Rede zum Antrag "Details zum geplanten Ein- und Ausreisezentrum Schönefeld offenlegen"

Rede zum Antrag „Details zum geplanten Ein- und Ausreisezentrum Schönefeld offenlegen“

Wir haben einen Antrag vorgelegt, in dem wir die Landesregierung auffordern, endlich Tranparenz zu schaffen und einen Bericht über das geplante Ein- und Ausreisezentrum in Schönefeld vorzulegen. Darin sollen unter anderem Kosten und Funktion des geplanten Behördenzentrums am Flughafen Schönefeld genannt werden. Die Koalition hat gemeinsam mit der AfD den Antrag abgelehnt.

Meine Redebeiträge zum Anfang und zum Ende der Debatte sind hier als Video verfügbar:

Rede am Anfang der Debatte

Rede am Ende der Debatte

Beide Redebeiträge dokumentiere ich hier auch als Text, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne einmal mit dem, was bisher geschah: Am 31.08.2021 haben wir und die geneigte Öffentlichkeit zum ersten Mal von der Errichtung eines Behördenzentrums am Flughafen Schönefeld erfahren. Das geschah durch eine Pressemitteilung des Innenministeriums. Bei „Behördenzentrum“ denkt man in Brandenburg an Wünsdorf – da sitzen eben ein paar Behörden
zusammen auf einem hübschen Campus.
Am 8. September 2021 haben wir als Linksfraktion im Innenausschuss intensiv nachgefragt, was es mit diesem Behördenzentrum auf sich hat. Da hat der Innenminister – sagen wir mal – tiefgestapelt: keine Aussagen zu Größe, Kosten oder Funktionalität. Zu den Kosten sagte er uns: Man könne dazu noch nichts sagen, weil der Raumplan noch nicht fertig sei; deshalb stünden die Kosten leider noch nicht fest.
Die einzig konkrete Auskunft, die wir in dieser Sitzung des Innenausschusses erhalten haben, war, dass 35 neue Stellen benötigt werden. Daraufhin fragten sich interessierte Beobachter: Moment mal, wofür braucht es eigentlich 35 neue Stellen? Es gibt in Schönefeld ein Abschiebegewahrsam. Es gibt in Schönefeld ein Flughafenasyl. Es gibt ein Gebäude, in dem das BAMF und die Bundespolizei sitzen. Wozu braucht also ein Behördenzentrum 35 neue Stellen?
Wenige Wochen später erfuhr die geneigte Öffentlichkeit dann aus der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“, was es mit dem sogenannten Behördenzentrum tatsächlich auf sich hat: sieben Gebäude mit Tiefgarage und Tunnel, Abschiebegewahrsam mit über 100 Plätzen, Flughafenasyl und ein Abschiebeterminal. Das finde ich relativ lustig, wie ich sagen muss: Für ein Regierungsterminal reicht es nicht, aber für ein Abschiebeterminal ist Geld da. Mehr als 200 Arbeitsplätze sollen dort entstehen, und es werden wohl bundesweit die besten Bedingungen für Sammelabschiebungen sein.
So etwas hat Brandenburg, hat Deutschland noch nicht gesehen. Wir haben auch gelernt, dass es sogar ein EU-Musterprojekt sein soll.
Woher wusste das aber die „Märkische Allgemeine Zeitung“? Im Innenausschuss sind wir darüber nicht informiert worden. Nun, sie wusste es von der Gemeindevertretung Schönefeld. Diese hatte das Innenministerium bereits am 24. März 2021 – also fünf Monate vor dem Landtag – intensiv über dieses Projekt informiert und ihr Pläne vorgelegt. Bereits im März 2021 wusste die Gemeindevertretung Schönefeld also deutlich mehr als der Landtag Brandenburg und im Übrigen auch mehr als der Deutsche Bundestag.
Der Unterschied war wohl: Da wollte man auch was, man braucht nämlich noch Baurecht. Im Landtag aber wurde weiterhin tiefgestapelt. Wir wissen bis heute nicht – da kann man sagen, das ist Geschäft der laufenden Verwaltung -, was uns das kosten wird. Man kann davon ausgehen, dass ein Projekt dieser Größe eine dreistellige Millionensumme kosten wird. Man kann auch davon ausgehen: Wenn es als ÖPP-Projekt oder als Mietmodell realisiert wird, wird es das Land Brandenburg über viele Jahrzehnte eine zweistellige Millionensumme jährlich kosten. Aber, meine Damen und
Herren, wir wissen es nicht.
Dass das Projekt eine politische Wende in der Migrationspolitik in Brandenburg sein könnte, auch das wissen wir nicht genau.
Meine Damen und Herren, ein Projekt von dieser Größenordnung ist es wert, dass der Haushaltsgesetzgeber umfassend darüber informiert wird – und im Übrigen nicht nur der Haushaltsgesetzgeber, sondern auch die Öffentlichkeit. Um das zu ermöglichen, braucht es endlich Transparenz. Der Landtag muss die Chance bekommen, über ein solches Projekt politisch entscheiden zu können. Man kann derzeit aber gar nicht politisch entscheiden, weil wir immer noch nicht viel wissen.
Deshalb fordern wir in unserem Antrag, dass Transparenz geschaffen wird und das Innenministerium – oder die Landesregierung – zum Ende des zweiten Quartals einen Bericht vorlegt, in dem über den Stand der Planung, über Kosten, über die Arbeitsplätze, die entstehen sollen, über bisher getroffene vertragliche Vereinbarungen mit dem Bund oder irgendwelchen Investoren, über Wirtschaftlichkeitsberechnungen usw. Auskunft gegeben wird – also über all das, was man als Grundlage braucht, um überhaupt entscheiden zu können, ob man so etwas möchte oder nicht.
Meine Damen und Herren, mir ist relativ klar, dass Sie den Antrag ablehnen werden; das passiert in solchen Situationen meistens. Ich kann nur sagen: Sorgen Sie dafür, auch wenn Sie diesen Antrag ablehnen sollten, liebe Koalitionsfraktionen, dass Transparenz geschaffen wird. Es geht nicht, dass eine Verwaltung Tatsachen schafft, die den Landeshaushalt über Jahrzehnte massiv belasten wird, ohne dass der Haushaltsgesetzgeber in irgendeiner Art und Weise mitreden konnte – denn im Haushalt wird das erste Mal Geld für dieses Projekt auftauchen, wenn schon alle Tatsachen geschaffen wurden. Insofern freue ich mich jetzt auf die Debatte.“

Der zweite Redebeitrag folgt hier:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schüler, ich habe wirklich schon viele Reden von Staatssekretären in diesem Landtag erlebt. Als Sie soeben anfingen, dachte ich ja noch: Okay, er kokettiert ein bisschen. – Aber, ehrlich gesagt, ich habe Ihren Redebeitrag als absolute Frechheit mir gegenüber als Abgeordnete empfunden, übrigens auch mit Unterstellungen, von denen ich wirklich gerne wissen würde, auf welche Grundlagen Sie die stellen.
An welcher Demonstration war ich denn, bitte, zu diesem Thema ganz vorne dabei? Das würde mich sehr interessieren. Ich war nämlich bisher bei keiner Demonstration. Ich finde es unangemessen, wie Sie hier als Vertreter der Exekutive gegenüber einer Abgeordneten aufgetreten sind!
Ich habe nur noch drei Minuten, daher komme ich zum Punkt. Zunächst die
Koalitionsfraktionen: Meine Damen und Herren, man kann ja unterschiedlicher Auffassung sein, ob man ein solches Ein- und Ausreisezentrum braucht, in welcher Größenordnung man es braucht, mit wie viel Arbeitsplätzen man es braucht und welche Abläufe dort stattfinden sollen. Das finden wir auch völlig legitim. Wir finden nur, dass es als Grundlage dafür einer politischen Entscheidung bedarf.
Frau Schäffer, ich bewundere es, mit welchem Vertrauen gegenüber der
Landesregierung Sie hier auftreten. Sehen Sie es mir nach, dass ich dieses Vertrauen, weil bisher keine Transparenz herrschte, in dem Fall leider nicht habe. Es wurde eben nicht umfassend informiert. Die Gemeindevertretung Schönefeld war besser informiert. Wir wüssten sehr viel von dem, worüber wir gerade reden und was übrigens einige zitiert haben, nicht, wenn es nicht die „Märkische Allgemeine Zeitung“ und den RBB gegeben hätte, die an dieser Stelle recherchiert haben. Die Abgeordneten haben ein weiteres Mal aus der Presse erfahren, was die Landesregierung plant, und nicht von der Landesregierung selbst. Ich halte das für ein Problem.
Frau Gossmann-Reetz, wenn Sie sagen, dass wir zu früh Fragen stellen, kann ich Ihnen nur sagen: Da werden Tatsachen geschaffen! Es gibt einen Investor. Es gibt inzwischen eine Vereinbarung zwischen Land und Bund, die im Übrigen – eine kleine Koketterie – am Tag der Konstituierung des neuen Bundestages von Herrn Seehofer unterschrieben wurde, also in den wenigen Stunden, in denen er noch geschäftsführend im Amt war.
Beim BAMF werden auch schon Stellen geschaffen. Wenn man die Stellenausschreibungen des Bundesamtes beobachtet, dann weiß man, dass es da schon eine Stellenausschreibung gab. Hier werden also gerade Tatsachen geschaffen, ohne dass der Landtag weiß, was ihn das alles kosten wird. Da wir nicht wissen, welche vertraglichen Vereinbarungen mit dem Bund es schon gibt – möglicherweise auch mit dem Investor -, kann es auch sein, dass die Landesregierung hier schon Kosten für die nächsten Jahrzehnte produziert, von denen der Haushaltsgesetzgeber nichts weiß.
Da können Sie, liebe Koalitionsfraktionen, gerne Vertrauen haben. Ich habe dieses Vertrauen nicht. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Ich kann an dieser Stelle versprechen – und ich glaube, jeder weiß, was ein solches Versprechen bedeutet, wenn ich es abgebe -: Selbstverständlich werde ich dieses Projekt weiter kritisch begleiten, und selbstverständlich zur allergrößten Not auch mit Theatralik, wenn es notwendig ist. – Herzlichen Dank.“