Rede in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 03, Haushalt des Ministeriums für Inneres und Kommunales
Haushaltsberatungen sind die Sternstunden des Parlaments heißt es. Ich durfte in diesem Jahr für meine Fraktion zum Einzelplan 03, dem Haushalt des Ministeriums für Inneres und Kommunales sprechen. Mein Schwerpunkt war die Flüchtlingspolitik.
Die Rede ist hier als Video verfügbar.
Und hier dokumentiere ich die Rede zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:
„Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin in der Generaldebatte viel über Weichenstellungen gehört, und auch ich möchte etwas zu Weichenstellungen sagen, und zwar zur Weichenstellung in der Flüchtlingspolitik: Seit Beginn der Wahlperiode beobachten wir einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik – leider, muss ich sagen -, weil wir eine Abwendung vom Fokus auf die Integration beobachten. Stattdessen wird alle Kraft und alles Geld für Abschiebung aufgewandt.
Das spiegelt sich auch im Haushalt wider: Obwohl in diesem Jahr fast 40 000 Menschen nach Brandenburg geflüchtet sind, bleiben die Gelder für Integration – wie im Vorjahr – auf niedrigem Niveau. Die Menschen, die in diesem Jahr aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind, haben ab Januar keinen Anspruch mehr auf Migrationssozialarbeit. Den Gesetzentwurf, den wir in der vergangenen Sitzung eingebracht haben, haben Sie abgelehnt, und Sie lassen erneut die Kommunen und die Ehrenamtlichen allein.
Genau diese Weichenstellung setzt sich auch im Einzelplan 3 fort: Sie streichen die ohnehin schon knappen Mittel für Dolmetscher, für psychologische Beratung und die unabhängige Flüchtlingsberatung in der ZABH mit dem Hinweis, ich zitiere: „weniger aufgrund der Einsparvorgaben“. 450 000 Euro gestrichen! – Es ist irgendwann auch den Grünen aufgefallen, dass das jetzt möglicherweise ein blödes Signal wäre, weshalb es dann einen Antrag der Koalition gab, dass die Geflüchtetenberatung trotz der Kürzung, bei der es ja nicht bleibe, in der bisherigen Form fortgesetzt werden soll.
Ja, liebe Koalition, wie soll das denn gehen? Das Geld in diesem Titel hat schon eh nicht gereicht, und mehr Geld stellen Sie nicht zur Verfügung. Insofern ist das weiße Salbe, und das wissen Sie auch sehr genau, denn die Kürzung um 450 000 Euro bleibt.
Psychologische Beratung wird es nach dem Änderungsantrag der Koalition in der ZABH gar nicht mehr geben. Gespart an der falschen Stelle, kann ich da nur sagen.
Aber hey, es braucht natürlich Geld – viel Geld für das Denkmal, das Sie zwei Innenministern bauen wollen, nämlich einem ehemaligen Innenminister – Herrn Seehofer – und einem Innenminister auf Abruf, Herrn Stübgen. Das Denkmal, das Sie bauen wollen – darüber haben wir in der letzten Sitzung auch schon gesprochen -, ist das Abschiebedrehkreuz in Schönefeld. Circa 5 Millionen Euro stellen Sie für 2023 und 2024 schon ein und sehen erstaunlicherweise auch die Schaffung von 18 bzw. 22 Personalstellen vor. Wofür dieses Personal gebraucht wird – für ein Abschiebezentrum, das noch gar nicht gebaut ist -, bleibt des Innenministers Geheimnis; zumindest hat er es dem Ausschuss nicht verraten.
Sie stellen die Weichen, um – ab 2025 – 315 Millionen für 21 Jahre Miete für dieses Abschiebezentrum auszugeben. Der Bund gibt noch ein bisschen was dazu, und so kommen wir am Ende auf 470 Millionen Kaltmiete – bei 155 Millionen Baukosten – für einen vorbestraften Investor.
Ich bleibe dabei – Herr Vida hat völlig recht -: Das ist eine obszöne Rendite, und es ist Ihre Prioritätensetzung, die wir hier beobachten können. Sie lassen die Kommunen und die Ehrenamtlichen mit der Integration allein. Die psychologische Beratung und die unabhängige Flüchtlingsberatung in der ZABH schaffen Sie ab. Aber Hunderte von Millionen für ein überdimensioniertes Abschiebezentrum – die sind da. Liebe Grüne, liebe SPD, das ist auch Ihre Prioritätensetzung. Es bleibt dabei: Es braucht dieses Abschiebezentrum in dieser Form nicht.
Um diesen Finanzskandal mit Ansage zu verhindern, haben wir selbstverständlich erneut einen Antrag auf Streichung der Titelgruppe vorgelegt. Dem Antrag der Freien Wähler, einen qualifizierten Sperrvermerk in diese Titelgruppe einzuführen, werden wir selbstverständlich zustimmen, wenn Sie unseren Antrag überraschenderweise ablehnen sollten.
Bei diesem Projekt mit all den Unregelmäßigkeiten, vergaberechtlichen Problemen, dem extrem hohen Finanzvolumen und der erlebten Intransparenz des Innenministeriums kann der Landtag der Landesregierung keinen Freibrief ausstellen. Beschließen Sie diesen Haushalt so, wie er ist, steht zwischen dem Innenminister und dem Abschiebedrehkreuz nur noch Frau Lange, die, wie bekannt, das Projekt selbst angestoßen und die undurchsichtigen Verbindungen mit dem Investor eingegangen ist.
Meine Damen und Herren, deshalb bitte ich dringend darum, dass Sie, wenn Sie schon unserem Antrag nicht zustimmen, zumindest dem Antrag der Freien Wähler zustimmen, dass hier ein qualifizierter Sperrvermerk hineinkommt.
Meine Damen und Herren, natürlich beantragen wir auch erneut, wie schon im Ausschuss, dass die Gelder für die unabhängige Flüchtlingsberatung, die psychologische Betreuung und die Dolmetscherkosten wieder auf das Vorjahresniveau angehoben werden. Beide Anträge der Linken wären die richtige Weichenstellung in der Flüchtlingspolitik; deshalb bitte ich um Zustimmung.“