Das Versagen der Brandenburger Grünen in der Migrationspolitik

Das Versagen der Brandenburger Grünen in der Migrationspolitik

Fast zwei Jahre ist die Koalition aus SPD, CDU und Grünen im Amt. Nach zehn Jahren rot-roter Landesregierung wurde ein „neuer Politikstil“, eine neue „Kultur des Zusammenhalts“. Nach knapp zwei Jahren ist davon nicht mehr übrig und dies wird in kaum einem anderen Politikfeld so deutlich wie in der Migrationspolitik. Und das liegt – leider muss man sagen – vor allem auch am Agieren der Grünen in dieser Koalition.

Erinnern wir uns kurz an das Jahr 2015: Viele Geflüchtete kamen auch nach Brandenburg. In einer gemeinsamen Kraftanstrengung schafften es Land und Kommunen, die Menschen gut unterzubringen und zu versorgen. Tausende ehren- und hauptamtlich Engagierte schufen eine Kultur des Ankommens und Willkommens. Das Land setzte – und da waren sich alle demokratischen Fraktionen im Landtag einig – auf gute Integrationsstrukturen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mit ausreichend Unterstützung ein eigenständiges Leben in Brandenburg aufzubauen.

Dazu wurden seitens des Landes die Standards bei Unterbringung und Versorgung verbessert und es wurde eine in Deutschland einzigartige Struktur der Migrationssozialarbeit geschaffen. Neben der Sozialarbeit in den Unterkünften (unterbringungsnahe Mitgrationssozialarbeit) gibt es die Migrationssozialarbeit als Fachberatungsdienst, das sind landesweit 42 Stellen, die die Sozialarbeiter*innen in den Einrichtungen unterstützen und Beratung für das Asylverfahren und aufenthaltsrechtliche Fragestellungen geben. Beide Strukturen kümmern sich vor allem um Geflüchtete, die noch im Verfahren sind oder als Geduldete in Brandenburg leben. 

Da die Asylverfahren jedoch stark beschleunigt wurden und immer mehr Geflüchtete sehr schnell in die Regelsysteme wechselten, diese jedoch nur unzureichende Möglichkeiten der Beratung und Integration in Bildung und Arbeitsmarkt bieten, wurde ein weiteres Instrument geschaffen, das sich vorrangig um die Integration derjenigen, die dauerhaft in Deutschland bleiben werden, kümmern soll. Das ist die Migrationssozialarbeit II. Auf diese haben die Geflüchteten bis zu drei Jahre nach Anerkennung Anspruch. Das Land zahlt dafür den Landkreisen und kreisfreien Städten eine Pauschale und diese können die darüber finanzierten Stellen flexibel einsetzen, eben gerade dort, wo der Bedarf besteht. Die aktuell etwa 210 Stellen sind in der Arbeitsmarktintegration, in Frauenhäusern, an Schulen, in der Beratung usw. eingesetzt. 

Schon im vergangenen Jahr gab es den Versuch seitens der Landesregierung, die Migrationssozialarbeit II abzuschaffen. Das ist aufgrund des großen Widerstands der Träger und Kommunen nicht gelungen und so kam es zur Verlängerung im ein Jahr. Auch für das kommende Jahr strebten CDU und SPD eine Abschaffung an. Das konnte immerhin abgemildert werden und so wird „nur“ die Anspruchsberechtigung auf zwei Jahre verkürzt, was faktisch eine Verringerung der Stellen um ein Drittel entspricht, und es erfolgt wieder keine Verstetigung sondern lediglich die Fortführung für zwei Jahre. Das feiert die grüne Integrationsministerin als großen Erfolg, der sicherstelle, dass die MIgrationssozialarbeit II „nahtlos fortgesetzt“ werden könne. 

Moment mal, eine Integrationsministerin feiert Einschnitte bei der Integration? Ja genau. Es kommt aber noch schlimmer: Machen die Einschnitte bei der Migrationssozialarbeit II „nur“ etwa 4,1 Mio. Euro aus, geht der Kahlschlag bei der Integration noch viel weiter: Das Integrationsbudget in Höhe von 9,6 Mio. Euro wird ganz abgeschafft. Dies war ein Instrument, das ebenfalls unter der rot-roten Koalition geschaffen wurde, um die Kommunen in die Lage zu versetzen, vor Ort Integrationsmaßnahmen zu ergreifen. Im Landesaufnahmegesetz als Integrationspauschale für drei Jahre festgeschrieben, sollte es erprobt und bei Erfolg verstetigt werden. Die Landkreise und kreisfreien Städte erhielten pro Flüchtling (bis zu drei Jahre nach Anerkennung) 300 Euro pro Jahr pauschal zugewiesen. Daraus wurden neben Projekten zur Förderung der Integration auch Stellen bspw. in der Schulsozialarbeit an Schwerpunktschulen und Kitas, in der Arbeitsmarktintegration und beim Quartiersmanagement geschaffen.

Im vergangenen Jahr hat die Koalition diese gesetzliche Leistung bereits aus dem Gesetz herausgenommen und ein. Förderprogramm daraus gemacht. Die Förderrichtlinie war ein bürokratisches Monster und kam auch erst im März – verbunden mit dem Hinweis, dass die Förderung voraussichtlich im kommenden Jahr auslaufen werde. Dies hat bereits in diesem Jahr den sinnvollen Einsatz der Mittel erschwert, ist Integration doch kein schnelles Rennen sondern eher ein Marathon und da braucht es Instrumente, die langfristig greifen. 

Und so war (wie von uns LINKEN befürchtet) der Schritt von der gesetzlichen Leistung zum Förderprogramm der erste Schritt zur Abschaffung. Im vergangenen Jahr pries die Integrationsministerin dies als bessere Steuerungsmöglichkeit für das Land. In diesem Jahr schweigt sie dazu. Wenn so wichtige Strukturen in der Integration  zerschlagen werden, würde man doch eigentlich meinen, die Integrationsministerin müsste Sturm laufen? Und wenn sie dazu nicht in der Lage ist, müsste doch zumindest die grüne Fraktion oder die grüne Partei auf den Barrikaden sein? Ich muss enttäuschen: nein, stattdessen herrscht dröhnendes Schweigen. 

Der Widerstand gegen diesen Kahlschlag in der Integration in Brandenburg kommt stattdessen derzeit von sozialen Trägern, Wohlfahrtsverbänden und Kommunen. Von den Grünen aber ist nichts zu vernehmen, außer das oben erwähnte Abfeiern der angeblichen Rettung der Migrationssozialarbeit II durch die Integrationsministerin, versteht sich. Das mutet grotesk an, angesichts des Kahlschlags bei den Integrationsstrukturen im Land. Bei Lichte betrachtet ist es aber nicht grotesk, sondern die Konsequenz eines anderen Umstands: der absoluten Profillosigkeit der Grünen in dieser Landesregierung und dieser Koalition.

Bisher verfügt die grüne Fraktion nicht über den nötigen Biss, SPD und CDU irgendetwas entgegenzusetzen. Und ihre zwei Minister*innen, mühen sich zwar redlich, haben aber bisher keinerlei Erfolgte vorzuweisen. Zudem ist die Sozial-, Gesundheits- und Integrationsministerin massiv angeschlagen durch das von ihr fabrizierte Chaos bei Impfungen, Quarantänezahlungen usw. Eine politische Linie war nie zu erkennen und so sind die Grünen in der Kenia-Koalition nicht etwa das sozial-, integrations- oder umweltpolitische Korrektiv sondern bestenfalls die Verkünderinnen der Zumutungen in diesen Politikbereichen. 

Doch dieser Befund rechtfertigt sicher noch nicht die Überschrift, in der ich von einem Versagen in der Migrationspolitik spreche. Denn Migrationspolitik ist nicht nur Integration sondern auch der gesamte Bereich der Ein- und Ausreise, der Erstaufnahme und der Umgang mit Geflüchteten, die das Land wieder verlassen müssen. 

Da hätten wir in der Bestandsaufnahme auf der Positivseite ein neues Aufnahmeprogramm für religiöse Minderheiten, das jedoch noch nicht angelaufen ist. Allerdings gleichzeitig das Zusammenkürzen des bestehenden Aufnahmeprogramms für vom IS verfolgte Yezidinnen. Ansonsten gibt es vor allem Bekenntnisse:  Afghanische Ortskräfte aufnehmen aber keine Vorstellung davon haben, wie deren Integration gewährleistet werden kann zum Beispiel. Aber wo waren die Grünen, als noch im Juli (!) In Verantwortung der Landesregierung nach Afghanistan abgeschoben wurde (und das war nicht die erste Abschiebung nach Afghanistan unter grüner Regierungsbeteiligung)? Wo sind die grünen Initiativen für eine bessere Ausnutzung der Spielräume des Aufenthaltsgesetzes bei guter Integration (§§25 a und b AufenthG), wie von der Zivilgesellschaft seit Monaten gefordert? Wo ist der grüne Protest, wenn im Haushalt für das kommende Jahr bei der zentralen Ausländerbehörde die Mittel für Beratungsleistungen gekürzt und die für Abschiebungen erhöht werden? 

Und vor allem, was sagen die Grünen eigentlich zu den jüngst bekannt gewordenen Plänen des Innenministeriums, in Schönefeld ein neues Abschiebedrehkreuz für Deutschland entstehen zu lassen? Ein Musterprojekt der EU-Abschottungspolitik mit besten Bedingungen für Sammelabschiebungen auf 4,4 ha mit Ausreisegewahrsam, Flughafenasyl, Abschiebungsabfertigung, Tiefgarage und Tunnel. Mit Investitionskosten von mindestens 100 Mio. Euro. Hier sollen 200 Arbeitsplätze entstehen, mindestens 35 zusätzliche Stellen aus Brandenburg und damit einer dauerhaften Belastung des Landeshaushalts für Jahrzehnte (für Personal- und Mietkosten!). Und was sagen die Grünen? Ihre Landesvorsitzende Julia Schmidt teilt mit, da dürfe aber keine Abschiebungshafteinrichtung entstehen. Ansonsten: Schweigen. Dass das Problem mit einer solchen Einrichtung ggf. nicht nur darin besteht, ob dort ein neuer Abschiebeknast entsteht oder nicht, scheint entweder bei den Grünen nicht verstanden zu werden, oder es ist ihnen egal. Dass ein solches Projekt heimlich am Landtag und den Koalitionspartnern vorbei geplant wurde, sorgte ebenfalls für null öffentliche Reaktionen bei den Grünen in Brandenburg.

Und so bleibt mir nur festzustellen, dass in der Migrationspolitik in Brandenburg unter grüner Regierungsbeteiligung ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat: weg von gemeinsamer Arbeit mit Ehrenamtlichen, Trägern und Kommunen für eine gute Unterbringung, Versorgung und der Schaffung von Lebensperspektiven hin zur Unterstützung einer restriktiven Abschottungspolitik, die auf Abschreckung setzt. Und genau darin besteht das grüne Versagen in der Migrationspolitik in Brandenburg.