Rede zur Schaffung eines Landesaufnahmeprogramms für besonders schutzbedüftige Kriegsflüchtlinge

Rede zur Schaffung eines Landesaufnahmeprogramms für besonders schutzbedüftige Kriegsflüchtlinge

Die Koalition aus SPD, CDU und Grünen hat einen Antrag zur Schaffung eines Landesaufnahmeprogramms für besonders schutzbedürftige Kriegsflüchtlinge eingebracht. Als LINKE haben wir zu diesem Tagesordnungpunkt einen Entschließungsantrag eingebracht, der vor allem zum Ziel hatte, das bereits bestehende Landesaufnahmeprogramm für yezidische Frauen weiterzuführen.

Meine Rede ist beim rbb als Video verfügbar:

Außerdem habe ich in der Debatte eine Kurzintervention zum Beitrag der Sozialministerin Ursula Nonnemacher gemacht. Diese ist ebenfalls beim rbb verfügbar:

Meine Rede dokumentiere ich hier auch zitiert nach dem Plenarprotokoll:

„Frau Abg. Johlige (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bis vor ungefähr fünf Minuten dachte ich, dass ich jetzt eine Rede halten würde, in der ich die Koalition ganz toll lobe. Ich hätte das auch wirklich gern getan. Aber, Herr Lüttmann, es tut mir leid. Die Ablehnung dieses Entschließungsantrages wegen einer Fristsetzung ist wirklich so etwas von billig, dass mir dazu kaum noch etwas einfällt. Hätte es auch nur ein einziges Signal der Koalition gegeben – wir haben mehrmals nachgefragt – und hätten Sie uns gesagt „Wir brauchen ein halbes Jahr länger“, wäre das kein Problem gewesen. Das hätten wir gern gewährt.
Ich erinnere an den letzten Landtag. Ich habe gestern von der Grünen-Fraktion, die ich vermisse, gesprochen. Eigentlich vermisse ich heute gerade den letzten Landtag. Denn der letzte Landtag hatte Selbstbewusstsein. Der letzte Landtag hat mehrere Gesetze auf den Weg gebracht, die die Landesregierung eigentlich nicht wollte. Ich erinnere an das Parité-Gesetz und an das Bestattungsgesetz. Der letzte Landtag hat auch das Jezidenprogramm auf den Weg gebracht, und zwar gegen den Willen der Landesregierung und mit einem unglaublichen gemeinsamen Willen, dieses Programm hinzubekommen, auch wenn die Landesregierung es nicht umsetzen möchte.
Jetzt aber lehnt eine Koalition, an der zwei Fraktionen beteiligt sind, die dieses Jezidenprogramm auf den Weg gebracht habenohne Grüne und CDU gäbe es dieses Programm nicht -, mit der Begründung einer Fristsetzung einer Evaluation, einer Überprüfung und einem Prüfauftrag – liebe Koalition, Sie lieben doch Prüfaufträge so sehr! -, ob man es fortsetzen sollte, ab. Das ist einfach nur billig und peinlich.

Ich lasse übrigens die Zwischenfrage des Kollegen Lüttmann zu,
Frau Präsidentin.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke:
Bitte schön, Herr Lüttmann.

Herr Abg. Lüttmann (SPD):
Liebe Kollegin Johlige, ich möchte nur fragen, ob Sie mir aufmerksam zugehört haben. Ich hatte ja eine weitere Begründung angeführt, nämlich zum einen die Problematik, dass ein solches Programm derzeit wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig wäre.

Frau Abg. Johlige (DIE LINKE):
Dazu komme ich noch!

Herr Abg. Lüttmann (SPD):
Das war eine weitere Ausführung, die ich gemacht habe. Darüber hinaus habe ich gesagt, dass der Antrag eigentlich entbehrlich sei, da die Evaluation sowieso selbstverständlich stattfindet. Ich wollte bloß fragen, ob Sie das gehört haben.

Frau Abg. Johlige (DIE LINKE):
Herr Lüttmann, dann benutze ich …
(Zuruf)

Das ist schön.
… für die Beantwortung Ihrer Anfrage gleich einen Punkt, auf den ich Sie sowieso hinweisen wollte. Wenn Frau Schäffer recht hat, dass Sie über das Resettlement-Programm gehen wollen, und wenn Sie sagen, dass ein Landesaufnahmeprogramm, wie wir es in der letzten Wahlperiode auf den Weg gebracht haben, derzeit nicht genehmigungsfähig sei, empfehle ich Ihnen dringend, Ihren Antrag zu überarbeiten. Denn dann stimmt Ihre Rechtsgrundlage nicht. Sie sprechen in Ihrem Antrag von § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Das ist der Paragraf für Landesaufnahmeprogramme wie in der letzten Wahlperiode. Die Resettlement-Programme sind in § 23 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes geregelt.
Davon sprechen Sie aber in Ihrem Antrag nicht. Ich würde der Koalition wirklich empfehlen, das zu überarbeiten. Ansonsten fordern Sie von der Landesregierung ein Landesaufnahmeprogramm wie das Aufnahmeprogramm für die Jezidinnen und Jeziden in der vergangenen Wahlperiode. Aber Sie haben ja noch ein paar Minuten Zeit und können noch einmal hineinschauen.

Damit bin ich bei Ihrem Antrag. Selbstverständlich werden wir dem Antrag zustimmen, weil wir es immer begrüßen, wenn Menschen in Not in Brandenburg geholfen wird. Wir haben eine lange Tradition an Landesaufnahmeprogrammen. Wir haben nicht nur das Programm für verfolgte Jezidinnen und Jeziden, sondern auch das Programm für syrische Flüchtlinge. In diesem Zusammenhang haben wir in Brandenburg tatsächlich einiges geschafft.
Allerdings, liebe Koalition, haben Sie uns dieses Aufnahmeprogramm schon einmal mit dem Koalitionsvertrag verkauft. Ich muss feststellen, dass seit zehn Monaten nichts passiert zu sein scheint. Denn mehr als einen vagen Zeitplan haben Sie uns bisher nicht geliefert. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Ich würde mir wünschen, dass Sie sehr genau darauf schauen, was wir in der vergangenen Wahlperiode an Fehlern gemacht haben. Deshalb wollen wir eine Evaluation. Denn wir wissen, dass beim Jezidenprogramm einiges richtig schiefgegangen ist, und ich glaube, dass Sie die gleichen Fehler wieder machen werden.
Wenn man nämlich vorher nicht genau definiert – und das ist bisher nicht geschehen -, welche Zielgruppe man eigentlich hat – es handelt sich nämlich um extrem vulnerable und sehr spezifische Gruppen, die man auch sehr spezifisch betreuen muss -, kann uns das Gleiche passieren wie beim letzten Mal: dass nämlich der Partner für die Auswahl nicht zu unserer Zielgruppe passt.
Und dann passiert es, dass am Ende eine andere Zielgruppe, als ursprünglich vom Landtag definiert wurde, hier ankommt. So etwas könnte man in einer Evaluation feststellen.
Eine weitere Schwachstelle Ihres Antrages – auch hierauf hatte ich schon hingewiesen – ist die Rechtsgrundlage. Sie werden das Einvernehmen des BMI brauchen, und wir wissen, dass Berlin und Thüringen derzeit genau dieses nicht bekommen. Deshalb könnte ich mir auch vorstellen, dass die Koalition sich dazu bekennt, sich einer Bundesratsinitiative dahin gehend, dass genau dieses Einvernehmen nicht mehr notwendig ist, anzuschließen.
Das wäre ein möglicher Schritt.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke:
Frau Abgeordnete, ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Frau Abg. Johlige (DIE LINKE):
Außerdem treffen Sie in Ihrem Antrag keinerlei finanzielle Vorsorge.
Wir wissen … – Frau Präsidentin?

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke:
Ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Frau Abg. Johlige (DIE LINKE):
In Ordnung. – Sie treffen keinerlei finanzielle Vorsorge. Wir wissen, dass ein solches Programm Geld kostet, und vor allem auch, dass ein solches Programm Stellen braucht.
Meine Damen und Herren, leider ist meine Redezeit abgelaufen. Das wundert mich ein bisschen, weil ich eigentlich zwischendurch noch Zeit für die Beantwortung der Frage hatte. Aber das kann ich jetzt nachträglich nicht mehr überprüfen. Wir werden zustimmen. Allerdings, ganz ehrlich: Dass Sie unseren Entschließungsantrag ablehnen, halte ich für ein Armutszeugnis!“

Im Zuge der Debatte habe ich noch eine Kurzintervention zum Beitrag der Sozialministerin Ursula Nonnemacher gemacht. Auch diese zitiere ich hier aus dem Plenarprotokoll:

Frau Abg. Johlige (DIE LINKE):
Frau Ministerin, uns geht es vor allem darum, dass wir aus dem lernen, was im Zusammenhang mit dem Aufnahmeprogramm, das wir bereits realisiert haben, schiefgegangen ist. Da ist eine ganze Menge schiefgegangen; das wissen wir beide sehr genau.
Wenn Sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Evaluierung durchführen wollen, dann würde mich interessieren, wie Sie denn mit den Schwierigkeiten, mit denen wir es zu tun hatten, umgehen werden.
Ich nenne mal folgenden Aspekt: Wir haben derzeit massive aufenthaltsrechtliche Probleme bei einigen der Jezidinnen, die sich in Bad Saarow aufhalten.
Wir haben gemerkt, dass wir die Zielgruppe, die wir als Landtag definiert haben – Frauen mit Kindern vom IS – nicht realisieren konnten, weil dies nicht zu den Auswahlkriterien des UNHCR passte. Wir wissen, dass wir den psychosozialen Bedürfnissen aktuell nicht nachkommen können, weil vorher nicht ausreichend geprüft wurde, ob denn die Bedarfe zu den vorhandenen Kapazitäten passen.
Da gibt es so einige Probleme. Ich möchte verhindern, dass wir Menschen aufnehmen – wenngleich ich es immer richtig finde, wenn wir hier Menschen aufnehmen, die in Not sind -, denen wir damit am Ende keinen Gefallen tun, weil wir ihre Traumata nicht bearbeiten können.
Das sind die Fragen, denen wir uns stellen müssen. Wir können gerne auch an einer anderen Stelle darüber diskutieren, wenn jetzt keine Evaluierung gewollt ist. Ich hielte es aber für unbedingt sinnvoll, wenn wir uns das Ganze sehr genau anschauen würden.
Das ist einer der Punkte, die in unserem Antrag eine wichtige Rolle spielen.
Ein weiterer Punkt, der für mich sehr wichtig ist: Wir haben als Land im Nordirak Projekte unterstützt. Das Geld läuft jetzt aber aus. Was ist nun mit den Projekten? Welche Ergebnisse wurden dort erzielt? Müssen wir da möglicherweise nachlegen, um die Projektziele nicht zu gefährden? Auch das war Bestandteil unseres Antrags. Wenn das aus Sicht der Koalition keine Fragestellungen sind, die man relativ schnell beantworten sollte, dann werde ich das eben auf dem Weg über die Kleinen Anfragen bearbeiten lassen, und ich werde es im Zweifel auch im Ausschuss auf die Tagesordnung setzen. Ich finde es falsch, sich diesen Fragen nicht zu stellen.“