Zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag "Faire Unterkunftsgebühren für geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften"

Zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag „Faire Unterkunftsgebühren für geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften“

So, das ist eine Premiere. Mit einer Experimentierklausel hat der Landtag beschlossen, dass man Reden auch zu Protokoll geben kann, wenn alle Redner*innen zu einem Tagesordnungspunkt einverstanden sind. Das hab ich heute zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Faire Unterkunftsgebühren für geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften“ zum ersten Mal gemacht. Abgestimmt wird natürlich trotzdem: Der Antrag wurde in den Sozialausschuss überwiesen. Das Skript, das dann auch so im Protokoll erscheinen wird, ist hier dokumentiert:

„Der vorliegende Antrag weist auf ein Problem hin, das in den vergangenen Wochen auch medial eine Rolle gespielt hat. Personen, die in Einrichtungen der vorübergehenden Unterbringung leben und die über ein anrechenbares Einkommen im Sinne des §82 SGB XII verfügen, werden zu Nutzungsentgelten herangezogen. Personen, die als Flüchtling anerkannt sind bzw. politisches Asyl im Sinne des Grundgesetzes erhalten haben, sind von dieser Regelung nicht erfasst, da diese nicht vom Regelungsbereich des Landesaufnahmegesetzes erfasst sind.

Die Gebühren werden durch Satzungen durch die kommunalen Aufgabenträger festgelegt, wobei eine Staffelung nach Aufenthaltsdauer zu berücksichtigen ist. Von der Staffelung sind Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden, auszunehmen. Das für Soziales zuständige Ministerium hat diese Satzungen zu genehmigen. Soweit die rechtliche Lage.

In der Praxis führt diese Regelung augenscheinlich dazu, dass die Gebühren zwischen den einzelnen Aufgabenträgern teils stark variieren. Das hat zu Diskussionen in Kreistagen ebenso geführt wie zu Debatten in der Öffentlichkeit. Und das hat dazu geführt, dass die Forderung erhoben wurde, dass das Land dies richten soll, was vor allem damit begründet wird, dass das MASGF ja die Gebührensatzungen zu genehmigen hat.

Hier stellt sich vor allem die Frage, was vor der Genehmigung tatsächlich geprüft wird. In der Begründung zum Gesetzentwurf des Landesaufnahmegesetzes haben wir als Gesetzgeber dazu keine Ausführungen gemacht. Aber wir haben dadurch, dass wir das MASGF und nicht das für die kommunalabgabenrechtliche Prüfung zuständige Ministerium des Innern und Kommunales für die Genehmigung zuständig gemacht haben, einen Hinweis gegeben, dahingehend, dass es vor allem um die spezifischen Anforderungen des Landesaufnahmegesetzes geht.

Dementsprechend wäre aus meiner Interpretation nicht jede einzelne Zahl in der Gebührenkalkulation zu prüfen, sondern eine rechtsförmliche Prüfung und eine grundsätzliche Plausibilitätsprüfung der Satzungen vorzunehmen. Ich habe mir dahingehend mal die Beschlussvorlage im Kreistag zur Satzung des Landkreises Oberhavel angesehen, die in der öffentlichen Wahrnehmung als das Negativbeispiel herangezogen wurde, da hier die höchsten Gebühren anfallen, die teils doppelt so hoch sind wie in anderen Landkreisen. Und in der Kalkulation sind mir schon Sachen aufgefallen, die zumindest ein Fragezeichen bei mir hinterlassen. Da wird bspw. mit einer Abschreibung auf Gebäude von zehn Jahren kalkuliert, was die Kosten der kalkulatorischen Miete in einigen Einrichtungen enorm nach oben treibt und was sich auf die Gebührenhöhe natürlich auswirkt. Üblich sind aus meiner Sicht im kommunalen Bereich eher 30 Jahre Abschreibungsdauer auf Gebäude. Auch sind in die Gebühren die Bewachungskosten der Gebäude eingeflossen, die jedoch dem Landkreis durch das Land bereits erstattet werden. Unklar bleibt für mich, ob in die Kalkulation Personalkosten bspw. für die Heimleitung und den Hausmeister eingeflossen sind. Das alles sind Fragezeichen, die es lohnen genauer hin zu schauen.

Und auch die großen Unterschiede in den Gebührenhöhen, bspw. beträgt die Höchstgebühr in Potsdam 225,34€, in Oberhavel ist sie mit 620,78€ fast drei mal so hoch, auch diese Unterschiede sind für mich ein Indiz dafür, dass wir im Ausschuss prüfen sollten, ob die vorhandenen Regelungen ausreichend sind oder ob es zusätzlich einer klareren Definition bedarf, welche Kosten in die Gebührenkalkulation  einzubeziehen sind und wie bspw. mit Abschreibungen umzugehen ist.

Der Antrag selbst verlangt, dass das MASGF eigenständig Anpassungen am Landesaufnahmegesetz und den zugehörigen Verordnungen vornimmt. Ich bin nicht sicher, ob ich den Text richtig verstehe, aber gesetzliche Änderungen kann und darf die Landesregierung nicht vornehmen. Deshalb wäre der Antrag eigentlich abzulehnen.

Jedoch denken wir, dass das Grundanliegen tatsächlich sinnvoll ist. Im kommenden Jahr wird die Evaluation des Landesaufnahmegesetzes stattfinden. Dort werden wir uns anschauen, wie das neue Landesaufnahmegesetz wirkt, ob die Ziele der Gesetzgebung erreicht wurden und wo Probleme oder Regelungslücken bestehen. Aus unserer Sicht sind die Beratungen im Ausschuss dazu die richtige Stelle, um zu prüfen, wie mit dem hier in Rede stehenden Problem umzugehen ist. Deshalb stimmen wir einer Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zu und werden dort den Antrag gemeinsam mit der Novellierung des Landesaufnahmegesetzes  aufrufen.“