Rede zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes

Rede zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes

Es lag die Becshlussempfehlung des Ausschusses vor, die vorsah, dass die geplante Einschränkung der Anspruchsdauer für anerkannte Geflüchtete auf Migrationssozialarbeit zurückgenommen und die Regelung zur MIgrationssozialarbeit für anerkannte Geflüchtete bis Ende 2024 verlängert wird. Das war genau das, was wir minimal gefordert hatten und so haben wir zugestimmt. Allerdings hätten wir uns auch mehr vorstellen können.

Die Rede ist hier als Video verfügbar.

Außerdem habe ich auf die Rede der grünen Abgeordneten Karla Kniestedt eine Kurzintervention gemacht, die hier anzuschauen ist.

Die Rede dokumentiere ich hier zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Ich fange mit der guten an. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, weil das Gesetz tatsächlich eine
Verbesserung für die Betroffenen ist und natürlich auch für die Migrationssozialarbeiterinnen und für die Träger, die damit zumindest für drei Jahre Sicherheit haben. Wir wissen, dass es in der Beratungsarbeit,
gerade auch in der Migrationsberatungsarbeit, sehr wichtig ist, dass Vertrauensverhältnisse aufgebaut werden können. Deshalb ist dort Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit sehr wichtig. Deshalb werden wir zustimmen.
Die schlechte Nachricht ist allerdings: Ich bin enttäuscht. Und zwar bin ich enttäuscht von der fachlichen Debatte im Ausschuss. Ich möchte das hier thematisieren, weil wir im nächsten Jahr eine Evaluation des Landesaufnahmegesetzes haben und ich wirklich dringend darum bitten möchte, dass wir mit vorliegenden Änderungsanträgen anders umgehen. Wir haben in unserem Änderungsantrag ein Problem thematisiert und ich habe bis heute nicht ein einziges Argument von Ihnen gehört, warum Sie den abgelehnt haben. Das finde ich sehr schade, denn in ihm wird ein Problem thematisiert, das tatsächlich vorhanden ist und auf das wir übrigens auch schon im vergangenen Jahr hingewiesen haben: Es ist nicht in erster Linie die Frage, wie lange die Anspruchsberechtigung – also diese
drei Jahre – nach Anerkennung besteht, sondern es ist vor allem die Berechnung der Stellen und die Grundlage. Sie sagen: Anspruch hat, wer anerkannt ist, bis zu drei Jahre danach. Das wird an den Zugang für das SGB II gekoppelt. – Das kann man machen, irgendeine Berechnungsgrundlage braucht man. Man produziert damit aber
virtuelle Anspruchsberechtigte, denn in dem Moment, wo jemand zwischendurch mal wieder einen Job hatte, aus dem SGB II herausgefallen ist, und dann wieder hereinkommt, ist er auf einmal zweimal darin. Damit ist er ein virtueller Anspruchsberechtigter.
Ich weiß, wie das zustande gekommen ist. Es ist aber dann ein Problem, wenn die Zugangszahlen extrem schwanken – und das tun sie derzeit -, denn dann besteht am Ende immer ein Schwanken der Stellen, weil die Zahl der Anspruchsberechtigten dann auch die Grundlage dafür ist, wie viele Stellen ich landesweit habe. Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag vorgeschlagen, dass man es eben nicht an den Zugang des SGB II, sondern an den SGB-II-Bezug koppelt. Da sagen Sie dann ideologisch: Das hieße aber, dass sie dann länger als drei Jahre Anspruch haben. – Ich persönlich glaube, wer im SGB-II-Bezug ist, hat auch noch Integrationsbedarf. Das würde aber einerseits das Problem des Schwankens der Stellen lösen, was wir, glaube ich, alle gelöst haben wollen. Zweitens würde es dazu führen, dass wir keine virtuellen Anspruchsberechtigten hätten, sondern nur Anspruchsberechtigte, die real existieren und tatsächlich auch Integrationsbedarf haben.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie diesen Änderungsantrag, den auch mehrere Anzuhörende als eine sehr gute Lösung bezeichnet haben, mit etwas mehr Fachlichkeit behandelt hätten und uns an dieser Stelle auch Ihre Gegenargumente genannt hätten.
Ich sage Ihnen auch gleich: Das Geldargument kann es eigentlich nicht sein; denn ich habe ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür, dass das, was wir hier vorgeschlagen haben, zumindest nach meinen Berechnungen – leider beantwortet das Ministerium Kleine Anfragen ja so, wie es will, und dann nicht immer so, wie sie gestellt wurden; deshalb habe ich vom Ministerium in der Antwort auf meine Kleine Anfrage keine Berechnungsgrundlage erhalten, aber bei Landkreisen angefragt – nicht teurer, sondern möglicherweise sogar eine Kosteneinsparung wäre – Haushälter, aufgepasst!
Deshalb wäre – gerade weil wir im kommenden Jahr eine Evaluation des
Laufaufnahmegesetzes durchführen und man bei diesem Gesetz sehr, sehr viel Unsinn machen kann, wenn man sich fachlich nicht tiefgehend damit beschäftigt – meine dringende Bitte, dass wir im nächsten Ausschuss, in dem wir wieder über das Gesetz sprechen, fachlich darüber beraten, gern auch streiten. Ich habe kein Problem damit, wenn Sie das anders einschätzen und entscheiden, als ich es tun würde. Ich möchte aber, dass zumindest eine Diskussion geführt wird und Anträge nicht einfach
ohne Begründung abgelehnt werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.“

Auch die Kurzintervention dokumentiere ich hier:

„Meine Damen und Herren! Liebe Karla, ich habe gestern vor allem
darüber gesprochen, wie ein Instrument – und zwar ein gut funktionierendes Instrument – der Integrationsarbeit kaputtgemacht wird. Und ja, es war Ursula Nonnemacher, die im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, in dem die Integrationspauschale abgeschafft und daraus ein Integrationsbudget gemacht wurde. Ich habe damals schon im Landtag gesagt: Wer eine gesetzliche Leistung zu einem Förderprogramm macht, will sie abschaffen.
Leider – wirklich leider – hatte ich damit recht.
Ich habe gestern auch gesagt: Es wurde dann im April – nicht vorher, erst im April – eine Richtlinie festgelegt, was schon zu einer Unterbrechung geführt hat, weil ja keiner wusste, wie es weitergeht. Vorgelegt wurde dann eine Richtlinie, die völlig überbürokratisiert war und nach der die ganze Arbeit auf die Landkreise verschoben wird; das Ministerium prüft am Ende nur noch die Anträge und Abrechnungen, die Arbeit aber machen die Landkreise. Und die Richtlinie ist so bürokratisch, dass einige Landkreise gesagt haben: Wir rufen das gar nicht mehr ab.
Erst kommt also das Gerücht und später wird tatsächlich ein Haushalt vorgelegt, in dem es dieses Instrument nicht mehr gibt. Nachdem es – wie ich gestern ausgeführt habe – ganz, ganz großen Druck von Trägern und Initiativen gab und ein paar mehr Flüchtlinge kamen, wird es dann doch wieder eingeführt. Man überlegt sich aber noch, einen 30-prozentigen Eigenanteil einzuführen; man überlegt sich noch, es auf Investitionen auszuweiten, und im Übrigen überlegt man sich noch, es zur Kofinanzierung europäischer Fonds zu nutzen. Ja, liebe Karla Kniestedt, das richtet Schaden an, und das war Ursula Nonnemacher! So macht man ein gut funktionierendes Instrument kaputt. – Herzlichen Dank.“