Rede zum LINKEN Gesetzentwurf zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes
Im Zuge der Haushaltsberatungen ist uns aufgefallen, dass die vielen ukrainischen Geflüchteten, die in diesem Jahr nach Brandenburg gekommen sind, ab 1. Januar 2023 keinen Anspruch mehr auf MIgrationssozialarbeit haben. Deshalb wollten wir das Landesaufnahmegesetz änderung und haben dazu einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes eingebracht. Die Koalition hat dieses Anliegen aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt.
Meine Rede zur Einbringung des Gesetzentwurfes ist hier als Video verfügbar. Zum Abschluss der Debatte habe ich nochmals gesprochen. Diese Rede ist hier verfügbar.
Die EInbringungsrede dokumentiere ich hier textlich zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:
„Langsam wird es zur Tradition, dass wir zum Ende des Jahres über das Landesaufnahmegesetz – und insbesondere über die Migrationssozialarbeit II – reden. Die Migrationssozialarbeit II ist die Migrationssozialarbeit für diejenigen, die als Flüchtling anerkannt sind. Sie wurde eingeführt, weil die Verfahren inzwischen so schnell abgeschlossen werden, dass die Menschen auch nach ihrer Anerkennung noch Bedarf an Sozialarbeit haben. Dann ist eigentlich nur noch das Jobcenter für sie zuständig, das aber nicht auf diese Zielgruppe vorbereitet ist. Deshalb wurde noch unter der rot-roten Landesregierung die Migrationssozialarbeit II eingeführt. Und im vergangenen Jahr – wir erinnern uns; keine Sorge, ich betreibe nicht allzu lange Vergangenheitsbewältigung – wollten Sie das zusammenkürzen. Das ist nicht gelungen, weil Zivilgesellschaft, Opposition und die Kommunen massiv Druck gemacht haben und weil mehr Flüchtlinge über die weißrussische Grenze kamen, wodurch auch der Koalition klar geworden ist: Okay, in
der Situation können wir die Migrationssozialarbeit nicht zusammenkürzen.
Im Zuge der damaligen Verhandlungen über das Gesetz wurde klar, dass das Ministerium die sich ergebende Stellenzahl für die Kommunen auf eine Art und Weise berechnet hatte, die nicht mit dem damaligen Gesetzestext übereinstimmte. Deshalb wurden eine neue Formulierung und eine neue Berechnungsgrundlage aufgenommen, und genau das macht uns jetzt Probleme. Im Gesetz steht jetzt nämlich, dass nur Personen, die aus einem nichteuropäischen Asylherkunftsland kommen, Anspruch auf Migrationssozialarbeit II haben.
Nun wissen wir, dass in diesem Jahr sehr viele ukrainische Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Als wir uns bei den Haushaltsverhandlungen den Haushaltstitel „Landesaufnahmegesetz“ im Einzelplan 20 haben aufschlüsseln lassen, haben wir ehrlich gesagt damit gerechnet, dass sich die Beträge für die Migrationssozialarbeit II verdoppeln. Aber wir haben festgestellt: Das passierte nicht. Dann haben wir das Ministerium gefragt, woran das liegt, und uns wurde mitgeteilt: Die Ukrainer haben keinen Anspruch auf Migrationssozialarbeit II – eben wegen der Formulierungsänderung, die wir im vergangenen Jahr als Landtag beschlossen haben.
Das Problem ist also entstanden, weil der Status, mit dem die Ukrainer aufgenommen werden, damals noch nicht bekannt war – und ich glaube, das war nicht die Absicht des Gesetzgebers. Im Ergebnis heißt das: Wenn man jetzt keine Gesetzesänderung verabschiedet, werden die Ukrainerinnen und Ukrainer, die in diesem Jahr zu uns gekommen sind, ab 01.01. keinen Anspruch auf Migrationssozialarbeit mehr haben. Nun sind wir uns sicherlich einig, dass dennoch Integrationsbedarf besteht. Ändert man das Gesetz nicht, werden die vielen Menschen, die bereit waren, Geflüchtete privat bei sich aufzunehmen, die Last der Integration allein zu tragen haben – und die Kommunen, die wissen, dass Integrationsbedarf besteht, werden Abhilfe schaffen müssen, weil sich das Land aus der Verantwortung stiehlt. Das heißt, wenn man das Gesetz nicht – wie wir es Ihnen vorschlagen – ändert, werden diejenigen, die sich bereitgefunden haben, Ukrainerinnen und Ukrainer privat bei sich aufzunehmen, und die Kommunen mit der Integration alleingelassen. Ich denke, das kann nicht das Ziel dieses Landtages sein.
Dem MSGIV ist das Problem inzwischen bewusst; bei der Beratung am 26.10. – auf dem sogenannten Flüchtlingsgipfel – hat Herr Ranft den Kommunen zugesagt, dass es gelöst wird. Nun habe ich die ganze Zeit gewartet, dass die Koalition einen Gesetzentwurf einbringt, denn dieses Problem wird man nur gesetzlich lösen können.
Da wir aber nicht nur eine aufmerksame, sondern auch eine konstruktive Opposition sind, haben wir uns gedacht, dass wir den Gesetzentwurf einbringen und Ihnen quasi als Serviceleistung die Lösung des aufgetretenen Problems vorschlagen.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte und erwarte Ihre Zustimmung zu der
von uns beantragten Überweisung an den Sozialausschuss. – Herzlichen Dank.“
Und meine Rede zum Abschluss der Debatte dokumentiere ich hier:
„Herzlichen Dank auch für die Antwort, Frau Nonnemacher. Ich kann nur sagen: Ich kann mich an die Abgeordnete Nonnemacher erinnern, die uns – als rot-rote Landesregierung – zur Sau gemacht hätte, wenn wir so agiert hätten, wie Sie hier gerade agieren. Diese Haushaltsverhandlungen sind eine Farce!
Uns liegt hier ein Haushalt vor, in dem über 20 % noch irgendwie dazukommen; die Koalition verteilt das scheibchenweise – hier ein bisschen, da ein bisschen. Und: In den Ausschüssen können Sie uns nicht einmal das Verfahren erklären, wie in den Fachausschüssen darüber gesprochen werden soll, wenn irgendwelche Änderungsanträge reinflattern. Ich finde das wirklich unsäglich!
Vizepräsident Galau:
Frau Abgeordnete Johlige, lassen Sie eine Zwischenfrage?
Frau Johlige (DIE LINKE):
Selbstverständlich, gern – von Herrn Bretz doch immer.
Vizepräsident Galau:
Bitte schön.
Bretz (CDU):
Danke, Herr Vizepräsident. – Danke, liebe Frau Kollegin Johlige. Vielleicht kann ich helfen, Ihren Gemütszustand wieder zu versachlichen, indem ich auf die Diskussion von heute Morgen verweise, in der wir erklärt haben, dass wir Ihnen spätestens im Dezember-Plenum eine fertige Notlagenerklärung vorlegen. Wir werden Ihnen – wie von Ihnen übrigens gewünscht – nach Durchführung der Diskussionsveranstaltungen mit den Betroffenen fertige Konzepte mit inhaltlich untersetzten Zahlen vorlegen. Würden Sie uns zubilligen, diese Aufgabe seriös und solide zu erledigen und Ihnen auch aus Respekt Ihnen gegenüber – keine Zwischenstände, sondern handfeste, belegbare Zahlen zu kommunizieren? Haben Sie Verständnis dafür, dass wir das dann, wie hier übrigens auch besprochen
und verabredet, im Dezember tun werden!
Frau Johlige (DIE LINKE):
Respekt vor dem Parlament und vor der Opposition wäre es, Herr Bretz, wenn Sie vorsähen, dass jeder Fachausschuss, der von Ihren Änderungen betroffen ist, noch einmal tagt. Das wäre Respekt!
Aber zurück zu der Debatte, die wir gerade führen: Ich habe hier ganz oft „Danke“ gehört. Und ich habe vorhin schon gesagt: Sie verlassen sich ein weiteres Mal auf andere. – Die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten ist eine Landesaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Sie lassen jedoch die Kommunen und die Ehrenamtlichen vor Ort ein weiteres Mal allein. Landespolitik hat die Aufgabe, Ehrenamtlichkeit vor Ort zu unterstützen und zu ermöglichen – und nicht, ihre eigenen Probleme dauerhaft auf sie abzuwälzen. Genau das tun Sie aber.
Sie erwarten, dass die Kommunen – das ist ihnen ja am 26.10. mitgeteilt worden – auch im nächsten Jahr 35 000 Geflüchtete aufnehmen, und Sie haben bisher keinerlei Anstalten gemacht, Finanzierungszusagen zu geben, beispielsweise das Integrationsbudget aufzustocken oder – auch jetzt – weitere Maßnahmen zur Integration zu ergreifen, indem Sie wenigstens das Problem, das wir jetzt schon sehen, lösen.
Ich möchte noch einmal sagen, wofür die Mittel der Migrationssozialarbeit II in diesem Land eingesetzt werden. Sie sind zur Unterstützung der Schulsozialarbeit vor Ort verwendet worden, ebenso zur Arbeitsmarkintegration, für niedrigschwellige Begleitungen, psychosoziale Unterstützungen, Beratungen im Alltag sowie zur Unterstützung bei der Wohnungssuche. Und nein, meine Damen und Herren, die Jobcenter werden genau diese Aufgaben nicht erledigen können; dafür sind sie nicht aufgestellt. Deswegen ist es fahrlässig, den Gesetzentwurf nicht wenigstens an den Ausschuss zu überweisen.
Da könnten wir dann übrigens auch darüber reden, ob Ukrainerinnen und Ukrainer vielleicht ein bisschen weniger Integrationsbedarf haben. Wir sind gern bereit, auch über Berechnungsgrundlagen zu reden. Aber in Abrede zu stellen, dass es die Migrationssozialarbeit II für Geflüchtete aus der Ukraine braucht,
halte ich für falsch.
Frau Kniestedt, Sie haben mich so gereizt, dass ich jetzt wirklich etwas zur Rolle der
Grünen sagen muss. Wissen Sie: Die flüchtlingspolitisch Aktiven in diesem Land hatten Hoffnung in die
grüne Partei dieser Koalition gesetzt – und Sie haben sie nicht nur einmal enttäuscht.
Sie wollten das Integrationsbudget erst abschaffen. Dann hat Ihre Integrationsministerin, von der wir ja inzwischen wissen, dass sie eher eine Gefahr für die Integrationsstrukturen in diesem Land ist, es so verbürokratisiert – und Sie haben dann ja auch den 30%igen Eigenanteil mitgetragen -, dass das Instrument inzwischen kaum noch handhabbar ist und bis Mitte des Jahres nicht einmal 50 % beantragt wurden. Sie – die Grünenpartei – haben übrigens auch der Taskforce „Abschiebungen“ zugestimmt.
Ihr Wirken war es nicht – auch wenn Sie das vorhin gern behauptet haben -, das die Migrationssozialarbeit II und das Integrationsbudget im vergangen Jahr gerettet hat. Ich bin sehr gespannt auf die morgige Debatte und auf die Grundsätze der Grünen, wenn wir über das Abschiebedrehkreuz reden; den zivilgesellschaftlichen Organisationen haben Sie ja schon gesagt, dass Sie zustimmen müssen. Ganz ehrlich: So eine Grünenpartei ist ein Totalausfall in der Flüchtlingspolitik; die
braucht kein Mensch. Sie sind keine Hoffnung mehr für zivilgesellschaftliche Organisationen, sondern die
größte Enttäuschung in dieser Koalition.“