Rede zum Antrag „Pakt für Integration auf den Weg bringen!“
Wir haben als Linke den Antrag „Für mehr Realismus in der Flüchtlingspolitik – Pakt für Integration jetzt auf den Weg bringen“ eingebracht. Darin forderten wir ein Umdenken in der Integrationspolitik: Sämtliche Arbeitsverbote für Migranten sollten gestrichen und der Erwerb der deutschen Sprache erleichtert werden. Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und AfD abgelehnt.
Ich habe zum Anfang und zum Ende der Debatte gesprochen. Beide Reden sind beim rbb als Video verfügbar: Einbringungsrede und Rede zum Ende der Debatte.
Meine Einbringungsrede ist hier dokumentiert, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:
„Haben wir in den Jahren 2015 und 2016 in Deutschland, aber auch hier im Brandenburger Landtag, noch über Solidarität mit Menschen in Not, über Humanität und Menschenrechte gesprochen, ist der flüchtlingspolitische Diskurs im Jahr 2023 geprägt von Abschottung, Ausgrenzung und Härte. Wie verwahrlost die Debatte inzwischen ist, zeigen die unsäglichen Äußerungen eines Jens Spahn, Migrationsbewegungen mit physischer Gewalt aufhalten zu wollen. Da ist es auch nicht mehr weit zu den AfD-Forderungen von 2016, bei illegalen Grenzübertritten von Flüchtlingen von der Schusswaffe Gebrauch machen zu wollen. Der Bundeskanzler Olaf Scholz fordert, wir müssten „endlich in großem Stil abschieben“. Und selbst die Grünen fordern jetzt eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen.
Grenzkontrollen, Abschiebungen, Arbeitspflicht, Sach- statt Geldleistungen, Sozialleistungskürzungen, Obergrenzen, Drittstaatenabkommen, weitere sichere Herkunftsstaaten, kommunale Ausreisezentren und Tischabschiebungen – das sind die Schlagworte in der aktuellen Debatte, die vor allem einem Überbietungswettkampf ähnelt, wer sich die besten Maßnahmen ausdenkt, damit Geflüchtete möglichst nicht zu uns kommen und, wenn sie es doch tun, wie man sie am schnellsten wieder loswird.
Die AfD freut es, denn ihre Umfragewerte steigen immer weiter. Meine Damen und Herren von Grünen, SPD und CDU, herzlichen Glückwunsch! Und dabei wissen Sie genau, dass all die vorgeschlagenen Maßnahmen gerade nicht dazu führen werden, dass weniger Menschen zu uns flüchten. Migrationsbewegungen werden nur eingedämmt, wenn ihre Ursachen bekämpft, also Kriege beendet,
Klimaveränderungen aufgehalten oder Hungersnöte verhindert werden. Migrationsbewegungen werden nicht durch Grenzkontrollen oder Sozialleistungskürzungen aufgehalten.
Wir brauchen ein Umdenken, nicht einen Diskurs, wie man Menschen daran hindert, zu uns zu kommen, oder sie schnellstmöglich und kosteneffizient abschiebt. Wir müssen uns vielmehr darüber unterhalten, wie wir die Chancen, die sich uns durch Migrationsbewegungen bieten, auch nutzen. Denn es ist auch kein Geheimnis, dass wir Zuwanderung nach Deutschland brauchen. Bisher sind aber alle Strategien für die Fachkräfteeinwanderung weitgehend gescheitert. Es ist übrigens auch kein sonderlich solidarischer Ansatz, Menschen nach Deutschland zu holen, die in anderen Ländern auf deren Kosten ausgebildet wurden und oftmals dort ebenfalls dringend gebraucht werden.
Denken wir doch weiter! Viel sinnvoller und auch solidarischer ist es, Menschen, die schon hier sind und von denen wir wissen, dass der große Teil von ihnen bei uns bleiben wird, in die Lage zu versetzen, sich ein eigenständiges Leben bei unsaufzubauen.
Die bereinigte Schutzquote beträgt aktuell ca. 70 %, und auch diejenigen, deren Antrag abgelehnt wird, bleiben zu einem guten Teil im Land. Es ist deshalb in unserem Interesse, dass diejenigen hier auch schnell in Ausbildung und Arbeit kommen. Das mag erst einmal mehr kosten, als Pflegekräfte von den Philippinen einzufliegen, und es dauert auch etwas länger. Es bietet aber mittelfristig die Chance, unsere Probleme auf dem Arbeitsmarkt zielgerichtet zu lindern. Wenn wir es richtig angehen, ist es eine Win-Win-Situation: für unseren Arbeitsmarkt und für die Geflüchteten.
Deshalb schlagen wir Ihnen in unserem Antrag einen Pakt für Integration vor. Wir wollen die Streichung aller Arbeitsverbote. Es ist völlig absurd, dass Kneipen aus Personalmangel schließen und Busse nicht mehr fahren, weil es zu wenig Busfahrer gibt, während es in diesem Land gleichzeitig Menschen gibt, die nur zu gern arbeiten würden, es aber nicht dürfen.
Wir brauchen den Abbau bürokratischer Hürden bei der Einstellung von Geflüchteten. Nicht wenige Firmen berichten davon, dass es teils Monate dauert, bis sie sich durch den Behördendschungel gekämpft haben und die benötigten Arbeitskräfte endlich einstellen können.
Wir müssen dafür sorgen, dass alle Geflüchteten schon in der Erstaufnahme und auch in den Kommunen so schnell wie möglich einen Sprachkurs besuchen können. In Brandenburg gibt es Menschen, die seit Jahren hier leben und immer noch keinen Deutschkurs bekommen haben. Und selbst wenn einige von ihnen in ihre Herkunftsländer zurückkehren, ist es wahrlich nicht schlimm, wenn der eine oder andere Deutsch kann. Wir finanzieren überall auf dieser Welt Goethe-Institute, damit ein paar mehr Menschen Deutsch sprechen. Aber den Menschen, die in unserem Land leben, verwehren wir bis heute den Spracherwerb. Das kann man wirklich niemandem mehr erklären.
Wir brauchen eine zielgerichtete Qualifizierung, schnellere Berufsanerkennungen, einen Ausbau des Lotsenprogramms in den Landkreisen und kreisfreien Städten und auch den Abbau von Hürden bei der Arbeitsaufnahme.
Meine Damen und Herren, mit Freude haben wir zur Kenntnis genommen, dass sich das Wirtschaftsministerium vorgestern gemeinsam mit der Arbeitsagentur auf den Weg gemacht hat, die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu verbessern. Es ist der richtige Weg, die Betreuung zu intensivieren und auch die Anforderungen an die Sprache für die Vermittlung abzusenken. Das wird aber nicht reichen. Denn genau der Spracherwerb ist ja eines der Probleme. Das geforderte grundständige Sprachniveau muss ja erst einmal erreicht werden. Und da hilft es wenig, wenn die Integrationsministerin im Sozialausschuss auf die Frage, welche konkreten Vorhaben bei der Integration sie in dieser Wahlperiode noch hat, antwortet: „Das haben wir im Blick.“ Punkt. Aus. Keine weiteren Ausführungen – „das haben wir im Blick“. Nein, Frau Nonnemacher, das reicht nicht. Bisher haben Sie sich dadurch hervorgetan, die Integrationsinstrumente sogar noch zu verschlechtern – ich erinnere an die Migrationssozialarbeit II und das Integrationsbudget. Da muss deutlich mehr kommen, und vor allem braucht es jetzt die Anstrengung, den Spracherwerb schnell voranzutreiben und nicht nur Modellprojekte in einzelnen Kommunen für einen Spurwechsel zu starten, sondern dies im ganzen Land zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, es braucht noch etwas: Es braucht einen Innenminister, der dafür sorgt, dass diejenigen, die hier in Lohn und Brot stehen, nicht abgeschoben werden. Derzeit häufen sich wieder – leider – die Fälle, wo gut integrierte Geflüchtete, die Arbeit haben und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, Ziel von Rückführungsmaßnahmen werden. Das könnte man im Übrigen auch als Sabotage bezeichnen, denn das sorgt nicht nur dafür, dass Sie Unternehmen dringend benötigte Arbeitskräfte nehmen. Es führt auch dazu, dass die Bereitschaft bei den Firmen, Geflüchtete auszubilden oder anzulernen, sinkt. Meine Damen und Herren, sorgen Sie deshalb für eine sichere Bleibeperspektive für gut integrierte Menschen.
Wir brauchen ein gemeinsames Umdenken. Gute und schnelle Integration in den Arbeitsmarkt ist eine Chance für unser Land. Mit unserem Antrag legen wir unsere Vorschläge vor. Nun bin ich gespannt auf Ihre Ideen; ich freue mich auf die Debatte. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.“
Und hier folgt die Rede zum Ende der Debatte:
„Ich stelle als Positivum aus der Debatte heraus, dass wir uns – außer mit denen da drüben – einig sind, dass Arbeitsmarktintegration wichtig und die Sprache der Schlüssel dazu ist. Das freut mich.
Aber im Handeln, also bei dem, was die Landesregierung umsetzt, haben wir das nicht immer gesehen. Wissen Sie, Frau Nonnemacher, wenn man Ihnen zuhört, denkt man, dass alles total schön ist. Ich frage mich dann aber: Warum gibt es denn die Beschwerden von Arbeitgebern, dass es gerade in Brandenburg ewig dauert, bis man Menschen in Arbeit bekommt, weil die Bürokratie so groß ist? Warum haben wir denn die Debatten mit den Kammern, die sagen, dass die Berufsanerkennung zu lange dauert? Warum holen sich Ärzte die Berufsanerkennung lieber in Berlin als in Brandenburg? Weil es in Brandenburg deutlich länger dauert. Das sind doch Sachen, über die wir reden müssen, und da hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie sagen: So ganz toll sind wir vielleicht noch nicht, und wir haben noch ein paar konkrete Vorstellungen für diese Wahlperiode. – Bis zum Ende der Wahlperiode ist noch eine ganze Menge Zeit, und da reicht es mir nicht, wenn Sie sagen: Wir machen doch schon alles.
Am Ende heißt das nämlich, dass wir jetzt elf Monate verplempern, in denen wir tatsächlich noch Maßnahmen in Angriff nehmen könnten – und dazu stehen einige Punkte in unserem Antrag.
Wie gesagt, ich habe zur Kenntnis genommen, dass das Arbeitsministerium vor zwei Tagen noch schnell die besagte Pressemitteilung herausgeschickt hat. Da habe ich gedacht: Okay, Links wirkt.
Sie wollten uns zeigen, dass Sie unseren Antrag verstanden haben. Es freut mich sehr, dass das zumindest für das Wirtschaftsministerium gilt. Ich hoffe, dass unser Antrag, auch wenn Sie ihn heute ablehnen werden, dazu führt, dass der eine oder andere in Ministerien vielleicht doch über unsere Maßnahmen nachdenkt; sie sind nämlich richtig gut. Sie sind genau der Schlüssel zu dem, was man jetzt tun muss. Insofern bedanke ich mich für die Debatte, auch wenn sie mich nicht an allen Stellen befriedigt hat. – Herzlichen Dank.“