Rede zur Task Force Abschiebungen
Die Koalitionsfraktionen haben einen Antrag „Ausgestaltung der Task Force für die Abschiebung ausreisepflichtiger Straftäterinnen und Straftäter“ eingebracht. Ich hab dazu für meine Fraktion geredet. Der Antrag wurde mitd en Stimmen von CDU, SPD und Grünen beschlossen.
Das Video der Rede ist beim rbb verfügbar.
Außerdem dokumentiere ich hier die Rede, zitiert aus dem vorläufigen Plenarprotokoll.
„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gab mal eine grüne Fraktion in diesem Landtag, und ich muss sagen, ich vermisse sie sehr. Sie war ein Garant für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Sie war die Vorkämpferin in diesem Landtag für Integration und gegen Abschiebewahn.
Doch davon merkt man in dieser Wahlperiode nichts, im Gegenteil. Nun haben wir gerade in der Fragestunde von der Integrationsministerin gehört, dass integrationspolitische Rückschritte drohen. Die Integrationspauschale steht vor dem Aus wie auch die Migrationssozialarbeit für anerkannte Flüchtlinge. Es gäbe für Grüne also ganz, ganz viel zu tun. Aber die erste eigenständige Initiative, die in dieser Wahlperiode in der Flüchtlingspolitik auf unsere Tische flattert, über der „Bündnis 90“ steht, ist dieser Antrag. Er hat genau ein Ziel, nämlich effektivere Abschiebung und das Herbeireden eines Vollzugsdefizits bei Abschiebungen.
Meine Damen und Herren, was für ein Signal! Grüne als Erfüllungsgehilfen für den Abschiebewahn des Bundesinnenministers, vereint mit Schwarz-Rot. Ich frage mich wirklich, was Sie in dieser Koalition eigentlich tun. Ein bisschen grünes Irrlichtern im schwarz-roten Dunkel ist keine progressive Politik. Das ist flüchtlingspolitisch ein Totalausfall.
Herr Stohn, nach Ihrer Rede kann ich nur eines sagen, wenn Sie sich über den Antrag freuen: Als die SPD noch eine linke Partei war, hätte sich ein aufrechter
Sozialdemokrat ob dieses Antrags nicht gefreut, sondern er hätte geweint.
Damit bin ich beim Antrag: Der Antrag bezieht sich auf eine Einrichtung, die mit einem Organisationserlass vom 30. April 2020 geschaffen wurde und am 1. August 2020 ihre Arbeit aufgenommen hat. Wahrlich eine Großtat der Koalitionsfraktionen, dazu für das Plenum am 26. August, also 26 Tage nach Aufnahme der Arbeit, einen Antrag einzureichen! Meine Damen und Herren, das Warum bleibt ein bisschen unklar, vielleicht um Handlungsfähigkeit bei Abschiebungen zu demonstrieren oder vielleicht auch, weil bald wieder Wahljahr ist. Man weiß es nicht. Klar ist aber, dass Sie die Öffentlichkeit darüber täuschen, was tatsächlich geplant ist. Es gehe ja nur um die Vollziehung einer bestehenden Ausreisepflicht bei Straftätern, wird uns gesagt.
Meine Damen und Herren, ich empfehle einen Blick in das Konzept. Interessant ist in dem Fall, was nicht im Antrag steht. Wenn man in das Konzept, das uns der Innenminister dankenswerterweise im Innenausschuss zur Verfügung gestellt hat, schaut, sieht man, dass es eigentlich um drei zu priorisierende Gruppen geht, nämlich um Haftfälle, um Intensivtäter und um Intensivstörer. Schon die Priorisierung auf Intensivtäter kann man infrage stellen, weil hier Ermittlungsverfahren, nicht aber Verurteilungen maßgeblich sein sollen. Ich weise auf das Prinzip der Unschuldsvermutung in diesem Land hin.
Noch problematischer ist aber die Definition der Intensivstörer. Sie kommen im Antrag nicht vor, sind aber Gegenstand des Konzepts. Vom sozialwidrigen Verhalten als Maßstab lesen wir da. Wann eine Ausländerbehörde eine Meldung an die Taskforce macht, dass jemand Intensivstörer ist, wird ins Ermessen der Ausländerbehörden gestellt. Meine Damen und Herren, damit ist Willkür Tür und Tor geöffnet, und es besteht die Gefahr, dass genau diejenigen mit dem höchsten Schutzbedarf wegen fluchtbedingter Traumata benachteiligt und ihrer Rechte beraubt werden.
Richtig interessant wird es aber, wenn man liest, was der Sprecher desInnenministeriums, Herr Burmeister, dem „Neuen Deutschland“ erzählt hat. Er sagte
nämlich bezogen auf die sogenannten Intensivstraftäter, Behörden könnten in laufenden Asylverfahren vorliegende Erkenntnisse über ein strafrechtlich relevantes Verhalten dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilen. Dies findet sich weder im Antrag noch im Konzept, wurde aber auch nicht dementiert. Insofern müssen wir leider befürchten, dass auch das stattfinden wird. Da sage ich Ihnen ganz deutlich: Das ist eine unzulässige Vermengung von Straf- und Asylrecht, weil nach einer solchen Meldung an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine unvoreingenommene Prüfung des Asylverfahrens praktisch nicht mehr stattfinden wird. Dabei reden wir gerade nicht über ausreisepflichtige Personen, Herr Redmann, wie behauptet, sondern über Menschen, die ihres Rechts auf Asyl beraubt werden sollen.
Zusammenfassend: Der Antrag soll eine bereits geschaffene und arbeitende Institution nachträglich absegnen, bereinigt natürlich um das, was politisch schwierig sein könnte. Das Einzige, was die Koalitionsfraktionen in diesem Antrag allein hinbekommen, über das hinausgehend, was das Innenministerium ohnehin schon tut, ist eine Berichtspflicht. Herzlichen Glückwunsch, liebe Koalitionsfraktionen! Wahrlich eine Meisterleistung, dieser Antrag, wahrlich Selbstbewusstsein – ich habe das hier schon öfter gesagt -, dass Sie die Landesregierung so an die Kette nehmen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht verwundern, dass wir den Antrag ablehnen werden. Wir haben in diesem Land kein Vollzugsdefizit bei Abschiebungen, sondern wir haben ein Defizit – und es droht nach der heutigen Ankündigung der Sozialministerin ein noch größeres Defizit – bei der Integration. Wenn Sie für Integration kämpfen, sind wir jederzeit an Ihrer Seite, bei diesem Antrag nicht.
– Herzlichen Dank.“