Als Nauen traurige Berühmtheit erlangte... - Vor einem Jahr brannte die als Flüchtlingsunterkunft geplante Turnhalle des OSZ Nauen

Als Nauen traurige Berühmtheit erlangte… – Vor einem Jahr brannte die als Flüchtlingsunterkunft geplante Turnhalle des OSZ Nauen

Es gibt Tage im Leben, die vergisst man nicht. Morgen jährt sich ein solcher. Vor einem Jahr brannte die als Flüchtlingsunterkunft geplante Turnhalle des OSZ in Nauen vollständig ab. Ich habe damals einen Bericht hier im Blog veröffentlicht. wie ich diesen Tag erlebt habe. Auf diesen will ich hier verweisen.

turnhalle2Meine erste Reaktion war damals folgende: „Ich bin fassungslos über diese Tat. Das ist rechter Terror, das kann man nicht anders bezeichnen. Ich hoffe, die Täter werden schnell gefasst. Jetzt kommt es darauf an, dass alle gemeinsam – Politik, Medien und Zivilgesellschaft – daran arbeiten, dass ein Klima von Toleranz und Weltoffenheit wieder hergestellt wird. Nur in einem solchen Klima, wo klar ist, dass solche Taten geächtet sind, wird so etwas nicht mehr stattfinden. Die Polizei und die Sicherheitsbehörden werden nicht jede Flüchtlingsunterkunft im Land jederzeit schützen können. Deshalb braucht es eine Zivilgesellschaft, die Flüchtlingen ein gutes Willkommen bereiten will. Die Nauenerinnen und Nauener müssen sich jetzt entscheiden, ob sie in einer von Hass zerfressenen Stadt oder in einer Stadt leben wollen, in der alle gut miteinander klar kommen, egal, woher sie kommen oder wie sie aussehen.“

Und ein Jahr später? Mittlerweile ist die Stimmung in Nauen ruhiger geworden. Das hat einerseits damit zu tun, dass Tatverdächtige für den Brandanschlag und weitere Taten in Nauen, wie bspw. Anschläge auf unser Büro, ein Brandanschlag auf ein Auto eines polnischen Staatsbürgers und ein Anschlag auf die Filiale eines Discounters, ermittelt und festgenommen wurden. Mittlerwele ist Anklage gegen die mutmaßlichen Täter erhoben worden und der Prozess steht unmittelbar bevor. Das hat natürlich die rechte Szene in Nauen verunsichert.Vielleicht ist es dieser Verunsicherung zu verdanken, dass aktuell keine Demonstrationen sogenannter besorgter Bürger stattfinden und auch Angriffe und Pöbeleien gegen Geflüchtete und deren UnterstützerInnen eher Seltenheitswert haben?

Die Festnahmen haben aber auch klar gemacht, dass es sich hier um kriminelle und – auch wenn die Bundeswanwaltschaft das Verfahren nicht an sich gezogen hat – aus meiner Sicht rechtsterroristische Strukturen handelt. Vielleicht ist mittlerweile auch dem einen oder anderen in Nauen klar geworden, dass es sich hier um schwerste Straftaten handelt und ein stillschweigendes Einverständnis oder klammheimliche Freude völlig fehl am Platze sind?

neubau1Die als Ersatz für die Turnhalle in deren Sichtweite errichtete Traglufthalle wurde aufgrund gesunkener Flüchtlingszahlen nie belegt. Der Wiederaufbau der Turnhalle hat mittlerweile begonnen. Im Kreistag waren wir einig, dass dies sehr schnell in Angriff genommen werden muss. Dies wird ca. 4 Millionen Euro Kosten verursachen. Zwar trägt die Versicherung einen goßen Teil dieser, dennoch macht diese Dimension deutlich, welche Werte hier vernichtet wurden. Vom immateriellen Schaden ganz zu schweigen. Mindestens sollte jeder und jedem in Nauen deutlich geworden sein, dass die sinnlose hassgetriebene Vernichtung von öffentlichen Werten Einschränkungen mit sich bringt – den Winter über fehlten im Osthavelland Turnhallenkapazitäten für den Vereinssport, was auch dazu führte, dass Kinderfußballmannschaften den ganzen Winter über im Freien trainieren mussten.

Mittlerweile leben in Nauen ca. 150 Geflüchtete. Sie sind vor einigen Wochen in die neu gebaute und von den Johannitern betriebene Gemeinschaftsunterkunft eingezogen. Das Zusammenleben in Nauen gestaltet sich bisher unproblematisch und eine kleine Willkommensstruktur aus ehrenamtlichen HelferInnen gibt es auch. Dennoch bleibt es dabei, dass die Zivilgesellschaft in Nauen schwach ist. Ich bin froh, dass der Bürgermeister Detlef Fleischmann immer Gesicht gezeigt hat. Auch für die Stadtverordnetender LINKEN und der SPD gilt das. CDU und ländliche Wählergemeinschaft haben die rechten Demonstrationen jedoch ignoriert und sich weggeduckt. Das haben wir bei den vielen Demonstrationen und Kundgebungen erlebt, wo wir in der Regel mit den Kollegen der SPD die einzigen VertreterInnen von Parteien waren, die sich gemeinsam mit der Zivilgeselschaft Fremdenfeindlichket und Hass entgegen gestellt haben. Und auch auf Kreisebene wurde nur gehandelt, wenn es unbedingt notwendig war. Waren wir am 20.4. noch mit einer Resolution gegen Rasismus im Kreistag gescheitert (Bericht hier), konnten sich die Fraktionen nach dem Brand der Turnhalle auf ein Signal einigen. Ansonsten ist aber nicht viel von den Kreistagsabgeordneten beim Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit zu sehen.

Und so bleibt ein fahler Beigeschmack. In Nauen ist viel passiert in diesem einen Jahr, gemeinsam für ein weltoffenes und tolerantes Klima in der Stadt gearbeitet. Bis wir dieses wirklich geshaffen haben, ist es aber noch ein weiter Weg. Aber immerhin: Der Anfang ist gemacht!