Zerstörtes Leben - verlorene Welt - Die Sperrzone um Tschernobyl 30 Jahre nach der Katastrophe

Zerstörtes Leben – verlorene Welt – Die Sperrzone um Tschernobyl 30 Jahre nach der Katastrophe

Dieser Artikel ist in mehreren kleinen Zeitungen der LINKEN erschienen und wird hier dokumentiert.

Zerstörtes Leben – verlorene Welt – Die Sperrzone um Tschernobyl 30 Jahre nach der Katastrophe

Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Pripyat. Auf der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse wurde sie als erstes Ereignis der Kategorie katastrophaler Unfall eingeordnet.
30 Jahre nach der Katastrophe ist die Zone um Tschernobyl nahezu menschenleer, die Stadt Pripyat ist eine Geisterstadt, die Natur erobert das Gebiet zurück.
Im Oktober/November 2016 begab ich mich auf eine fotografische Spurensuche in der Speerzone rund um den havarierten Reaktor. Ein Ergebnis dieser Reise ist eine aufwühlende Ausstellung.

Warum diese Reise nach Tschernobyl? Diese Frage wurde mir in den vergangenen Wochen oft gestellt. Einerseits gehört die Tschernobyl-Katastrophe zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen, allein dadurch ist Interesse am Thema vorhanden. Und auch politisch hat mich das Thema „Kampf gegen Atomkraft“ immer begleitet. Andererseits ist es aber auch das Interesse der Fotografin. Verlorene Orte, „lost places“, sind fotografisch eine besondere Herausforderung und versprechen spannende Motive.

Die Entscheidung, diese Reise zu unternehmen, fiel dann aus all diesen Gründen und aus einem weiteren: Ich finde, die Menschen vergessen zu schnell. Vor gerade einmal 30 Jahren passierte dieser Super-Gau und dennoch setzen nahezu alle Industrienationen weiterhin auf Atomkraft. Fukushima hat das Bewusstsein noch einmal  geschärft und es bedurfte dieses weiteren katastrophalen Unfalls, um in Deutschland den Ausstieg aus der Kernkraft zu beginnen. Doch es gibt Stimmen, die nach dem Ausstieg vom Ausstieg rufen. Deshalb kann man gar nicht oft genug auf die zerstörerischen Folgen dieser Technologie hinweisen.

Eine weitere Frage, ist die nach der Gefährlichkeit des Aufenthalts dort. In aller Kürze so viel: Der kurzzeitige Aufenthalt in der Zone unter Beachtung einiger Regeln ist nicht problematisch. Die Strahlenbelastung ist in weiten Teilen recht gering. Allerdings gibt es „Hotspots“ mit stark erhöhter Strahlung, weshalb man in der Zone immer einen Dosimeter dabei haben und Hinweisschilder ernst nehmen sollte. Außerdem ist immer ein ortskundiger Guide dabei, der darauf achtet, dass die Besucher nicht in die Nähe stark kontaminierter Orte kommen.

Und noch eine Frage wurde mir oft gestellt: Wie fühlt man sich dort und was geht einem durch den Kopf? Ich empfand es als extrem bedrückend und in erster Linie deprimierend. Vor allem in Pripyat, wo man auch heute noch sieht, dass das eine moderne Stadt war, in der sich die Menschen garantiert wohl gefühlt haben, ging mir immer wieder durch den Kopf, dass diese Katastrophe nicht nur viele Menschenleben gefordert sondern auch Lebensperspektiven beseitigt hat. Für mich zusammengefasst habe ich dies mit der Formulierung „Zerstörtes Leben – verlorene Welt“.

Die Ausstellung mit vielen Fotos ist vom 10. März bis Ende April im Lothar-Bisky-Haus (Alleestr. 3) in Potsdam zu sehen ist. Einen ausführlichen Bericht zu meiner Reise finden Sie auf meinem Blog www.andrea-johlige.com/zerstoertes-leben-verlorene-welt-die-sperrzone-um-tschernobyl-ein-reisebericht/.

MdL Andrea Johlige