Wählen per SMS?

Wählen per SMS?

Was wäre Brandenburg ohne seine CDU. Immer wieder für populistische Vorschläge gut, die bestenfalls für Erheiterung sorgen, nicht selten aber auch nur Kopfschütteln auslösen. Nun also Wählen per SMS. Das soll wohl ein Beitrag zur Debatte um die Reformierung des Wahlrechts darstellen, die durch die SPD-Generalsekretärin Fahimi angestoßen wurde. Schon sie liegt falsch, wenn sie glaubt, die Wahlbeteiligung erhöhen zu können, indem man eine Woche lang seine Stimme abgeben kann und das dann auch noch in Postfilialen (die nebenbei bemerkt, kaum noch irgendwo existieren). Die niedrige Wahlbeteiligung liegt nicht daran, dass man nur sonntags im Wahllokal ode per Briefwahl seine Stimme abgeben kann. Vielmehr handelt es sich um eine tiefe Vertrauenskrise eines großen Teils der Bevölkerung in die Demokratie im Allgemeinen und die Parteien und PolitikerInnen im Besonderen. Der Vorschlag von Fahimi kratz deshalb nicht einmal an der Oberfläche. Er ist im Gegenteil gefährlich, weil durch diese Debatte die Bevölkerung ein weteres Mal daneben steht und sich fragt, wieso sie nicht verstanden wird und die PolitikerInnen Scheindebatten führen, anstatt sich dem Problem anzunehmen. Hier wird an den Symptomen gedoktert ohne an die Ursache zu gehen und man läuft auch noch Gefahr, dadurch die Symptome zu verschlimmern. In einem Beitrag bei Facebook las ich die Bemerkung: „Wenn man einem Affen eine halbverfaulte Banane in den Käfig wirft, wird er sie auch nach einer Woche nciht gegesse haben.“ Zugegeben, das ist polemish, aber es trifft.

Viel wichtiger wäre aus meiner Sicht, an die Ursachen der bewussten Wahlenthaltung – und davon reden wir – zu erforschen und sie anzugehen.

Da ist das Gefühl, von Politik nicht ernst genommen zu werden, zu glauben, dass sich Politik um alles kümmert, nur nicht um die eigenen Ängste und Sorgen. Und seien wir doch mal ehrlich, wie oft haben wir selbst festgestellt, dass die Menschen gerade das Windrad vor der Haustür mehr interessiert als der Klimawandel oder die eigene Geldbörse mehr als die Ausgaben für Bildung? Dem Volk aufs Maul schauen ist wichtig, Politik ist aber immer Interessensausgleich. Wir also schaffen wir es, den Blick aufs Ganze und die Verantwortung für das Gemeinwohl zu stärken, ohne die Probleme des Einzelnen außer Acht zu lassen?

Da ist aber auch der erstarrte Parlamentarismus, ritualisiert bis ins Kleinste. Das geht schon im Kreistag los, wo Anträge der Opposition grundsätzlich abgelehnt werden, egal wie klug sie sind (zahlreiche Erlebnisberichte dazu sind hier im Blog zu finden), das wird im Land- oder Bundestag ähnlich gehandhabt, mit wenigen Ausnahmen. Die Regierungsfraktionen bringen Anträge nur gemeinsam ein, die Debatte dazu wird nicht im Parlament, sondern vorher geführt. Wenn denn die Zeit dazu bleibt. Und natürlich stimmen Regierungsfraktionen auch nur gemeinsam ab. Das erzeugt auch Druck auf den einzelnen Abgeordneten, das führt aber vor allem dazu, dass Politik langweilig wird. Das Ergebnis einer parlamentarischen Debatte steht vorher fest und Ausschusssitzungen sind auch eher Theater als wirkliche Debate. In den wenigen Wochen, die ich dem Landtag Brandenburg angehöre, habe ich all das nicht nu einmal erlebt. Ausbrechen ist schwer und vielleicht muss es auch so funktionieren, um zu funktionieren? In der letzten Walperiode hat sich die rot-rote Koalition aufgemacht, um hieran etwas zu ändern, mehr Transarenz zu schaffen. Die  Öffentlichkeit von Ausschussitzungen und die Verabredung, Oppositionsanträge nicht grundsätzlich abzulehnen, gehören dazu. Das hat aber nicht dazu geführt, dass die Wahrnehmung von außen sich ernsthaft geändert hätte. Ich möchte darüber reden, wie ein Landesparlament sene Arbeit so gestalten kann, dass sie als spannend und wichtig wahrgenommen wird, dass BürgerInnen ihm den Stellenwert beimessen, den es real hat: Der Ort an dem über die Lebenswirklichkeit der Menschen mitentschieden wird. Das schafft man nicht in Wahlkämpfen, das schafft man nur, indem es Politik gelingt, deutlich zu machen, welche Entscheidungen sie warum trifft. Und indem es nicht nur alle vier oder fünf Jahre eine Wahl gibt, sondern die Bevölkerung auch innerhalb einer Wahlperiode die Möglichkeit hat, sich an Politikentwicklungsprozessen zu beteiligen. Stärkung der direkten Demokratie, Partizipation, Teilhabe und Mitbestimmung ist dabei die Stichworte und ich würde mir wünschen, dass wir hier unsere Kraft investieren, nicht in Debatten, ob die Wahl nun einen Tag oder eine Woche andauert.

Nun aber noch zur Wahl per SMS. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Ingo Senftleben, schlägt aktuell vor, die Wahlbeteiligung zu steigern, indem Online-Wahl und Wahl per SMS ermöglicht wird. Das unmittelbare, freie und geheime Wahlrecht ist eine demokratische Errungenschaft. Herr Senftleben weiß sehr genau, dass es derzeit keine technische Möglichkeit gibt, eine Online-Wahl so zu gestalten, dass sie einerseits geheim erfolgt und andererseits später nachprüfbar bzw. nachvollziehbar ist. Beides fordert das Bundesverfassungsgericht aber zu Recht. Bei der Wahl per SMS verhält es sich ebenso. Wenn also bspw. Herr Müller seine Stimme abgibt, muss gewährleistet werden, dass einerseits gespeichert wird, dass er seien Stimme abgegeben hat (damit er niht mehrmals abstimmen kann), gleichzeitig muss aber gesichert werden, dass nicht gespeichert wird, wie er abgestimmt hat (wegen der geheimen Wahl), obwohl sein Stimmverhalten natürlich dennoch festgehalten werden muss, um das Gesatergebnis zu ermitteln, nur darf es ihm eben nicht zuordnenbar sein. En solches technisches System, das diesen Vorgang sicher gewährleistet, gibt es nicht.

Gleichzeitig weiß Herr Senftleben auch sehr genau, dass eine Manipulation bei diesen Formen der Wahl deutlich einfacher und vor allem in größerem Umfang möglich wäre, als beim Abstimmen im Wahllokal bzw. per Briefwahl. Auch hier gab es immer mal wieder einzelne, wenige Stimmen betreffende, Manipulationsvorwürfe. Diesen konnte aber im Nachhinein nachgegangen werden. Eine technische Manipulation ist in viel größerem Umfang möglich und im Zweifel auch im Nachhinein nicht nachvollziehbar, ebenso übrigens wie technische Fehler, die nicht einmal bemert werden müssen. Ein einfacher Prgrammierungsfehler, ein Fehler in einer Verknüpfung und das Ergebnis stimmt nicht, nur kann man dann ebenncht mal enfach nachzählen, wie das bei einem Zählfehler im Wahllokal passieren würde,wen der Fehler denn überhaupt bemert würde… Und ich will in dem Zusamenhang noch auf ein zusätzliches Problem hinweisen, auch wenn es eher psychologischer Natur ist: Ein solches Wahlsystem kann, wegen der Möglicket der Manipulation und weil es weniger „real“ empfunden wird als das Kreuz auf dem Zettel, zu weiterem Misstrauen in das politische System führen.

Wir müssen uns also entscheiden: Wollen wir eine unmittelbare, freie, geheime und wenig manipulationsanfällige Wahl oder wollen wir sie nicht? Da ich mir sicher bin, dass Herr Senftleben diese demokratische Errungenschaft nicht in Frage stellen möchte, ist wohl auch dieser Vorschlag der CDU Brandenburg nur ins Reich der Polemik zu verweisen.