Virtuelle Sprechstunde mit Akteur*innen aus Sport und Fitness – Gezielte Hilfe notwendig
Da die Corona-bedingten Einschränkungen auch für uns Abgeordnete neue Wege erfordern, um mit den Akteur*innen im Wahlkreis im Gespräch zu bleiben, haben wir ein neues Format entwickelt: die virtuelle Sprechstunde. Wir haben bereits eine solche Sprechstunde für Kunst- und Kulturschaffende (Bericht hier im Blog), für Gastronom*innen (Bericht hier im Blog) und für Akteur*innen aus dem Bildungsbereich (Bericht hier im Blog) angeboten. Zu unserer vierten Sprechstunde haben mein Fraktionskollege Christian Görke und ich Sportvereine und Unternehmen aus dem Bereich Sport und Fitness eingeladen. Es nahmen zehn Vertreter*innen von Fitnessunternehmen und Sportvereinen aus dem Havelland und aus Brandenburg an der Havel teil.
In der Diskussion zeigen sich mehrere Problembereiche. Bei den Unternehmen der Fitnessbranche ist vor allem die finanzielle Lage ein riesiges Problem. Zwar sind hier Finanzhilfen im ersten Lockdown geflossen, jedoch bedeutet die erneute Schließung der Fitnessstudios extreme finanzielle Einbußen, die bisher nicht kompensiert werden. Die vom Bund angekündigten Novemberhilfen werden frühestens im Januar fließen. Ein Vertreter berichtete, dass die finanziellen Einbußen sich pro Monat jedoch 30.000 Euro belaufen (nicht eingezogene Mitgliedsbeiträge, da ja keine Leistung erbracht werden kann, dennoch weiterlaufende Kosten), die bisher durch nichts kompensiert werden. Gleichzeitig hatte das Unternehmen Kosten für Hygienemaßnahmen. Zwar wird versucht, die Einbußen über Individualtraining und Kurzarbeit zu verringern, aber die Existenz ist mittlerweile massiv bedroht. Auch der andere teilnehmende Unternehmer aus diesem Bereich schilderte eine ähnlich dramatische Lage.
Als LINKE machen wir uns stark, dass das Land bei den verzögerten Novemberhilfen erst einmal in Vorleistung geht, damit den Unternehmen (nicht nur aus dieser Branche) schnell geholfen wird. Bisher passiert da aber nichts. Die Kenia-Koalition macht das, was wir seit Monate beobachten: Abwarten, auf den Bund hoffen und bloß kein eigenes Geld in die Hand nehmen. Bisher verhallen unsere Warnungen, dass ganze Branche an dieser Ignoranz und diesem Nichtstun gerade krachen gehen, aber ungehört.
Die Unternehmer machten aber auch noch auf ein anderes Problem aufmerksam: das Problem der gesundheitlichen Nachteile durch weniger Bewegung. Die vielen Mitglieder der Fitnessclubs haben keine Chance, ihr oftmals gesundheitlich wichtiges Training fortzusetzen. Diese Sorge teilen sie mit den anwesenden Sportvereinen. Hier sind die finanziellen Probleme zwar nicht vergleichbar – vor allem da in den meiste Vereinen die Mitglieder dem Verein die Stange halten, obwohl aktuell kein Training möglich ist – jedoch wurde auch bei den Vertreter*innen der Vereine deutlich, dass die gesundheitliche Nebenwirkungen durch fehlenden Sport viel zu wenig Beachtung finden. Kinder und Erwachsene leiden darunter, ihren sportlichen Aktivitäten nicht nachkommen zu können und es ist auch für die Motivation der Einzelnen schwierig, kein regelmäßiges Training besuchen zu können. Dabei sind die Vereine durchaus flexibel. Mehrere Vertreter*innen berichtete über Ausweichaktivitäten bspw. über Online-Formate. Aber das kann natürlich ein Präsenztraining nicht ersetzen.
Für uns war wichtig zu hören, dass die Vertreter*innen der Vereine bemängeln, dass die Verwaltungen in den Städten und Gemeinden oftmals die Spielräume, die ihnen die Landespolitik lässt, nicht ausschöpfen. So gibt es die Möglichkeit, Sportstätten für Individualsport zu öffnen, nur gibt es im Havelland scheinbar keine Gemeinde, die dies ermöglicht. Und auch bei den semiprofessionellen Bereich werden Möglichkeiten nicht ausgenutzt. So berichtete bspw. der Vertreter vom ASC Brandenburg an der Havel, dass in Brandenburg das Marienbad vollständig geschlossen ist, während die Halle in Rathenow für den Schulsport und für den Kadersport geöffnet ist, weshalb die Kaderathleten aus Brandenburg nun in Rathenow trainieren.
Das Problem der unterschiedlichen Regelungen in verschiedenen Kommunen wurde auch von Vereinen aus dem berlinnahen Raum berichtet. Dort fuhren die Kinder teilweise nach Berlin, da ein Training in der Hauptstadt erlaubt war, in Brandenburg jedoch nicht. Als LINKE haben wir bereits mehrmals angemahnt, dass eine Abstimmung mit Berlin dringend notwendig ist, aber auch das verhallte bisher ungehört. Klar ist aber auch, dass es Absprachen zwischen Kommunen geben muss und wir erwarten, dass die Möglichkeiten, die die Landesregelungen bieten, zumindest intensiv geprüft werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Land Individualsport ermöglicht, es aber nicht möglich ist, individuell auf dem Sportplatz ein paar Laufrunden zu drehen, weil die Städte und Gemeinden dies nicht ermöglichen. Das werden wir für die Zeit nach dem nun anstehenden Lockdown thematisieren. Es muss möglich sein – sofern das Pandemiegeschehen dies ermöglicht – dass Sport individuell möglich ist.
Schön zu hören für uns war, dass die meisten Vereine bisher keinen Mitgliederschwund beobachten. Zwar sind die Eintrittszahlen in die Vereine nicht wie gewohnt über das Jahr erfolgt, zu einer nennenswerten Zahl von Austritte ist es jedoch bisher nicht gekommen. Allerdings haben mehrere Vertreter*innen der Vereine gesagt, dass die Sorge besteht, dass bei bisher aktiven Sportler*innen die Motivation sinken könnte und einige vielleicht auch ganz die Lust am Sport verlieren. Ob dies eintreten wird, wird aber sicher erst im Frühjahr deutlich werden.
Die mangelnde Planbarkeit, immer wieder neue Hygieneregeln und Maßnahmen und die Unsicherheit, wann es nun wirklich wie weitergeht, zehrt auch an den ehrenamtlichen Strukturen der Vereine. Auch hier besteht die Gefahr, dass Übungsleiter*innen, Trainer*innen und Aktive der Vereinsarbeit von der Stange gehen, zumal die Vereine auch ihre soziale Funktion durch das (gesellige) Miteinander kaum wahrnehmen können.
Es war wieder eine sehr spannende Runde, die wir im Januar fortsetzen wollen. Herzlichen Dank an alle Teilnehmer*innen für die interessanten Einblicke!