Marokko, Algerien und Tunesien - sichere Herkunftsstaaten?

Marokko, Algerien und Tunesien – sichere Herkunftsstaaten?

Ich habe mich schon vor einiger Zeit sehr ausführlich hier im Blog zum Konzept der sogernannten sicheren Herkunftsstaaten geäußert. Ebenfalls hier im Blog veröffentlicht ist meine Landtagsrede zur Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Diesen beiden Artikeln wäre eigentlich wenig hinzuzufügen, angesichts der Tatsache, dass der Bundestag heute diese Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ festgelegt hat.

Damit setzt die große Koalition die faktische Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl für immer mehr Herkunftsländer fort. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung wird bei Menschen aus diesen Ländern nicht mehr stattfinden. Und das, obwohl jedem Bundestagsabgeordneten bewusst ist, dass diese Länder für Oppositionelle, Homosexuelle und religiöse Minderheiten mitnichten „sicher“ sind. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Der großen Koalition geht es darum, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Einerseits, indem Fluchtwege systematisch dicht gemacht werden und damit Geflüchtete auf immer gefährlichere Wege getrieben werden. Das, was die europäische Union an den Außengrenzen Europas tut ist Abschottung. Und damit in der Wirkung eine Verabredung zum Sterben lassen. Und andererseits versucht die Bundesregierung soviele Geflüchtete wie möglich, die es nach Deutschland geschafft haben, so schnell wie möglich wieder zurück zu schicken. Ob dabei Grundrechte (wie das Recht auf Asyl) oder internationales Recht (wie die Genfer Flüchtlingskonvention) mit Füßen getreten werden, ist egal. Ob damit Fehlentscheidungen in Kauf genommen werden,die im schlimmsten Fall tödlich sind, auch egal. Hauptsache schnell wieder weg.

All das ist nicht neu und wäre sicher keinen eigenen Blog-Artikel wert gewesen. Wenn da nicht die Argumentation wäre, allein die Diskussion darum, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, hätte die Flüchtlingszahlen aus diesen Staaten gesenkt. Diese Auffassung vertritt das BAMF und auch Innenminister De Maiziere. Auch das wäre keine Meldung im Blog wert, wenn diese Argumentation nicht eine dreiste Täuschung der Öffentlichkeit wäre.

Stellen wir doch einmal die Gesamtzahlen der eingereisten Flüchtlinge und die der Maghreb-Staaten nebeneinander:

Einreisen                  Gesamt                    Maghreb                       Anteil Maghreb an Gesamteinreisen
2015                         1.091.894                26.036                          2,38%
Januar 2016             91.671                     3.356                            3,66%
Februar 2016           61.428                      599                               0,98%
März 2016                20.608                     480                               2,33%

Bis auf den Februar, wo tatsächlich anteilig weniger Asylsuchende aus den Maghrebstaaten eingereist sind, bewegt sich der Anteil im Januar (also als die Diskussion begann) auf höherem Niveau als im Vorjahr, im März ist der Anteil nahezu genauso hoch wie im Jahr 2015. Solche Schwankungen von Monat zu Monat sind völlig normal. Das Sinken der Einreisen aus diesen Ländern ist – und das zeigt diese einfache Rechnung – eben nicht auf die Diskussion um sogenannte sichere Herkunftsstaaten zurückzuführen, sonden schlicht und ergreifend darauf, dass die Menschen es nicht mehr nach Europa bzw. nach Deutschland schaffen. Und das eint sie mit allen anderen Geflüchteten.

Im Klartext: Zwar sind die Einreisezahlen bei den Geflüchteten aus Maghreb-Staaten gesunken, jedoch im gleichen Maß wie die Einreisen aus anderen Herkunftsländern gesunken sind. Weil Europa die Leute lieber an der Außengrenze verrecken oder in Idomeni im Schlamm vor sich hin vegetieren lässt, als ihnen zu helfen. Und inzwischen auch, weil man sie lieber in die Türkei zurück schickt anstat der eigenen Verantwortung gerecht zu werden.

Eines ist klar: Nur weil Deutschland findet, dort sei es „sicher“, wird niemand, dem Folter, Tod oder Verfoldung drohen, zu Hause bleiben und sagen: „Ach, ist ja doch alles nicht so schlimm. Wenn die Deutschen das sagen wird es ja stimmen und dann bleib ich doch mal lieber hier.“ Und schon gar nicht wird die Diskusson darum, dass Deutschland findet, dort sei es „sicher“, dazu führen, dass sich die Menschen nicht auf den Weg machen.

Was aber bezwecken das BAMF und der Innenminister dann damit? Ganz einfach: Sie brauchen diese Argumentation, um der Öffentlichkeit vorzugaukeln, die faktische Abschaffung ihres individullen Rechts auf Asyl würde die Menschen davon abhalten zu kommen. Nach dem Motto: „Seht ihr, wir hatten Recht, die hatten gar keinen Grund herzukommen und nun bleiben sie zu Hause, weil wir ihnen den Weg verbauen, dauerhaft hier zu sein.“

Damit richten sie auch etwas an: Sie bedienen Vorurteile in Teilen der Bevölkerung und spielen damit all denen in die Hände, die ja schon immer wussten, dass die meisten, die zu uns flüchten, ar keinen Fluchtgrund haben und sich hier nur en schönes Leben machen wollen. Und die Medien? Die haben die Argumentation ungefragt übernommen. Und deshalb war es mir einen Artikel wert, um deutlich zu machen, wie gezielt hier Stimmung gemacht wird. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Leser dieses Blogs, der inDisussonen bei Aftauchen dieses Arguments mit diesem aufräumen kann.