Von der FDP zur LINKEN - Herzlich willkommen, lieber Andreas!

Von der FDP zur LINKEN – Herzlich willkommen, lieber Andreas!

Heute gab es etwas, das es so in der Landespolitik noch nicht gab: Andreas Büttner, der ehemalige Fraktionsvorsitzende der FDP im Brandenburger Landtag und Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2014, ist in DIE LINKE eingetreten. Bekannt gemacht hat er das auf einer Pressekonferenz in seiner Heimatstadt Templin. Zu seinen Beweggründen lasse ich ihn selbst zu Wort kommen und dokumentiere unten seine persönliche Erklärung.

Ich will aber auch etwas dazu sagen, weil ich in den vergangenen Wochen sehr viele Gespräche mit ihm geführt habe und er mir dabei als Mensch und als Politiker ans Herz gewachsen ist. Und weil es irgendwie auch nicht schön ist, über jemanden zu schreiben, mach ich es in persönlicher Ansprache. Und damit keine Missverständnisse aufkommen, natürlich habe ich Andreas vorher gefragt, ob ich das so veröffentlichen darf 🙂

 

Lieber Andreas,

ich freue mich sehr, dass du den Schritt gegangen bist, in meine, in unsere gemeinsame Partei DIE LINKE einzutreten. Und eigentlich will ich sagen, es ist mir eine Ehre, mir dir gemeinsam in einer Partei zu sein. Das klingt jetzt erst einmal komisch, weil ich schon 20 Jahre (meine Güte wie die Zeit vergeht…) da bin, während du gerade dazu kommst. Und doch ist es mir eine Ehre, dass so jemand wie du zu uns stößt. Das ist ja auch eine Wertschätzung für die, die schon da sind, die Politik gestalten und versuchen, die Lebensbedingungen in diesem Land Brandenburg so solidarisch, demokratisch und gerecht wie irgend möglich zu gestalten.

Und ich habe Respekt vor deiner bisherigen politischen Arbeit, die auch im Landtag als Vorsitzender der FDP-Fraktion erstaunlich oft zur Kritik der (ersten) rot-roten Landesregierung von links führte. Und ganz ehrlich: ich habe in den Gesprächen und Chats der vergangenen Monate jemanden kennen gelernt, von dem ich mir sicher bin, dass er in Sachen Empathie, solidarischem Handeln und Konsequenz so manch einem, auch in der LINKEN, einiges voraus hat.  

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nach vielen Jahren, auch in Verantwortung für eine Partei, selbige verlässt. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man damit den einen oder anderen Menschen verliert, dem man bisher vertraut hat und mit dem man verbunden war. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, auch diesen, sicher schmerzlichen Verlust, zumindest ein wenig aufzufangen. Wir LINKE sind immer dann stark, wenn wir zusammen halten und zusammen sind. Ich wünsche mir sehr, dass wir stark genug sind, dir dieses Gefühl zu vermitteln.

Und ganz persönlich: Ey, wie oft passiert es eigentlich, dass man jemanden kennen lernt, wo man bereits nach dem ersten Abend weiß, dass da ne Freundschaft draus werden kann. Ich freu mich auf dich! Im Politischen und im Persönlichen!

Andrea

 

Und hier soll er nun selbst zu Wort kommen:

Persönliche Erklärung von Andreas Büttner zu seinem Eintritt in DIE LINKE

Jeder Mensch wird durch seine Erfahrungen geprägt. In den vergangenen Monaten habe ich sehr viele Erfahrungen gemacht, die meine persönlichen Einstellungen verändert haben. Sie sind durch äußere Einflüsse und durch persönliche Erlebnisse in einer Art und Weise verändert worden, die ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen konnte.
Ich bin ein politisch denkender Mensch, und deshalb muss ich Konsequenzen aus meinem veränderten Denken ziehen. Alles andere würde mich persönlich unglaubwürdig machen.
Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht, aber ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten viel nachgedacht und bin zu der Überzeugung gekommen, dass meine Wertvorstellungen am ehesten von der Partei DIE LINKE vertreten werden. Aus diesem Grund habe ich entschieden, die FDP zu verlassen und der Partei DIE LINKE beizutreten.
Ich möchte die Gründe, die insbesondere zu der Entscheidung geführt haben, gerne begründen:

 

1. Ich glaube an ein solidarisches Europa

Der europäische Gedanke war mir von jeher ein wichtiges Anliegen. Wenn wir aber ein gemeinsames Europa wollen, dann muss die Nationalstaatlichkeit überwunden werden. Das bedeutet auch, dass es gemeinsame Wirtschafts- und Sozialstandards in Europa braucht.
Diese gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialstandards sind bisher nicht umgesetzt und es hat sich in dramatischer Weise in der Griechenland-Krise gezeigt, dass dies falsch ist.

In der Griechenland-Krise haben wir gesehen, dass Banken in der europäischen Politik aktuell wichtiger sind als Menschen. Ich frage mich, wie es sein kann, dass wir es zulassen, dass Banken so wichtig werden, dass sie systemrelevant sind.

Ein solidarisches Europa zielt in erster Linie auf gute Lebensbedingungen für die Menschen ab. Diese müssen im Mittelpunkt des Handelns europäischer Politik stehen, nicht die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen von Banken und Konzernen. In Griechenland hat man die Banken gerettet, keine Investitionsanreize gesetzt und die schwachen Schultern noch stärker belastet. Das ist nicht das Europa, das ich will.

Die glaubwürdigere Politik hat hier die griechische Syriza-Partei und in Deutschland DIE LINKE vertreten.

 

2. Ich glaube an das Grundrecht auf Asyl

Das Grundrecht auf Asyl bedeutet, das individuelle Recht für jede und jeden zu sichern, Schutz vor Verfolgung, Krieg, Elend und Not zu finden.
Eine humanistische Flüchtlingspolitik kennt keine „Obergrenzen“. Sie kennt auch keine sicheren Herkunftsstaaten. Andere Parteien fordern gar, dass man den Kosovo als sicheres Herkunftsland ansieht obwohl die gleichen Parteien den Bundeswehreinsatz im Kosovo jedes Jahr mit der Unsicherheit der Situation begründen.
Grundgedanken Europas sind Freizügigkeit und offene Grenzen. Die europäische Politik verabschiedet sich gerade immer mehr von diesem identitätsstiftenden Element.
In der Frage der Flüchtlingspolitik brauchen wir endlich Integration durch Sprache und Integration in Bildung und Arbeitsmarkt. So können wir die Flüchtlingssituation bewältigen und den Flüchtlingen eine Lebensperspektive bieten. Sie sollen in die Lage versetzt werden, selber ihr Geld zu verdienen. Deswegen müssen diskriminierende Sonderregelungen bei Gesundheitsleistungen oder beim Zugang zu Arbeit und Wohnung abgeschafft werden.
Ich möchte, dass der Westbalkan künftig in die Entwicklungspolitik der Bundesregierung einbezogen und damit verhindert wird, dass diese Staaten das Armenhaus Europas werden.
In der aktuellen Situation hat nur DIE LINKE für mich die praktikablen Lösungen. Das sieht man auch in der Arbeit des thüringischen Ministerpräsidenten.

 

3. Ich halte die gegenwärtige Verteilung von Vermögen für ungerecht

Wenn Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden, stimmt etwas nicht in der Gesellschaft. Aktuell besitzen 3 % der Bevölkerung 40 % des Gesamtvermögens.
Gleichzeitig gibt es Kinder, deren Eltern ihnen nicht einmal täglich ein warmes Mittagessen in der Schule sichern können.
Eine solidarische Gesellschaft sorgt hier für Ausgleich.

Deswegen ist eine Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Einkommenssteuer im oberen Bereich notwendig, um niedrigere und mittlere Einkommen entlasten zu können. Deswegen halte ich einen Spitzensteuersatz wie unter der CDU/FDP-Regierung in den 1980er Jahren für den richtigen Weg.

Ich glaube auch, dass das Ehegattensplitting zu Gunsten eines Familienrealsplittings abgeschafft werden muss.

Ich bin davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Risiken auch von Unternehmen, auch von Banken getragen werden müssen. Immer mehr erleben wir, dass Großkonzerne und Banken ihre Gewinne privatisieren und ihre Verluste vergesellschaftlichen. Das ist nicht hinnehmbar in einer sozialen Marktwirtschaft.

 

4. Ich glaube an das Soziale in der sozialen Marktwirtschaft

Jeder Mensch kann im Laufe seines Arbeitslebens unverschuldet arbeitslos werden. Bereits nach 12 Monaten rutschen diese Menschen auf ein finanzielles Niveau, welches es für sie schwierig macht, ihre persönlichen Verpflichtungen weiter zu leisten und ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Hinzu kommt jedoch, dass diese Menschen, die teilweise jahrelang in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt haben, nun auch noch einen unwürdigen Prozess durchmachen müssen, um ihr Geld zu beantragen. Dieses Schauspiel halte ich für grundfalsch.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Solidarität nicht nur in Sonntagsreden verwenden dürfen. Solidarität bedeutet eben auch, dass Menschen füreinander einstehen. Dies soll sich gerade in den sozialen Sicherungssystemen widerspiegeln. Wir benötigen eine solidarische Versicherung für alle.
In den vergangenen Monaten musste ich persönlich feststellen, dass Kinder mit Behinderungen und Menschen, die ihr Leben lang in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt haben, bei einer schweren Krankheit und Pflegebedürftigkeit die notwendigen Leistungen nicht oder viel zu spät erhalten. Das ist nicht sozial, das ist asozial.
Ich möchte eine soziale Marktwirtschaft, keine asoziale Marktwirtschaft, wo der Markt über den Bedürfnissen der Menschen steht.

 

5. Ich glaube an längeres gemeinsames Lernen

Kinder, die länger gemeinsam lernen, haben die Chance auf eine gute soziale Entwicklung, da sie mit ganz unterschiedlichen Kindern zusammen sind.
Deswegen fordere ich seit Jahren, dass wir Kinder gemeinsam länger lernen lassen. Meine Forderungen waren unter anderem ein Schulcampus, mehr Gesamtschulen oder den Ausbau der Oberschulen mit einer gymnasialen Oberstufe. Ich bin nicht nur aus demographischen sondern insbesondere auch aus inhaltlichen Gründen von einem längeren gemeinsamen Lernen überzeugt.
Auch im Rahmen der Inklusion wird das nicht anders möglich sein. Mir ist Inklusion ein wichtiges Thema, welches Politik dringend begleiten muss.
Meine Vorstellungen in diesem Politikbereich sind deckungsgleich mit denen der Partei DIE LINKE.

 

6. Ich glaube an die Notwendigkeit der kommunalen Daseinsvorsorge

Kommunale Versorger haben in den letzten Jahren hervorragende Arbeit in Brandenburg geleistet. Wasser, Strom, Wärme – all das sind Grundbedürfnisse der Menschen. Ich glaube, dass diese Grundbedürfnisse nicht aus der öffentlichen Hand gegeben werden sollten. In dem Zusammenhang müssen auch falsche Entscheidungen der vergangenen Jahre korrigiert werden. Wo immer möglich sollen diese Bereiche wieder in die Hände der Kommunen überführt werden.

 

Dies sind einige Punkte, die es aus meiner Sicht erforderlich machen, die politischen Konsequenzen aus meinem Denken zu ziehen.
Ich weiß, dass ich viele Menschen damit enttäusche. Insbesondere diejenigen, die mich über viele Jahre persönlich begleitet haben. Das ist nicht meine Absicht. Aber meine politischen Ansichten sind nicht mehr zu vertreten in meiner bisherigen Partei.

Andreas Büttner
Templin, 16.10.2015