, die wir in Bezug auf die Verordnung haben, das habe ich heute Morgen auch im Ausschuss gesagt: Es wurde nicht hinreichend geklärt, welche arbeitsrechtlichen Fragen es beispielsweise bei Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen gibt, die sich nicht testen lassen wollen – das wurde nicht beantwortet. Wir haben auch Bedenken, weil den Pflegeeinrichtungen ein Bußgeld von bis zu 10 000 Euro angedroht wird, wenn Testungen des Personals – aus welchen Gründen auch immer –
nicht stattfinden können.
Wir verstehen auch nicht, warum die Kitas offen bleiben, auch das ist zumindest erklärungsbedürftig und auch diese Erklärung ist heute Morgen nicht erfolgt, und auch da hätte uns die Abwägung sehr interessiert.
Wir vermissen in der Verordnung auch eine hinreichende Abstimmung mit Berlin. Zwar wurde uns versichert, dass eine solche stattgefunden habe – siehe auch die Buchläden, da sagte der Ministerpräsident, man müsse sich nur noch mit Berlin abstimmen -, allerdings haben wir die eine oder andere Stilblüte zur Kenntnis nehmen müssen, zum Beispiel den „kleinen Grenzverkehr“, also, dass jetzt die Berliner zum Kauf von Feuerwerkskörpern nach Polen fahren können, die Brandenburger aber
nicht.
Wir haben auch die Regelungen zum Sport zur Kenntnis genommen, die voneinander abweichen: In Berlin dürfen bis zu zehn Kinder gemeinsam Sport treiben, Kinder in Brandenburg dürfen das nicht. Das führt aktuell dazu, dass Fußballmannschaften aus dem berlinnahen Raum zum Trainieren nach Berlin fahren.
Das sind alles Stilblüten, die wir eigentlich vermeiden müssten, denn sie führen dazu, dass die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung für solche Maßnahmen sinkt, und das können wir uns derzeit nicht leisten. Deshalb hätten wir uns sehr gewünscht, dass eine Parlamentsbeteiligung vor Erlass der Verordnung stattgefunden hätte, wir hätten dabei gerne auf solche Punkte hingewiesen, möglicherweise wäre der eine oder andere noch auszuräumen gewesen.
Deshalb wünschen wir uns, dass auch die Punkte, die ich hier genannt habe, bei der Erarbeitung der nächsten Verordnung berücksichtigt werden, dass eine Parlamentsbeteiligung künftig früher erfolgt, dass uns auch die Begründungen zugeleitet werden – ich finde sie wirklich nicht so unwichtig wie möglicherweise der eine oder andere aus den Koalitionsfraktionen – und dass wir deutlich mehr Zeit für die Diskussion im Ausschuss haben. Aus all diesen Gründen werden wir uns jetzt enthalten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“