Rede zum Gesetzentwurf der Freien Wähler zu Änderungen bei der Kreisumlage

Rede zum Gesetzentwurf der Freien Wähler zu Änderungen bei der Kreisumlage

Die Fraktion BVB/Freie Wähler hat einen Geetzentwurf „Änderung der Regelung zur Kreisumlage eingebracht. Wir haben dafür plädiert, diesen in die Fachausschüsse zu überweisen,was die Koalition jedoch abgelehnt hat.

Meine Rede dazu ist hier als Video verfügbar.

Außerdem dokumentiere ich meine Rede hier zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden müssen einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen an den Landkreis abgeben, damit dieser seine Aufgaben erfüllen kann. Die Höhe der Kreisumlage ist dabei Teil der kommunalen Selbstverwaltung, wobei die Betonung auf der Silbe „selbst“ liegt, und sie sorgt in den Kommunen natürlich regelmäßig für Aufregung,
denn die aus den gemeindlichen Steuereinnahmen an den Landkreis abzuführenden Beträge sind durchaus beachtlich. Natürlich kann man verstehen, dass die Städte und Gemeinden eine Senkung der Kreisumlage fordern, wenn der Landkreis mehrfach deutlich besser abschließt als geplant. So ist die Höhe der Kreisumlage seit mehreren Jahren immer wieder Gegenstand politischer und juristischer Auseinandersetzungen.
Die Freien Wähler haben nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die bestehenden Regelungen deutlich zugunsten der Interessen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden verändern will. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Kreisumlagen nur noch die Ergebnishaushalte der Landkreise berücksichtigen sollen und dass erwirtschaftete Überschüsse bis auf einen Einbehalt von 15 % den Städten und Gemeinden als zu viel gezahlte Kreisumlagen zurückgezahlt werden müssen. Dies wird vor allem mit den hohen Rücklagen begründet, die die Landkreise gebildet haben.
Diese Argumentation, meine Damen und Herren, ist allerdings oberflächlich, und das aus verschiedenen Gründen. Erstens berücksichtigt sie nicht, aus welchen Gründen die Landkreise Rücklagen gebildet haben. Im Landkreis Havelland beispielsweise wurde ein guter Teil der Rücklage gebildet, um für die Sanierung der Deponie vorzusorgen. Diese Deponierücklage ist allgemein auch bei den Städten und Gemeinden akzeptiert, und solche Vorsorgerücklagen gibt es mit Sicherheit in verschiedenen Landkreisen. Insofern kann man eben nicht allein an der Höhe der Rücklagen der Landkreise die Notwendigkeit für eine solche Gesetzesänderung festmachen.
Zweitens berücksichtigt die Argumentation nicht die Ursachen von Überschüssen im Haushaltsvollzug bei den Landkreisen. Diese sind sehr verschieden: Investitionen können nicht ausgelöst werden, weil keine Vertragspartner gefunden werden; Planungen können nicht vorangetrieben werden, weil keine Kapazitäten vorhanden sind. Ein guter Teil der Überschüsse sind insofern nicht realisierte Investitionen. Diese werden jedoch in der Regel in den Folgejahren realisiert. Auch deshalb kann nicht allein die Höhe der Rücklagen herangezogen werden, um festzustellen, dass hier eine Reform notwendig ist.
Meine Damen und Herren, da wir aber schon die Analyse der Situation für nicht differenziert genug halten, halten wir auch Ihren Lösungsvorschlag für nicht sachgerecht. Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss dennoch zustimmen – nicht weil wir Ihre Lösung teilen, sondern weil wir ebenfalls der Meinung sind, dass es bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Kreisumlage erheblichen Änderungsbedarf gibt.
Meine Damen und Herren, die Landkreise tragen schwere soziale Lasten:
Eingliederungshilfen gemäß SGB IX, Sozialhilfeleistungen nach dem Landespflegegeldgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und natürlich auch die Aufgaben nach dem Infektionsschutzgesetz. Nicht zuletzt haben sie eine wichtige Ausgleichsfunktion zwischen urbanen und ländlichen Räumen. Diese Ausgleichsfunktion wird immer wichtiger, weil die Finanzausstattung gerade kleiner Gemeinden durch das Land völlig unzureichend ist und die Schere zwischen den gut situierten und den nicht so gut situierten Gemeinden immer größer wird. Das muss zum Teil auf Landesebene geklärt werden.
Im kommenden Jahr reden wir auch über den horizontalen Finanzausgleich, und es wäre hilfreich, wenn die Landesregierung den Kommunen nicht noch durch den geplanten Vorwegabzug in die Tasche greifen würde. Das gilt vor allem, nachdem wir gerade die regionalisierte Steuerschätzung zur Kenntnis genommen haben. Spätestens dadurch ist klar, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, den Kommunen das ihnen zustehende Geld vorzuenthalten.
Wir beobachten jedoch auch starke regionale Schwankungen. Wo es den Gemeinden gut geht, kann die Kreisumlage oftmals gesenkt werden, und wo die Finanzkraft der Gemeinden gering ist, geht dies nahezu zwangsläufig mit höheren Kreisumlagen einher. Verschärft wird das noch dadurch, dass in diesen Regionen meist auch die Soziallasten höher sind. Auch dieses Problem wird der Gesetzentwurf nicht klären. Das kann eher über das Finanzausgleichsgesetz geklärt werden – wenn man es denn klären will.
Ein weiteres Problem, das wir haben, würde mit der vorgeschlagenen Lösung nicht gelöst, sondern tendenziell sogar verschärft: die unterschiedliche Finanzkraft von Städten und Gemeinden innerhalb eines Landkreises. Mehrere Landkreise schaffen schon jetzt Instrumente, mit denen sie versuchen, dies außerhalb der Kreisumlage durch zusätzliche Zuweisungen an finanzschwache Gemeinden auszugleichen. Das
sorgt auch für Konflikte, ist aber sachgerecht, wenn man will, dass alle Städte und Gemeinden handlungsfähig bleiben. Wenn wir den Freien Wählern folgen, schwächen wir aber gerade die Ausgleichsfunktion und damit die Gemeinden, die derzeit von solchen Instrumenten profitieren.
Wünschenswert wäre es aus unserer Sicht, Regularien auf Landesebene zu finden, die gewährleisten, dass nicht mehr nur der Finanzbedarf des Kreises für die Höhe der Kreisumlage ausschlaggebend ist, sondern bei der Berechnung der Kreisumlage auch die unterschiedliche Finanzkraft der Städte und Gemeinden verbindlicher und rechtssicher berücksichtigt werden kann und berücksichtigt werden muss. Dies wäre aus unserer Sicht das Ziel.
Aus den genannten Gründen können wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wir werden ihn ablehnen, möchte allerdings gern im Ausschuss darüber reden. Deswegen werden wir dem Überweisungsantrag zustimmen. – Herzlichen Dank.“