Bericht von der Veranstaltung "Burka, Niqab, Kopftuch - Bekleidungsvorschriften im Spannungsfeld von Religion, Emanzipation und Islamfeindlichkeit"

Bericht von der Veranstaltung „Burka, Niqab, Kopftuch – Bekleidungsvorschriften im Spannungsfeld von Religion, Emanzipation und Islamfeindlichkeit“

burka2Diese Woche ist die Woche der tollen Veranstaltungen. Zu „Burka, Niqab, Kopftuch – Bekleidungsvorschriften im Spannungsfeld von Religion, Emanzipation und Islamfeindlichkeit“ habe ich mit zwei tollen muslimischen Frauen, Feride Aktas und Gülhanim Karaduman-Cerkes (beide von der Sehitlik-Moschee in Berlin) diskutiert. Die Veranstaltung wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft LINKE Frauen und de Facharbeitsgemeinschaft Flucht und Migration der LINKEN Brandenburg organisiert. Die Idee dazu war entstanden, als die LINKEN Frauen während eines Treffens eine intensive Debatte über das Für und Wider eines Verbots der Vollverschleierung führten und feststellten, dass sie gern mehr über die Problematik wissen wollen.

Die Debatte um religöse Bekleidungsformen ist im Sommer in ganz Deutschland intensiv geführt worden. Da war einerseits die Diskussion um ein Burka-Verbot, die durch die CDU-Innenminister (übrgens alles Männer) unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung ausgelöst wurde, als islamistische Männer Terroranschläge auch in Deutschland verübten. Persönlich finde ich es immer noch unfassbar, dass den CDU-Männern zur Bekämpfung von durch andere Männer begangene Straftaten einfällt, dass man Frauen vorschreiben müsse, was sie anzuziehen haben. Dennoch wurde diese Diskussion breit aufgenommen und fand wohl auch unter dem Vorzeichen islamfeindlicher Tendenzen breiten Widerhall.

Nahezu parallel dazu fand die Debatte um Burkinis statt. In einer Brandenburger Therme wurden muslimische Frauen aufgefordet, künftig mit anderer Badebekleidung zu erscheinen, da sich andere Badegäste gestört fühlten. Wohlgemerkt: Es gibt keine hygienischen Gründe dafür, die Bukinis bestehen aus dem gleichen Stoff wie Badeanzüge oder Bikinis. Auch diese Debatte hat mich persönlich tief getroffen. Wurden Frauen vor einigen Jahren in Deutschland noch kritisiert, wenn sie zu wenig anhatten (Stichwort Miniröcke), will man ihnen nun als vorschreiben, weniger anziehen zu sollen.

Und die dritte Debatte in diesem Zusammenhang war die Diskussion um Kopftücher in der öffentlichen Verwaltung. Ausgelöst wurde diese durch die Kündigung einer Praktikantin, die im Rathaus dolmetschen sollte, und die sich weigerte, bei dieser Aufgabe das Kopftuch abzulegen. Es wurde sehr breit diskutiert, ob religiöse Glaubensbekenntnisse im öffentlichen Dienst möglich sind oder nicht. Ich persönlich denke, dass ein generelles Kopftuchverbot in öffentlichen Verwaltungen nicht angezeigt ist, es allerdings Bereiche gibt, in denen es keine Glaubensbekenntnisse geben sollte, bspw. bei der Polizei, beim Justiz- oder Lehrpersonal.

Alle drei Diskussionen waren dadurch gekennzeichnet, dass sie einerseits immer auch als Stellvertreterdebatte für den Umgang mit dem Islam fungierten und andererseits die Betroffenen, also die muslimischen Frauen, nicht zu Wort kamen und nicht gehört wurden.

Und genau das wollten wir an diesem Abend ändern. Deshalb haben wir zwei muslimische Frauen eingeladen.

burkaFeride Aktas ist eine junge Frau, die den Hidschab – also das Kopftuch – nicht in der Öffentlichkeit sondern nur zu bestimmten Anlässen und teilweise auf Reisen trägt. Gülhanim Karaduman-Cerkes dagegen bedeckt sich immer mit dem Hidschab.

Frau Aktas beschrieb zuerst die religiöse Bedeutung der Bedeckung im Islam. Sie machte deutlich, dass die Bedeckung sowohl eine spirituelle als auch eine nach außen gerichtete Bedeutung habe. Nach Mehrheitsmeinung im Islam sollen Hände und Gesicht mit bedeckt werden, weshalb Niqab (Vollverschleierung bei der die Augen zu sehen sind) und Burka (auch die Augen sind nicht zu sehen) auch innerhalb des Islam umstritten seien.  Bspw. sei es in Mekka verboten, die Kaaba völlig verhüllt zu umschreiten.

Sie verblüffte die Anwesenden mit der Aussage, sie selbst sei noch nicht stark genug, den Hidschab in der Öffentlichkeit zu tragen. Es bedürfe sehr viel Mut, dies zu tun, weil die Frauen dadurch, vor allem in der westlichen Welt, nicht mehr als Personen mit denen man auf Augenhöhe redet, wahrgenommen würde. Hidschab tragendenFrauen seien Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt, denen sie sich noch nicht gewachsen fühle. Sie bewundere jedoch die Frauen, die den Hidschab tragen und strebe das in der Zukunft auch für sich selbst an.

Frau Karaduman-Cerkes bestätigte diese Sichtweise und gab einige Beispiele, wie Hidschab tragenden Frauen, bspw. bei de Job- oder Wohnungssuche benachteiligt würden. Sie berichtete, dass bei Frauen mit Kopftuch oft unterstellt würde, sie könnten kein Deutsch. Sehr humorvoll berichteten sie von Erlebnissen, die diese Sichtweise unterstrichen.

Bei der Frage nach dem Frauenbild des Islam betonten sie, dass in dieser Religion Frauen und Männer einander gleichgestellt seien und der Frau grundsätzlich eine sehr hohe Wertschätzung entgegen gebracht würde. Die mit dem Islam verbundenen Vorurteile, er sei frauenfeindlich und die Männer würden die Frauen unterdrücken, hätten nichts mit der Religion als solche zu tun sondern seien vielmehr kulturell teils über Jahrhunderte gewachsene Haltungen, die sich auch je nach Region unterschieden. Vielmehrsei der Islam in der Zeit seiner Entstehung die erste Relegion im arabischen Raum gewesen, die die Gleichwertigkeit von Frau und Mann betonte.

Beide Frauen betonten, dass sie selbst in ihrer Gemeinde dagegen ankämpfen, wenn sie erleben, wie Frauen durch Männer in ihren Rechten eingeschränkt werden. Frau Atas betonte, dass es natürlich auch Männer gäbe, die ihre Frauen zwingen, den Hidschab zu tragen. Jedoch sei religiöser Zwang kein Mittel des Islam und deshalb abzulehnen. Ihr wäre wichtig, dass die Fraue selbst entscheiden, ob sie sich bedecken wollen oder nicht. Dazu seien Verbote nicht geeignet sondern es gehe vielmehr darum, die Frauen in ihren Rechten, bspw. durch Beratung zu stärken.

Ich glaube, für alle Anwesenden waren die Erzählungen und Berichte der beiden Frauen sehr eindrucksvoll und haben das Verständnis für muslimische Frauen und ihr Denken und Fühlen geweckt. Es war deshalb eine richtige Entscheidung, muslimische Frauen zu Wort kommen zu lassen!

burka3Musikalisch umrandet wurde der Abend übrigens von der Band Yalanjee (das ist der Name für eine Speise, bei der Reis in Weinblätter gewickelt wird). Diese hat sich in einer Flüchtlingsunterkunft in Kremmen kennen gelernt.

Zum Abschluss der Veranstaltung gab es ein kleines multikulturelles Buffet, bei dem vertiefende Gespräche zu einzelnen Bereichen stattfanden.
Also kurz: es war ein ganz toller Abend!
Übrigens: In den kommenden Tagen stellen wir den Mitschnitt der Veranstaltung ins Netz. Das verlinke ich dann natürlich hier!

 

Update 10.10.2016:

Claudia Sprengel hat über die Veranstaltung einen Artikel geschrieben, den ich hier natürlich nicht vorenthalten will:

Mit dem Kopftuch kommen die Vorurteile

Diskussionsrunde zum Burkaverbot im Lothar-Bisky-Haus

Die Landesarbeitsgemeinschaft Flucht und Migration, sowie die LAG LINKE Frauen lud zur Debatte „Burka, Niqab, Kopftuch – Bekleidungsvorschriften im Spannungsfeld von Religion, Emanzipation und Islamophobie“ ins Lothar-Bisky-Haus ein.  Andrea Johlige, (DIE LINKE), Feride Aktas und Gülhanim Karaduman-Cerkes (beide Sehitlik-Moschee) bildeten das Podium.

Anlass der Veranstaltung, so betonte Johlige (Sprecherin für Asylpolitik der Fraktion DIE LINKE im Landtag), sei, dass die Debatte um religiöse Bekenntnisse zwar auf Hochtouren läuft, diese aber in der Regel nicht mit den betroffenen Frauen geführt wird. Dabei seien auch in der LINKEN oft Unsicherheiten vorhanden, wie bspw. mit Rufen nach dem Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit oder dem Kopftuch in öffentlichen Verwaltungen umzugehen sei.  Diesen Fragen wolle man sich an diesem Abend widmen.

Aktas erklärte die Herkunft und den Sinn der verschiedenen Formen der religiösen Bedeckung im Islam. Sie kritisierte, dass die Debatte dabei zu oft von Unwissenheit geprägt sei. Im Mehrheitsislam gäbe es die Vorstellung, dass Gesicht und Hände frei bleiben sollten, daher sei eine Burka in den meisten  islamisch geprägten Gebieten nicht gerne gesehen. Natürlich gäbe es verschiedene Auslegungen des Islams und seiner Glaubensgrundsätze, doch diese seien ebenso im Christentum vorhanden, beispielsweise wenn es um gleichgeschlechtliche Liebe geht.

Beide Frauen berichteten von den unterschiedlichen Erfahrungen die sie mit und ohne Kopftuch gehabt haben. Aktas überraschte die Anwesenden damit, dass sie sich bisher noch nicht entschließen könne, den Hidschab (das Kopftuch) stets zu tragen, weil sie dafür noch nicht stark genug sei. Es bedürfe Mut, dies zu tun, und sie hoffe, diesen irgendwann aufzubringen. Die Bedeckung sei für sie ein religiöses Bekenntnis, das sie für sich anstrebe.

Beide Frauen waren einig, dass sie mehr Aufmerksamkeit erhalten und auch mehr Ablehnung erfahren, wenn sie hier in Deutschland eine religiöse Bedeckung tragen. So berichtete Gülhanim Karaduman-Cerkes von vielen Muslimas die sich bewusst für den Hidschab entschieden haben und dadurch im öffentlichen Raum islamophobe und fremdenfeindliche Kommentare ertragen mussten. Ohne Kopftuch sei es in Deutschland leichter, da nur dann auf einer Augenhöhe mit den Frauen kommuniziert würde. Trage man ein Kopftuch, so Aktas, würde man zudem meist automatisch für einen Flüchtling gehalten der kein Deutsch versteht. Auch bei der Jobsuche stelle das Bekenntnis zum Kopftuch ein Hindernis dar.

Auf die Frage, wie frauenfeindlich der Islam sei, antworteten beide, es gäbe verschiedene Lebensrealitäten muslimischer Frauen, jene die gezwungen würden Burka oder eine andere religiöse Bedeckung zu tragen und diese Auswüchsesollten nicht negiert oder ignoriert werden. Unterdrückung und Zwang seien stets abzulehnen. Unterdrückung sei dem Islam nicht inhärent, waren sich die Diskutantinnen einig. Vielmehr seien es tradierte Rollenbilder und eine patriarchische Kultur, die Religion als Rechtfertigung nutze. Männer und Frauen brauchten in erster Line Bildung und Aufklärung was ihre Rechte sind und was ihre Religion wirklich bedeutet. Der Islam an sich lehne Zwang aber ab und bewerte Geschlechter gleichwertig.

Der Abend war sehr spannend und es hat sich gezeigt, dass die Entscheidung, in dieser Debatte muslimische Frauen zu Wort kommen zu lassen, völlig richtig war. Das gemeinsame Gespräch hat sicher allen Anwesenden den Horizont erweitert und Verständnis für Frauen im Islam geweckt.

 

Claudia Sprengel (KV HVL /PV)