Nachgefragt: Rechtsrockszene in Brandenburg und Rechtsrockkonzert in Themar

Nachgefragt: Rechtsrockszene in Brandenburg und Rechtsrockkonzert in Themar

Am 15. Juli 2017 fand im Thüringer Ort Themar ein Rechtsrockkonzert mit ca. 6.000 Teilnehmern aus der gesamten Bundesrepublik statt. Dies habe ich zum Anlass genommen, eine kleine Anfrage an die Landesregierung zu richten, wo ich einerseits nach den Erkenntnissen zur Rechtsrockszene in Brandenburg und andererseits zu Mitwirkenden und Teilnehmern aus Brandenburg am Konzert in Themar frage. Die Antwort der Landesregierung liegt jetzt im Vorabdruck vor: AntwortAnlage 1 Auftritte und Anlage 2 – Bandveröffentlichungen.

(Bereits im vergangenen Jahr habe ich eine ähnliche Anfrage anlässlich einesKonzerts in St. Gallen gemacht. Wer noch mal nachlesen will, hier gehts zu dem damaligen Artikel.)

Die Landesregierung benennt 22 derzeit aktive Bands aus Brandenburg:

1. “Aryan Brotherhood” (A.B.); Potsdam
2. “Blutflagge”; Beeskow (LOS)
3. “Burn Down” (B.D.); Potsdam
4. “Confident of Victory” (C.O.V.); Senftenberg (OSL) – hinzu kommen das Black Metal-Projekt „Obskur“ sowie das Projekt „Against Music Industry“ (bestehend aus Confident of Victory und der sächsischen Band Magog)
5. „Deathfeud“; (Bereich LDS)
6. „Exempel“, vormals Klänge des Blutes; (Bereich BAR) (Neuaufnahme für 2016)
7. „Exzess“; Strausberg (MOL)
8. Frontalkraft (FK); Cottbus
9. „Frontfeuer“; Beeskow (LOS)
10. „Feuer Frei“; (ohne regionale Zuordnung) (Neuaufnahme für 2016)
11. „Handstreich“; Potsdam; vormals Glaskammer, Cynic; – hinzu kommt das Projekt „Natürlich
12. Hausmannskost“ (HMK); Cottbus
13. „Jungvolk“; (Bereich UM)
14. „Mogon“; Beeskow (LOS)
15. „Outlaw“; (Bereich OSL)
16. „Projekt 8.8“; Beeskow (LOS); vormals Projekt 88
17. „Tätervolk“; (MOL)
18. „Tätervolks Stimme und die Söhne Potsdam“; (MOL und Potsdam) (Neuaufnahme für 2016)
19. „Treueschwur“; (Bereich PM)
20. „Uwocaust“ und „RAConquista“; (Potsdam); vormals „Uwocaust und alte Freunde“; vereinzelt wird nur „Uwocaust“ genannt oder auch „Uwocaust und Helfershelfer“
21. „Wolfskraft“ (WK); Beeskow (LOS); hinzu kommt das Projekt „Wehrmut“
22. „Volkstroi“; (Raum LOS)

und 14 Liedermacher*innen werden auch aufgeführt:
1. „Morgenröte“; (OPR); es handelt sich um eine Liedermacherin
2. „Toitonicus“; Rathenow (HVL); auch mit den Namen „Preussen.Wut“ und „Thomas aktiv“
3. „Martin“; (Potsdam)
4. „Son of the Wind“ (S.o.W.); (BAR); vormals R.a.W. (Recht auf Wahrheit); tritt mit dem Berliner Liedermacher „Villain 051“ und als Trio zusätzlich mit „Evil Goat“ (OHV) unter dem Namen „A3Stus“ auf
5. „Sten“; (Cottbus)
6. „Björn Brusak“; (Frankfurt (Oder))
7. „Preußen Standarte“; (ohne regionale Zuordnung)
8. „AK – Solingen (47)“; (Cottbus)
9. „Griffin“; (LOS)
10. „Brenner“; (SPN)
11. „Fylgien“; (UM) (Neuaufnahme 2016 vormals Berlin)
12. Liedermacher „Mike“; (OPR)
13. Liedermacherduo/Musikprojekt „Heimattreue“; (BB/ST) (Neuaufnahme 2016)
14. „Marci“; (MOL) (Neuaufnahme 2016)

Das sind weniger Bands als noch vor einem Jahr (siehe hier), allerdings ist der Anlage 1 zu entnehmen, dass einige in 2016 und 2017 bundesweit und International Auftritte hatten.

Der Antwort der Landesregierung ist außerdem zu entnehmen, dass ca. 40 bekannte Nazis aus Brandenburg in Themar identifiziert wurden. Die Gruppierungen, denen sie entstammen sind aufgeführt: NPD, III. Weg, Freie Kräfte Prignitz, Freue Kräfte Neuruppin/Osthavelland, AO Strausberg, Gruderschaft H8 und Barnimer Freundschaft. Da einigen Berichten von Antifaschisten, die daskonzert beobachtet haben, zu enthemen ist, dass auch Nazis aus Potsdam, Brandenburg an der Havel, Elbe-Elster und Spree-Neiße teilgenommen haben, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Teilnehmer aus Brandenburg deutlich höher war, als der Landesregierung bekannt. Unter den Teilnehmern waren auch zwei Brandenburger Kommunalpolitiker, die die Landesregierung zwar nicht namentlich nennt, es ist aber übersichtlich, dass der Kreistagsabgeordnete Michel Müller aus dem Havelland und de Stadtverordnete Robert Wolinski aus Velten gemeint sind. Zu letzterem gibt die Landesregierung in der Antwort auf eine andere Frage der Anfrage folgendes an: „In Brandenburg ist vor allem ein NPD-Stadtverordneter aus Velten besonders aktiv, der auch bundesweit derartige Konzertveranstaltungen organisiert. Dieser trat in der Vergangenheit bereits mehrfach, auch unter der Kennung „MS 88“ (Märkische Skinheads 88), als Anmelder für rechtsextremistisch orientierte Musikveranstaltungen auf.“

Die Landesregierung bestätigt, dass „Uwocaust“, also Uwe Menzel, bekannter und seit vielen Jahren aktiver Nazi-Musiker und Aktivist der Szene aus Potsdam, bei dem Konzert in Themar aufgetreten ist. Außerdem wird in der Antwort bestätigt, dass ein Brandenburger Mitglied des III. Wegs in Themar als Redner auftrat. Und: Mitglieder der Gruppierungen „Barnimer Freundschaft“ und „Bruderschaft H8“ trugen bei dem Konzert einheitliche T-Shirts und nahmen Security-Aufgaben wahr.

All diese Erkenntnisse sprechen dafür, dass die Brandebrger Nazi-Szene aktiv auch an der Vorbereitung des Konzerts beteiligt war. Es liegt auf der Hand, dass Brandenburger Nazis gut mit der Szene in anderen Bundesländern vernetzt ist und vor allem Konzertveranstaltungen bei der Vernetzung eine große Rolle spielen. Die Landesregierung betont denn auch: „Die rechtsextremistische Brandenburger Musikszene ist aufgrund ihrer Aktivität und der Vielzahl der Bands für die Szene von hoher Bedeutung. Da Brandenburg aufgrund des hohen Drucks der Sicherheitsbehörden relativ unattraktiv für Konzertveranstaltungen ist, weichen Bands auf die Nachbarbundesländer, insbesondere Sachsen und Thüringen, aus. Dabei kann es zu Vernetzungen mit der dortigen rechtsextremen Szene und den Bands sowie ihr nahestehender Gruppierungen kommen.“ Wenn man sich die in Anlage 1 aufgeführten Auftritte Brandenbuger Bands in den vergangenen Jahren anschaut, dürfte zusätzlich zur Vernetzung nach Sachsen und Thüringen auch die Zusammenarbeit mit Akteuren der Szene in Sachsen-Anhalt (vor allem Raum Rosslau und Coswig) eine große Rolle spielen.

In meiner Anfrage zu Aktivitäten der Nazi-Szene in Brandenburg im 2. Quartal 2017 werden drei Konzertveranstaltungen in Brandenburg angegeben: April 2017 Uckermark, 29.4. Potsdam mit ca. 100 Teilnehmern und 3.6. Neuruppin.

Nazis bei einem Konzert 2013 in Finowfurt. (Quelle: Presseservice Rathenow)

Ich habe außerdem gefragt, welche Bedeutung die Landesregierung den Nazi-Konzerten für die rechtsextreme Szene zumisst. Die Antwort wird hier vollständig zitiert, weil die Einschätzung aus meiner Sicht richtig und auch sehr deutlich formuliert ist: „Konzertveranstaltungen der rechtsextremen Szene dienen in erster Linie dazu, ein Gruppen- oder Kameradschaftsgefühl zu erzeugen und die Szene zu homogenisieren. Sie erzeugen bei den Besuchern ein Gefühl der Gemeinschaft und der Stärke. Gerade auf Jugendliche, die der Szene noch nicht fest angehören, sondern sich nur in deren Umfeld bewegen, üben die konspirativ vorbereiteten und durch-geführten und damit nicht alltäglichen Veranstaltungen besondere Anziehungskraft aus. Großveranstaltungen in der Öffentlichkeit – wie in Themar mit ca. 6000 Teilnehmern – sind dafür naturgemäß besser geeignet, da sie ein breiteres Publikum anziehen und dem Besucher ein deutlicheres Vitalitätsgefühl der Szene vermitteln, als es bei klandestin durchgeführten Konzerten mit wenigen Dutzend Teilnehmern der Fall ist.
So nehmen bei öffentlichen Veranstaltungen auch Rechtsextremisten teil, die sonst keine Informationen über in kleinem Kreis durchgeführte Konzerte erhalten oder sonst die Gefahr der polizeilichen Intervention scheuen.
Es steht zu befürchten, dass aufgrund der Szene-Vernetzungen infolge solcher Großveranstaltungen der Trend, dass rechtsextremistische Konzerte weniger Besucher anziehen, gestoppt oder umgekehrt wird und dass Rechtsextremisten, auch aufgrund des mutmaßlichen finanziellen Erfolges, versuchen vermehrt Konzerte zu organisieren.“

Zu dieser Anfrage ist in den Potsdamer Neuesten Nachrichten ein Artikel erschienen, den ich hier natürlich nicht vorenthalten will.