Können wir das schaffen? – Yo, wir schaffen das!
Aktuell wird viel darüber geredet, ob Frau Merkel mit ihrem Satz „Wir schaffen das!“ in Bezug auf die große Herausforderung der Unterbringung, Versorgung und Integration der zu uns flüchtenden Menschen, Recht hat.
Immer, wenn ich Beiträge zu dieser Debatte höre oder lese, fühle ich mich an eine Fernsehserie erinnert, die mein Sohn als er klein war, gern geschaut hat: Bob der Baumeister. Bob und seine Freundin Wendy stehen immer wieder vor besonderen, neuen, noch nicht da gewesenen Aufgaben, von denen man eigentlich glaubt, dass die beiden und ihr Team aus diversen Baumaschinen sie nicht bewältigen können. Und dann fragt Bob sein Team: „Können wir das schaffen?“ Und das Team antwortet: „Yo, wir schaffen das!“ Und dann beginnt das Planen, wie man das bewältigen kann und wenn der Plan steht, folgt ein intensives Gewusel, jede Baumaschine macht das, was sie am besten kann und gelernt hat, alle arbeiten hart, manchmal passieren auch Fehler und kleinere oder größere Katastrophen, und manchmal geraten auch zwei aneinander und vertragen sich wieder, es gibt auch mal Störungen von außen, wenn einer nicht klar kommt hilft ein anderer und alle ziehen an einem Strang und versuchen gemeinsam auf das Ziel hinzuarbeiten. Am Ende – dafür ist es dann auch eine Kinderserie – steht immer der Erfolg und die eigentlich unlösbare Aufgabe ist bewältigt. Alle haben es gemeinsam geschafft.
Nun ist das Leben kein Kinderfilm und die Gesellschaft kein Team aus Baumaschinen. Und dennoch muss ich aktuell häufig an den Satz „Yo, wir schaffen das!“ denken. Die große, unlösbar scheinende Aufgabe ist die Unterbringung, Versorgung und Integration der zu uns flüchtenden Menschen. Frau Merkel hat nicht gefragt, ob wir das schaffen, sondern mit ihrem Satz „Wir schaffen das!“ klar gemacht, dass wir alle gemeinsam die Herausforderung annehmen müssen. Nun braucht es einen Plan. Den gibt es bisher nur zum Teil. Das ist richtig. Und dennoch gibt es das Team, das es braucht, um die Aufgabe zu lösen: Die Politik, die Verwaltung, die Zivilgesellschaft – uns alle. Und wenn jetzt jeder das macht, wofür er da ist und was er am besten kann, dann wird immer noch einiges schief gehen und wir werden auch Fehler machen, wir werden uns streiten um den richtigen Weg und wir werden einander helfen müssen, wenn es mal nicht weiter geht. Und es wird Störungen geben, von denen, die nicht mitmachen wollen. Aber wenn wir uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen, uns nicht vorwerfen, was der andere hätte anders machen müssen und wir einfach alle unseren Job machen anstatt und über Zuständigkeiten zu streiten, nun, dann können wir das schaffen. Weniger lamentieren, was alles nicht geht und mehr ausprobieren, was geht, das hilft uns aktuell wirklich.
Und es gibt diejenigen, die genau das bereits tun: Die vielen Ehrenamtlichen vor Ort, die jeden Tag das Nötige tun, um den zu uns geflüchteten Menschen beim Ankommen zu helfen, das Notwendige organisieren und besorgen, Spenden sammeln, Willkommensfeste vorbereiten, Sprachkurse durchführen, einspringen, wenn es irgendwo hakt und einfach da sind, wenn sie gebraucht werden. Die Hilfsorganisationen und freien Träger, die in kürzester Zeit die Strukturen aufbauen, um Unterkünfte zu betreiben und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schuften, um Versorgung und Betreuung zu organisieren. Die Verwaltungen in Kreisen und Kommunen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles versuchen, den Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft zu besorgen, die versuchen die verschiedenen Akteure zu koordinieren und Integration in Bildung und Arbeit zu ermöglichen. Die Vereine vor Ort, die Refugees aufnehmen und in die Arbeit integrieren, die kommunalen und privaten Vermieter, die Wohnraum bereit stellen, die Unternehmen, die versuchen Arbeit und Ausbildung zu geben, die Schulen und Kitas, die den Kindern mit großem Engagement Sprache beibringen und sie in den Alltag integrieren.
Integration – und das ist die große Aufgabe, der wir uns gerade gemeinsam stellen – findet statt. Jeden Tag, überall in diesem Land! Diese Aufgabe ist eine gesamtgesellschaftliche, wir alle müssen uns dieser stellen und an einem Strang ziehen. Es hilft uns nicht, über angebliche „Aufnahmekapazitäten“ und willkürliche „Obergrenzen“ zu lamentieren. Die Fluchtbewegung, die gerade stattfindet, haben wir selbst mit verursacht: durch unser Konsumverhalten, wo das „billig“ wichtiger ist als das „wie, von wem und unter welchen Bedingungen“ wurde es hergestellt; durch unsere wirtschaftlichen Interessen, die überall auf der Welt mit Hilfe internationaler Konzerne ganzen Regionen und Ländern die Lebensgrundlagen entziehen; durch unsere Kriege, mit denen wir wirtschaftliche Interessen unter em Deckmantel der Terrorismusbekämpfung durchsetzen; durch unsere Waffenexporte, mit denen deutsche Firmen massig Geld verdienen und die am Ende eben doch dazu führen, dass mit diesen Waffen Menschen ermordet werden und auch mit unserer ökologischen Bilanz, die den Klimawandel vorantreibt und für Wetterextreme sorgt, die Jahrhunderte gewachsene Ökosysteme zerstört. All dies sind die Ursachen dafür, das Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Und all dies haben wir mit verursacht.
Wir können natürlich versuchen, uns den Folgen zu entziehen. Europa und auch Deutschland versucht das seit vielen Jahren durch Abschottung und Abschreckung. Allein, das wird nicht helfen. Wir können die Mauern und Zäune noch höher bauen. Wir können die Leistungen einschränken und das Asylrecht verschärfen. Den Menschen, die flüchten müssen, wird all dies herzlich egal sein. Wem das Haus weggebombt wurde, wer Angst um das Leben seiner Kinder hat, wer durch Afrikas Wüste gegangen und das Mittelmeer überquert hat, wird sich von Leistungseinschränkungen und Zäunen nicht abhalten lassen. Die Menschen kommen zu uns und der allergrößte Teil von ihnen hat dafür gute Gründe. Wir können davon ausgehen, dass deutlich mehr als die Hälfte derjenigen, die aktuell zu uns kommen, auf Dauer bei uns bleiben wird. Und deshalb tun wir gut daran, zu verstehen, dass dies Menschen sind, die zwar erst einmal unsere Hilfe brauchen, die aber vor allem hoch motiviert sind, für sich und ihre Familien eine Lebensperspektive aufzubauen.
Natürlich wird sich Brandenburg, wird sich Deutschland dadurch verändern. Und das wird auch gewisse Auswirkungen auf unser aller Leben haben. Veränderungen machen Angst und verunsichern. Das ist völlig normal. Und gleichzeitig bieten Veränderungen auch immer Chancen und neue Perspektiven: kulturell, wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. Und diese Perspektiven können und müssen gestaltet werden,.
Um wieder auf Bob der Baumeister zurück zu kommen: Ich wünsche mir, dass wir alle in der aktuellen Situation unseren Job machen, weniger danach fragen, ob wir diese große Herausforderung der Unterbringung, Versorgung und Integration der Asylsuchenden stemmen können sondern wir vielmehr gemeinsam darüber reden, wie wir diesen Prozess gestalten und die Ärmel hochkrempeln und es einfach gemeinsam tun. Die Zivilgesellschaft ist da in weiten Teilen bereits weiter als die Politik. Und ich ärgere mich wirklich, wenn Politik sich vor allem darum kümmert, sich alles mögliche auszudenken, wie man Flüchtlinge möglichst schnell wieder los wird und lieber gesellschaftliche Stimmungen gegen Flüchtlinge anheizt, anstatt die aktuelle Herausforderung anzunehmen.
Politik ist gefordert, einerseits die Fluchtursachen zu bekämpfen, damit wenigstens mittel- und langfristig niemand mehr gezwungen ist, den Ort, an dem er am liebsten leben will – sein Zuhause – zu verlassen. Und andererseits ist Politik gefordert, die Rahmenbedingungen hier bei uns im Land und vor Ort zu gestalten und zu verbessern. Das ist unser Job als Politikerinnen und Politiker! Und der ist gerade in dieser Situation – ebenso wie für alle anderen Akteure – nicht gerade leicht: Wir müssen die Bedingungen schaffen, mit denen neben der Unterbringung die Integration in Bildung, Ausbildung und Arbeit gelingt, wir müssen die Jugendhilfe stärken, um den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gerecht zu werden, wir müssen politische und gesellschaftliche Teilhabe für die zu uns Kommenden organisieren und die seit Jahren bestehende Probleme bei der Wohnungssituation und der Mobilität apacken.
Es geht um nicht weniger als allen – denjenigen, die hier leben wie auch denjenigen, die zu uns kommen – Lebensperspektiven zu eröffnen. Und damit haben wir als Politikerinnen und Politiker wahrlich genug zu tun! Und wenn wir genau dies tun, können wir, gemeinsam mit den vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren, mit den Verwaltungen, Vereinen, Verbänden, den Bildungseinrichtungen und den Unternehmen, also mit unserem Team, voller Hoffnung auf die Frage von Bob dem Baumeister antworten: „Yo, wir schaffen das!“