Eine Nachtschicht mit der Polizei im Havelland

Eine Nachtschicht mit der Polizei im Havelland

Bereits im vergangenen Jahr habe ich eine Schicht bei der Polizei im Havelland mitgemacht, um mich direkt vor Ort über Polizeiarbeit n Brandenburg zu informieren und zu erfahren, was die Kolleg*innen umtreibt. Einen Bericht dazu hatte ich hier im Blog veröffentlicht. Damals habe ich versprochen, in diesem Jahr wieder zu kommen und so war es am Samstagabend soweit: Ich meldete mich pünktlich kurz vor 18 Uhr zu meiner diesjährigen Hospitation – Nachtschicht von 18 bis 6 Uhr.

In der Wache wurde ich freundlich begrüßt und wir stellten uns erst einmal vor, beschnupperten uns ein wenig und besprachen den Ablauf. Die grobe Planung war, in die Region Rathenow zu fahren und hier vor allem das Stadtfest in Premnitz im Blick zu behalten. Auch eine Party in Rathenow war im Vorfeld bekannt geworden und die erfahrenen Kollegen wollten diese ein wenig im Blick behalten. Also, Schutzweste an und los ging es auch schon. Die Fahrt nach Rathenow dauert von Nauen aus ca. 45 Minuten und da sind wir schon bei einem der Probleme, die der Polizei im Havelland das Leben nicht ganz leicht machen: Die Fläche. Werden wegen besonderer Einsätze, überraschenden Situationen oder einfach, weil viel los ist, mehr „Einsatzmittel“ – also Funkwagen –  in einer Region des Havellands benötigt, als ursprünglich eingeplant, dauert es eine halbe bis eine Stunde, bis die Verstärkung vor Ort ist. Das heißt für die Bürger*innen manchmal etwas länger warten zu müssen, gleichzeitig ist es aber auch für die Kolleg*innen Stress. Und für die Landespolitik heißt es, den Flächenfaktor bei der Berechnung der notwendigen Einsatzittel stärker zu berücksichtigen.

Die beiden Kollegen, mit denen ich unterwegs war, gaben mir die ganze Zeit das Gefühl, dazu zu gehören. Ich fühlte mich gar nicht so richtig wie eine Hospitantin. Und gleichzeitig beantworteten sie den Abend über alle meine Fragen, erklärten mir den interaktiven Funkwagen mit allerhand technischem Equipment, das den Einsatzkräften das Leben erleichtert, erklärten mir den Digitalfunk und wie die Funksprüche zu verstehen sind und erläuterten Abläufe, Regeln und einfach alles, was ich wissen wollte.

In Rathenow angekommen fuhren wir kurz bei der Wache vorbei und ich konnte mir von den Arbeitsbedingungen hier ein Bild machen. Die Wache selbst ist recht groß, hell, mit viel Glas, was Transparenz signalisieren soll. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das manchmal auch für die, die dort arbeiten, ein wenig zu viel des „Gesehen werdens“ ist. Auch hier ein freundlicher Empfang, Austausch über die aktuellen Einsätze und was der Abend noch so bringen könnte.

Wir waren dann eigentlich die ganze Zeit unterwegs. Beim Stadtfest in Premnitz, einmal am frühen Abend und dann später noch einmal, zwischendurch wurde eine vermisst gemeldete Person gesucht. Der Zufall wollte es, dass genau diese Person uns auf der Suche nach der Meldeadresse den Weg wies und wir dann bei deren Eintreffen merkten, dass dies der vermisste Mensch ist. Besagte Party wurde ebenfalls zwei mal angesteuert, zwischendurch eine Ruhestörung, wo vor Ort nichts zu hören war, ein Verdacht auf Drogenhandel, der sich nicht bestätigte. Ich kann den Ablauf gar nicht mehr genau rekonstruieren, zu viel an Informationen kam zusammen und änderte sich ganz schnell wieder.

Das muss auch jemand koordinieren. In der Wache in Nauen saß die ganze Zeit eine Kollegin, die alles im Blick hatte und gemeinsam mit dem Lagezentrum in Potsdam die Wagen zu den Einsatzorten dirigierte, Informationen beschaffte und gegenprüfte, den Dienstgruppenleiter über Änderungen informierte, Anrufe von Bürger*innen annahm und einfach irgendwie alles tat, was nötig war, um alle Einsätze abzuarbeiten. Dabei wird priorisiert. Schwere Straftaten werden anders gewichtet als nicht so schwere, bereits gelaufene Sachen haben eine andere Priorität als Dinge, die aktuell laufen und wo man ggf. auch noch Tatverdächtige stellen kann, auch wenn Personen gefährdet sind wird das dringlicher behandelt als Sachschäden usw. Ich habe mich später in der Nacht eine Weile neben diese Kollegin gesetzt und zugeschaut, was sie tut. Und obwohl das zu einer Zeit war, wo lange nicht mehr so viel los war, wie in den Abendstunden, gab es kaum eine Minute, wo sie nicht etwas zu tun hatte. Was für eine anstrengende Aufgabe. 12 Stunden volle Konzentration und Stress pur und dabei immer schön freundlich bleiben… Hut ab, das muss man erst mal hinkriegen!

Doch zurück zu uns. Nachdem wir ein zweites Mal bei dem Fest in Premnitz waren, wo übrigens ein Polizist bei einer Widerstandshandlung verletzt wurde, nahmen wir dort noch einen Unfall auf. Das war ein wenig seltsam, da die Aussagen der Beteiligten so gar nicht zueinander passen wollten. In der Situation ging mir ein weiteres Mal auf, dass Polizeiarbeit ganz viel mit Menschenkenntnis, Fingerspitzengefühl und Psychologie zu tun hat. Danach ging es zur Rettungsstelle, wo Kolleg*innen unterstützt werden mussten, einen Betrunkenen in Gewahrsam zu nehmen. Mit diesem ging es dann auch zurück nach Nauen. Und anlässlich dessen lernte ich auch noch die Regeln für den Polizeigewahrsam kennen.

In Nauen – es war mittlerweile wahrscheinlich so gegen 2.30 Uhr – merkte ich, dass die Pausen sich bisher in Grenzen gehalten hatten. Die Kolleg*innen bestätigten mir dann auch, dass Pausen an Tagen, an denen viel los ist, eher spontan mal für ein paar Minuten eingelegt werden. Und wenn ein wichtiger Einsatz dazwischen kommt, dann muss die Wurst auch mal kalt gegessen werden.

Auch in Nauen und Umgebung dominierten in dieser Nacht die Ruhestörungen. Dennoch war es später möglich, dass ich mit einem Kollegen noch nach Falkensee fahren konnte, um mir dort den Neubau der Wache in Falkensee zeigen zu lassen. Der Neubau soll Mitte Oktober fertig sein und was ich so sehen konnte, scheint mir der Zeitplan realistisch zu sein. Ab diesem Zeitpunkt wird die Polizeiinspektion Havelland in Falkensee beheimatet sein, ein Teil der Aufgaben, die aktuell in Nauen erledigt werden, sind dann in Falkensee angesiedelt.

Auf dem Rückweg von Falkensee – so gegen 4.30 Uhr – kam die Nachricht, dass in Nauen Unterstützung benötigt wird. Einige Menschen hatten etwas länger im Freien gefeiert und Anwohner hatten sich beschwert. Bei diesem Einsatz konnte ich nachvollziehen, welchen Anfeindungen und verbalen Angriffen Polizist*innen ausgesetzt sind. Die durchaus extrem betrunkenen Menschen wollten nicht nach Hause gehen und machten ihrem Ärger heftig verbal und körperlich Luft.

Als wir gegen 5.15 Uhr zurück in der Inspektion waren, traf langsam die Tagschicht ein. Übergabe der noch offene Einsätze, Berichte wie die Nacht war, letzte Berichte, die in der Nacht noch nicht fertig geworden waren, schreiben… Kurz vor 6 Uhr habe ich mich dann verabschiedet, vor allem um nicht weiter im Weg herum zu stehen. Als ich zu Hause war musste ich erst einmal runter kommen und konnte nicht sofort schlafen. 12 Stunden Nachtschicht sind ganz schön hart. Ich weiß nicht, ob man sich daran gewöhnt, ich bin mir aber sicher, dass Schichtdienst insgesamt und dann noch mit solchen Anforderungen, über die Jahre eine extreme Belstatung darstellt.

Mein kurzes Fazit ist: Ich habe – wie im letzten Jahr auch – erleben können, was für eine anspruchsvolle Tätigkeit es ist, als Polizist im Wach- und Wechseldienst tätig zu sein. Ganz viel Freundlichkeit, Fingerspitzengefühl und Geduld wird ebenso benötigt wie psychologische Kenntnisse. Es braucht Empathie und gleichzeitig Härte, körperliche Fitness und Schnelligkeit. Jeder Einsatz kann eine unberechenbare Wendung nehmen, jederzeit kann etwas passieren, womit niemand rechnet. Und – auch wenn die meisten Menschen der Polizei mit Freundlichkeit und Respekt begegnen – es kann jederzeit zu verbalen und körperlichen Attacken kommen. Ich habe extremen Respekt vor dem, was die Kolleginnen und Kollegen jeden Tag leisten.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen für diesen Einblick in ihren Arbeitsalltag. Ich habe sehr viel über die Polizeiarbeit und über die täglichen Anforderungen gelernt. Und ich freue mich schon jetzt darauf im nächsten Jahr wieder zu kommen!