Braucht Brandenburg eine Wasserwerferstaffel?

Braucht Brandenburg eine Wasserwerferstaffel?

Dieser Text entstand anlässlich der Antwort auf meine kleine Anfrage zum Thema.  Der Vorabdruck der Antwort der Landesregierung ist hier zu finden.

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Wasserwerfer am Rande einer Veranstaltung in Potsdam.

Im Sommer ist bekannt geworden, dass der Innenminister des Landes Brandenburg, Herr Schröter, plant, eine Wasserwerferstaffel für Brandenburg anzuschaffen. 2012 war diese aus Kostengründen abgeschafft worden. Die Anschaffung der Wasserwerferstaffel, bestehend aus einem Neugerät Typ 10 und einem Gebrauchtgerät Typ 9 plus Sonderwagen, kostet das Land nichts. Die Anschaffungskosten trägt der Bund. Allerdings hat das Land die Unterhaltungskosten zu tragen.

Bei Lagen, bei denen der Einsatz von Wasserwerfern seit 2012 angezeigt war, wurde Unterstützung aus anderen Bundesländern angefordert. Das hat bisher auch immer funktioniert, es gab keine Lage, bei der die Unterstützung aus anderen Bundesländern bei Anforderung nicht stattgefunden hat. Warum also doch wieder eine Staffel?

Das Innenministerium argumentiert hier vor allem mit der gestiegenen Zahl der Einsätze. Die Prognose, „wonach die Anzahl von größeren Einsätzen, in denen zudem der Einsatz einer Wasserwerferstaffel grundsätzlich entbehrlich ist, auf einem niedrigen Niveau bleiben werde“, sei nicht eingetreten. Dies wird einerseits mit der Entwicklung der bundesweiten Sicherheitslage und der Feststellung, „dass die Anzahl ressourcenintensiver Einsätze ebenso gestiegen ist wie die Gewaltbereitschaft von Demonstrationsteilnehmern, beispielsweise anlässlich „Anti-Asyl-Veranstaltungen“, aber auch bei Gegenveranstaltungen“ begründet. Andererseits wird angeführt, dass die Zahl der Einsätze in Brandenburg vor allem im Jahr 2016 gestiegen ist. Sehen wir uns das doch einmal genauer an:

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Gegendemonstration beim Tag der deutschen Zukunft in Neuruppin.

Im Jahr 2012 gab es einen Einsatz, in den Jahren 2013 und 2014 keinen, im Jahr 2015 einen beim sogenannten Tag der deutschen Zukunft in Neuruppin und im Jahr 2016 zehn Einsätze – alle bei Pogida in Potsdam. Nun ist es völlig richtig, dass vor allem im zweiten Halbjahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 ein deutlich stärkeres Demonstrationsgeschehen in Brandenburg zu beobachten war als in den Vorjahren. Jedoch ist dieses einserseits wieder rückläufig und der Einsatz nur bei Veranstaltungen von Pogida in Potsdam und bei keiner anderen der vielen Veranstaltungen zeigt doch eher, dass nur bei einem Bruchteil der Kundgebungen und Demonstrationen aus Sicht der Polizei Wasserwerfer in die Taktik einbezogen wurden. Und, wer sich die Veranstaltungen in Potsdam angesehen hat, weiß, dass dort zuletzt kaum noch 30 Nazis auftauchten und die Gegenveranstaltungen zwar zahlenmäßig weit überlegen waren, diese jedoch trotz dieser Überlegenheit mitnichten durch Gewaltpotenzial gekennzeichnet waren. Einzig der erste Pogida-Aufmarsch war tatsächlich von Gewalt gekennzeichnet, was aber auch durch Fehler in der Einsatzführung mit verursacht wurde. Ein Wasserwerfer hätte da aber auch nicht geholfen.

Im Jahr 2016 hatten wir also zehn Einsätze in der Landeshauptstadt, bei denen Wasserwerfer in der Regel ein ganzes Stück weit weg standen und nicht zum Einsatz kamen. Und diese Einsätze sollen nun also die Anschaffung einer Wasserwerferstaffel rechtfertigen? Wenn gleichzeitig bekannt ist, dass das Demonstrationsgeschehen im gesamten Land wieder rückläufig ist und man deshalb von einem Einmaleffekt ausgehen kann, zumal bisher auch keine weiteren Veranstaltungen in Potsdam bekannt sind? Mich überzeugt diese Argumentation nicht!

Allerdings steht zu befürchten, dass, wenn die Staffel erst einmal da ist, diese häufiger in die Polizeitaktik einbezogen wird. Auch, weil das Innenministerium in der Antwort mitteilt, dass diese Einsatzmittel „moderne und ihrer Konzeption grundechtsfreundliche Einsatzmittel der Deeskalation“ sind. Nun, hier haben wir einen Dissens.

Es mag sein, dass Wasserwerfer, wenn sie da sind, abschrecken und damit Gewalt verhindern. Aber ist das wirklich Deeskalation? Oder ist eine deeskalative Strategie nicht eher ein sehr zurückhaltender Einsatz? Nach meiner Erfahrung wirkt oftmals das massive Auftreten in voller Montur ebenso eskalierend wie das Auffahren schweren Geräts. Schlicht, weil es die Stimmung anheizt und auch die Erwartungen der TeilnehmerInnen verändert. Und im Übrigen auch, weil es Teile der Zivilgesellschaft abschreckt und diese deshalb teilweise Versammlungen fern bleiben bzw. diese verlassen. In den vergangenen Monaten hat sich aber aus meiner Sicht (und ich war auf wirklich vielen Versammlungen und Demonstrationen) gezeigt, dass immer dann, wenn ein sehr breites Spektrum der Zivilgesellschaft anwesend ist, dies mäßigend auf potenziell gewaltbereite DemonstrantInnen wirkt. Deshalb wirkt Abschreckung gerade nicht deeskalierend sondern kann im Gegenteil eskalieren.

Ich vermute, dieser Dissens wird bleiben und wahrscheinlich führt gerade dieser zu einer anderen Einschätzung bezüglich der Notwendigkeit einer Wasserwerferstaffel.

Das Innenministerium räumt übrigens ein, dass es sich um ein „optisch-kommunkatives Einsatzmittel mit präventiv-abschreckender Wirkung“ handelt. Und ich teile die Auffassung, dass bei sommerlichen Temperaturen eine „Wasserwolke“ oder auch eine „Wasserwand“ (im Gegensatz zu einem gezielten Strahl) ein geringerer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist, als bspw. ein Schlagstock- oder Pfeffersprayeinsatz. Deshalb lehne ich einen Einsatz dieses Einsatzmittels auch nicht grundsätzlich ab. Es kann Lagen geben – und bspw. der Einsatz beim Tag der deutschen Zukunft 2015 (siehe oben) war eine solche – wo dieses Mittel sinnvoll ist und auch zum Einsatz kommen kann. Die deeskalierend Wirkung allerdings sehe ich wie oben ausgeführt nicht. Ein Indiz dafür, dass es in Brandenburg nur sehr selten solche Lagen gibt, ist insofern auch, dass es in 2012 bis 2015, wie bereits ausgeführt, nur zwei Lagen landesweit gab, wo Wasserwerfer eingesetzt wurden.

Was ich allerdings grundsätzlich ablehne – das sei hier erwähnt – ist das Beimengen von Reizstoffen beim Wasserwerfereinsatz, das hat das Innenministerium leider nicht grundsätzlich ausgeschlossen!

 

Wenn es aber nun zu einer Einsatzlage kommt, wo man einen Wasserwerfer gebrauchen könnte, aufgrund einer bundesweten Lage aber keiner verfügbar ist? Das Innenministerium räumt ein, dass dies noch nie der Fall war, teilt jedoch vorsorglich mit, es wäre „fahrlässig“, davon auszugehen, dass dies auch künftig immer ginge. Das ist ein Argument, dem nur schwer beizukommen ist, weil das natürlich passieren kann, die Frage ist aber, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau das passiert? Und rechtfertigt dieses – sehr geringe – Risiko, einen dauerhaft hohen Kosten- und Personaleinsatz? Aus meiner Sicht nicht, und ich will zumindest darauf hinweisen, dass diese Argumentation auch eher zu einer „Aufrüstungsspirale“ führt. Was passert denn, wenn man eine bundesweite Lage hat und im Land an zwei Stellen Wasserwerfer benötigt werden? Brauchen wir dan zwei Staffeln, oder lieber drei?

Es gibt aber noch ein weiteres Argument, das ich nennen will, das sind die Kosten. In der Antwort wird ausgeführt, dass für die Staffel ca. 70.000 bis 75.000 Euro jährlich für Unterhaltungskosten sowie im ersten Jahr 30.000 Euro und in den Folgejahren 5.000 Euro für Fortbildungskosten zu veranschlagen sind. Nicht beziffert werden können die Kosten für den Personaleinsatz. Gleichzeitig fallen pro Einsatz einer Staffel aus anderen Bundesländen im Schnitt ca. 10.000 bis 15.000 Euro an. Da könnte einige Male eine Staffel aus anderen Bundesländern angefordet werden, zumal wir ebenfalls erfahren, dass ein Verwaltungsabkommen mit dem Land Berlin existiert, nach dem die Unterstützungseinsätze kostenneutral sind. Auch wirtschaftlich scheint mir die Entscheidung für eine dauerhaft in Brandenburg vorgehaltene Staffel deshalb eher nicht begründet zu sein.

In der Antwort ist aber auch zu erfahren, dass der Technischen Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizeiabteilung zehn zusätzliche Dienstposten zugeordnet wurden. Sicher werden diese dort auch andere Aufgaben wahrnehmen, diese Personen waren aber vorher woanders eingesetzt und fehlen dort jetzt! Auch hier steht aus meiner Sicht Kosten und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis.

Und nun? Die Wasserwerfer sind bestellt. Ich finde diese Entscheidung – das dürfte klar geworden sein – falsch. Jedoch ist das die Entscheidung des Innenministers im Rahmen des Haushaltsvollzugs, auf die Parlament und andere Mitglieder der Landesregierung keinen Einfluss hatten. Wie aufgezeigt ist die Entscheidung zur Wiederanschaffung der Staffel mitnichten so „alternativlos“, wie das Innenministerium Glauben machen will, aber sie ist gefallen.

Ich war bisher sehr froh, dass die Polizei in Brandenburg tatsächlich in der Regel auf Deeskalation und zurückhaltende Einsätze gesetzt hat. Und damit ist Brandenburg auch sehr gut gefahren! Die Entscheidung für die Wasserwerfer bedeutet nicht zwagsläufig, dass sich dies ändert. Bleibt deshalb nur für uns als LINKE, sehr genau zu beobachten, wie die Staffel in die Polizeistrategie integriert wird und bei Fehlentwicklungen aus unserer Sicht zu protestieren und diesen politisch entgegenzuwirken.

 

Zu der Anfrage ist auch ein Artikel im neuen deutschland erschienen. Dieser ist hier zu finden.