Verbleib von 24.900 Schuss Munition der Brandenburger Polizei unklar – Eine erste Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse

Verbleib von 24.900 Schuss Munition der Brandenburger Polizei unklar – Eine erste Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse

Im Innenausschuss am 8. November informierte der Innenminister, dass der Landesrechnungshof bei einer Prüfung festgestellt habe, dass es beim Polizeilichen Sportschießen zu einer Unregelmäßigkeit gekommen sei. Demnach sei es bei einem Sichtungsschießen im Juni 2022 zu deutlich mehr Munitionsverbrauch gekommen, als verschossen worden sein könne. Nach den Berechnungen sei der Verbrauch mit mindestens  4.400 Schuss – 3.000 Patronen Sportmunition, 1.400 Patronen 9 mm Dienstmunition) – zu hoch angegeben worden. Davon sei das Ministerium bereits Anfang 2023 durch den Rechnungshof in Kenntnis gesetzt worden, man habe daraufhin die Innenrevision beauftragt diesen Fall zu prüfen und diese sei zu der Schlussfolgerung gekommen, dass der Munitionsverbrauch plausibel sei, es mithin kein Problem gäbe.

Der Rechnungshof habe jedoch auf seiner Darstellung bestanden und deshalb sei es im September zu einem Gespräch gekommen, bei dem deutlich geworden sei, dass der angegebene Verbrauch tatsächlich zu hoch sei. Gleichzeitig habe eine Person ihre Aussage geändert, weshalb auch das Ministerium nun davon ausgehe, dass bei diesem Sichtungsschießen weniger Munition verschossen worden sei als angegeben, mithin tatsächlich der Verbleib von 4.400 Schuss Munition ungeklärt sei. Daraufhin habe man seitens des Ministeriums bei der Staatsanwaltschaft Anzeigen gegen unbekannt erstattet und wolle nun den Ausschuss informieren. Außerdem sei die Teilnahme der Sportschützen an Wettkämpfen ausgesetzt worden. Der Minister erklärte den Vorgang mit „Schlamperei“ und mangelnder Dokumentation.

Schon an diesem 8. November war uns klar, dass der Minister den Ausschuss vor allem informiert, weil der Jahresbericht des Landesrechnungshofs am 27. November der Öffentlichkeit vorgestellt wird, der Vorgang also auf jeden Fall öffentlich wird und der Minister deshalb von sich aus den Ausschuss informieren wollte, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht informiert zu haben.

Am 27. November wurde dann jedoch klar, dass der Minister den Ausschuss nicht nur sehr spät, sondern vor allem auch unvollständig informiert hat. Im Bericht des Landesrechnungshofs (ab S. 134) ist nicht nur von mangelnder Dokumentation der verbrauchten Munition bei dieser einen Schießveranstaltung die Rede. Vielmehr hat sich der Rechnungshof auch weitere Wettkämpfe bis ins Jahr 2017 zurückreichend angeschaut und festgestellt, dass insgesamt der Verbleib von 24.900 Schuss Munition ungeklärt ist. Die „Schlamperei“ ist also anscheinend keine einmalige Sache sondern ein systematisches Problem.

Und es geht noch weiter: Der Rechnungshof schildert außerdem, dass er festgestellt hat, dass nachdem er am 25. August 2022 vormittags den Zentraldienst der Polizei (ZDPol) informiert hat, dass er eine Prüfung des Polizeilichen Sportschießens vornehmen wird, zwischen dem 25. August (nachmittags) und dem 30. August 2022 an 24 von 34 erfassten Sportwaffen im elektronischen Nachweissystem die Datensätze ergänzt, korrigiert und geändert wurden. Bei zehn Waffen erfolgte bspw. die erstmalige Erfassung des Nutzers. Es ist also davon auszugehen, dass nicht nur im Bereich der Munition sondern auch im Bereich der Waffen von einer mangelnden Dokumentation auszugehen ist.

Der Rechnungshof monierte außerdem zu hohe Beschaffungsmengen und daraus resultierend einen hohen Lagerbestand der den Bedarf mehrerer Jahre überschritt. Und auch bei den Waffen wurden anscheinend mehr beschafft, als benötigt wurden, zumindest wurden nicht alle Waffen tatsächlich einem Schützen übergeben.

Und dem Bericht ist zu entnehmen, dass das Ministerium versucht hat, die Veröffentlichung der Prüfergebnisse des Rechnungshofs zu verhindern, indem es anmerkte, dass die Berechnungen des Rechnungshofs einseitige Annahmen seien und das Ministerium weiteren Ermittlungsbedarf sehe. Man kann den Eindruck bekommen, dass es hier dem Ministerium eher um Vertuschung geht, weshalb dem Rechnungshof zu danken ist, dass er die Erkenntnisse dennoch in seinen Jahresbericht aufgenommen hat.

Am 29. November fand wieder eine Sitzung des Innenausschusses statt. Dazu hatte meine Fraktion das Thema auf  die Tagesordnung gesetzt und auch darum gebeten, dass der Landesrechnungshof zu diesem Tagesordnungspunkt mit eingeladen wird. Auch das Ministerium hat darum gebeten, erneut dazu berichten zu dürfen.

Im Folgenden versuche ich die Erkenntnisse dessen, was im Ausschuss erklärt wurde, zusammenzufassen und auch die offenen Fragen zu benennen, die weiterer Aufklärung bedürfen.

Zeitabläufe

Für uns stand insbesondere die Frage, weshalb das Ministerium den Ausschuss nicht rechtzeitig informiert hat. Immerhin hat das Ministerium seit Januar 2023 Kenntnis davon, dass es möglicherweise zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Spätestens seit September ist auch dem Ministerium klar, dass tatsächlich der Verbleib erheblicher Mengen Munition nicht geklärt ist. Spätestens hier hätte eine Information des Landtages stattfinden müssen. Und auch die Information der Brandenburger Polizeibeauftragten erfolgte nicht. Augenscheinlich wurden sowohl die Polizeibeauftragte als auch der Ausschuss erst informiert, als klar war, dass der Vorgang durch den Bericht des Landesrechnungshofs öffentlich werden würde und auch die Einschaltung der Staatsanwaltschaft erfolgte sehr spät.  

Nach den Informationen, die im Ausschuss erfragt wurden, ergibt sich folgender Zeitablauf:

22. August 2022            
Information des Rechnungshofs an den ZDPol, dass eine Prüfung des Polizeilichen Sportschießens stattfinden wird

26. Januar 2023             
Information des Rechnungshofs an das Innenministerium, dass bei der Prüfung deutliche Unregelmäßigkeiten beim angegebenen Munitionsverbrauch und der tatsächlich verschießbaren Menge festgestellt wurden

30. Januar 2023             
Beauftragung der Innenrevision des Ministeriums und des Polizeipräsidiums den Vorgang zu überprüfen

16. Februar 2023           
Vorlage des Berichts beider Innenrevisionen beim Ministerium, Ergebnis: Verbrauch plausibel, aber Dokumentation des Verbrauchs tatsächlich unzureichend

21. September 2023     
bei Beratung von Ministerium und Landesrechnungshof wird auch dem Ministerium deutlich, dass der Munitionsverbrauch nicht plausibel ist

29. September 2023     
ein durch die Innenrevision befragter Beteiligter ändert seine Aussage und gibt an, dass ja noch Munition übrig sei

20. Oktober 2023          
Information der Staatsanwaltschaft, Anzeige gegen unbekannt

8. November 2023        
(unvollständige) Information des Innenausschusses und der Polizeibeauftragten des Landes

28. November 2023      
Erlass des Ministers zum Umgang mit Munition und Waffen

Es blieb im Ausschuss auch bei hartnäckigen Nachfragen offen, weshalb der Minister den Ausschuss und auch die Polizeibeauftragte so spät informierte. Es wurde deutlich, dass die Polizeibeauftragte bis heute den Bericht der Innenrevisionen nicht bekommen hat. All das lässt nur den Schluss zu, dass der Minister hoffte den ganzen Vorgang unter der Decke halten zu können. Angesichts von fast 25.000 Schuss Munition, deren Verbleib ungeklärt ist, ist allein diese unterlassene Information ein Skandal!

Unklar blieb auch, weshalb er den Ausschuss und die Polizeibeauftragte am 8. November nicht umfassend informierte sondern nur über 4.400 fehlende Patronen berichtete. Er begründete das damit, dass er dem Rechnungshof nicht vorgreifen wollte und deshalb nur über den Vorgang, den er der Staatsanwaltschaft übergeben hat, berichtet habe. Da stellen sich dann aber gleich weitere Fragen: Warum wurde der Staatsanwaltschaft nicht der gesamte Vorgang übergeben? Heißt das, dass die Staatsanwaltschaft sich nur mit 4.400 Schuss fehlender Munition beschäftigt, nicht jedoch mit den weiteren fehlenden Patronen?

Organisationsversagen

Nach allem, was wir im Ausschuss erfahren haben, gibt es ein eklatantes Organisationsversagen, die als Hauptursache für den Vorgang gelten kann: die  Person, die im ZDPol für Beschaffung, Technik und Logistik zuständig war, war im Nebenamt als Fachwart Schießen für das Polizeiliche Sportschießen verantwortlich. Diese Personalunion führte dazu, dass derjenige, der für das Polizeiliche Sportschießen Waffen und Munition bestellte, auch derjenige war, der diese beim ZDPol beschaffte. Es gab also nicht nur kein Vier-Augen-Prinzip bei der Übergabe, es gab eigentlich auch niemanden außer dieser einen Person, der irgendeinen Einblick hatte, was da in welcher Menge beschafft wurde, wie der Umgang damit war und wie dies dokumentiert wurde.

Diese Personalunion existierte anscheinend seit 2014, es ist also gut möglich, dass es auch vor 2017 schon zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Diese Person wurde vom damaligen Polizeisportbeauftragten (inzwischen pensioniert) in dieses Nebenamt berufen.  Dass seitdem niemandem aufgefallen ist, dass eine solche Konstellation gerade bei so sensiblen Fragen wie dem Umgang mit Waffen und Munition ein Problem sein könnte, erstaunt.

Im Ausschuss machte es teilweise den Eindruck, als wolle der Minister der Leiterin der Polizeihochschule, die Verantwortung für den gesamten Vorgang in die Schuhe schieben, da das Polizeiliche Sportschießen bei der Hochschule angesiedelt ist (was nur der Fall ist, weil der Polizeisportbeauftragte der Hochschule der Polizei zugeordnet ist). Diese ist jedoch kürzer im Amt als der Minister, und dieser hat ihren Vorgänger (in dessen Amtszeit diese Personalentscheidung fallen dürfte) inzwischen als Abteilungsleiter in sein Ministerium geholt. Wenn also jetzt Verantwortliche gesucht werden, dann doch bitte dort, wo die Gesamtverantwortung liegt (Ministerium) und nicht bei einer Frau, die erst seit kurzem im Amt ist und die bei der Personalentscheidung weder beteiligt noch bereits im Amt  war. Aber das nur am Rande.

Die gute Nachricht ist, dass das Ministerium mittlerweile dafür gesorgt hat, dass diese Personalunion aufgelöst und ein striktes Vier-Augen-Prinzip für die Beschaffung von Waffen und Munition beim Polizeilichen Sportschießen gewährleistet wird.

Der Minister selbst erklärte im Ausschuss, man habe festgestellt, dass Regeln nicht eingehalten wurden, die Regeln teilweise aber auch nicht klar waren und teilweise auch notwendige Regeln fehlten. Alle drei Punkte habe man inzwischen bearbeitet und unter anderem durch den neuen Erlass sowie die Funktionstrennung sicher gestellt, dass künftig Unregelmäßigkeiten entweder nicht mehr auftreten oder zumindest schnell erkannt werden. Dies allerdings war auch das Mindeste, was man erwarten kann, wenn der Verbleib von 25.000 Schuss Munition ungeklärt ist.

Zum Organisationsversagen gehört aber auch, dass die Innenrevisionen des Ministeriums und des Polizeipräsidiums trotz der Warnung des Landesrechnungshofs zu der Auffassung kamen, dass der Munitionsverbrauch plausibel sei. Lediglich die Dokumentation sei ein Problem. Im Ausschuss wurde deutlich, dass lediglich zwei Beteiligte durch die Innenrevision befragt wurden. Und erst als einer davon seine Aussage änderte, änderte das Ministerium seine Auffassung. Da steht zu befürchten, dass die Innenrevision möglicherweise auch bei anderen Problemstellungen ihren Aufgaben nicht gerecht wird und auch hier eine Neuorganisation angezeigt ist. Zumindest sollten die anderen Beteiligten noch befragt werden, um herauszufinden, wo die Munition verblieben ist.

Das Polizeiliche Sportschießen

Uns war wichtig zu verstehen, wie das Polizeiliche Sportschießen organisiert ist und wie die Abläufe sind. Auch das haben wir im Ausschuss erfragt.

Grundsätzlich handelt es sich beim Polizeilichen Sportschießen nicht um eine feste Einheit oder ähnliches. Vielmehr handelt es sich bei den Sportschützen um Polizeibeamte aus verschiedenen Organisationseinheiten, die sich an Wettkämpfen beteiligen. Dazu bewerben sie sich, wohl auf Empfehlung ihrer Vorgesetzten, für Sichtungsschießwettbewerbe. Sie können auch an Wettkämpfen wie bspw. Landes- oder Bundespolizeimeisterschaften teilnehmen. Auf diese Wettkämpfe bereiten sie sich teilweise privat, teilweise aber auch organisiert vom Fachwart Schießen vor. Für diese Wettkämpfe und für das Training werden Munition und teilweise auch Waffen zur Verfügung gestellt. Die offiziellen Trainings und Wettkämpfe werden in der Dienstzeit bestritten.

Die vom Rechnungshof geprüften Vorgänge waren solche Sichtungsschießveranstaltungen und auch Meisterschaften. Es war klar nachzuvollziehen, wie viele Personen für welche Zeit teilgenommen haben. Der Rechnungshof hat dann geprüft, ob in der jeweiligen Zeit die als Verbrauch angegebene Menge verschossen werden konnte. Da es Erfahrungswerte gibt, wie viel Schuss ein Schütze pro Stunde abgeben kann, konnte der Rechnungshof nachweisen, dass der angegebene Verbrauch teilweise eklatant über der Menge lag, die verschossen werden konnte.

Und wo ist die Munition nun?

Nach allem, was wir im Ausschuss gehört haben, ist zu vermuten, dass ein Teil der Munition nicht wie angegeben bei den jeweiligen Veranstaltungen verschossen wurde, sondern diese den Schützen für die Vorbereitung auf die Wettkämpfe bspw. für das Training im Verein „mitgegeben“ wurde. Dafür gibt es aber anscheinend keine Belege. Das heißt, wenn dem so war, ist völlig unklar und nicht mehr nachzuvollziehen, welche Person welche Menge an Munition mitgenommen hat. Und natürlich ist dann auch unklar, was die Person damit gemacht hat.

Im besten Fall wurde die Munition mitgenommen und für die Vorbereitung von Wettkämpfen „privat“, also im Verein bzw. auf Schießständen verschossen. Es wäre im nicht so schönen Fall aber auch möglich, dass zumindest ein Teil der Munition anderen Zwecken zugänglich gemacht, also bspw. verkauft wurde. Und es ist im schlimmsten Fall auch möglich, dass durch dieses Vorgehen und die mangelnde Nachvollziehbarkeit ein Teil der Munition in falsche Hände, also in kriminelle Milieus oder gar in die Hände von Rechtsextremen oder Rechtsterroristen geraten ist. Das klingt zwar erst einmal unwahrscheinlich, ist aber nicht völlig abwegig, da Brandenburger Behördenmunition bereits im Nordkreuz-Komplex aufgetaucht ist (dazu später mehr).

Es steht zu befürchten, dass nicht herausgefunden werden kann, ob und wenn ja wo die Munition außerhalb des Sportschießens verwendet wurde. Das Problem bei Munition ist nämlich, dass die nur über Chargenummern nachzuvollziehen ist. Selbige stehen jedoch nicht auf dem Patrone sondern nur auf der Verpackung. Und es sind sehr viele Patronen, die einer Charge zugeordnet sind, da es sich ind er Regel um die Fertigungsmenge eines Tages mit identischen Komponenten an einer Fertigungsstätte handelt. Das können schon mal mehrere Zehntausend Schuss sein, die den Weg zu verschiedenen Käufern finden. Deshalb gehen oftmals Patronen einer Charge an verschiedene Käufer. Es ist also nicht immer eindeutig feststellbar, aus welchen Beständen Munition stammt, zumal dies auch nur nachvollziehbar ist, wenn die Verpackung vorhanden ist. Eine klare Zuordnung einer einzelnen Patrone ist deshalb nicht möglich.

Das Ministerium hat angekündigt, dass die Dokumentation des Munitionsverbrauchs künftig elektronisch erfolgen und auch ansonsten umgestellt werden soll mit dem Ziel, dass Manipulationen oder auch mangelnde Dokumentation künftig nicht mehr so leicht möglich sind.

Finanzieller Schaden

Auch wenn der Schaden nicht in erster Linie ein finanzieller ist, haben wir auch gefragt, welchen Wert die Munition, deren Verbleib nicht geklärt ist, hat. Da es nicht genau klar ist, wie viele Patronen welcher Munitionsart (also Luftdruck-, Sport- und 9mm-Munition) genau fehlen, konnte dies nur näherungsweise beziffert werden.  Der Landesrechnungshof sprach von 20 bis 50 Cent je Schuss, der finanzielle Schaden liegt also zwischen 5.000 und 12.500 Euro.

Und die Waffen?

Wie oben dargestellt wurden im elektronischen Nachweissystem 24 der 34 Datensätze zu Sportwaffen geändert, nachdem bekannt wurde, dass der Landesrechnungshof eine Prüfung vornehmen wird.  Unsere Fragen dazu wurden im Ausschuss nicht beantwortet, weshalb hierzu nicht mehr bekannt ist als das, was im Bericht des Rechnungshofs steht. Dies werden wir in den kommenden Wochen jedoch nicht weiterbearbeiten und die Landesregierung schriftlich befragen.

Und Nordkreuz?

Ich hatte hier im Blog bereits vor drei Jahren ausführlich darüber berichtet, dass 13 Schuss Brandenburger Behördenmunition bei der rechtsterroristischen Nordkreuz-Gruppe aufgefunden wurden. Vermutlich sind diese Patronen über das Training verschiedener Brandenburger Polizeieinheiten auf einem Schießplatz in Güstrow, dessen Betreiber Kontakte zur Nordkreuz-Gruppe hatte, in die Hände der Rechtsterroristen gelangt.

Damals erklärte das Innenministerium, die Brandenburger Polizei vermisse gar keine Munition. Angesichts der aktuellen Vorgänge wundert das nicht. Wenn die Polizei in Brandenburg nicht einmal merkt, dass sie nicht weiß, wo 25.000 Schuss Munition abgeblieben wind, warum sollte sie dann 13 Patronen vermissen?

Es gibt aber einen zweiten Punkt, der im Zusammenhang mit den aktuellen Vorgängen stehen könnte. Auf jenem Schießplatz in Güstrow trainierten ausweislich der Antwort auf einen Kleine Anfrage Anfang 2017 auch vier Lehrwarte der damaligen Fachhochschule, jetzt Hochschule der Polizei. Bei der Hochschule der Polizei ist auch das Polizeiliche Sportschießen angesiedelt. Deshalb stellt sich nun die Frage, ob es hier personelle Überschneidungen gibt. Diese Frage ist mir im Ausschuss nicht beantwortet worden. Allerdings wurde gesagt, dass die Munition, die bei Nordkreuz aufgefunden wurde, eine andere ist als die, deren Verbleib aktuell ungeklärt ist.

Hier ist noch einiges offen, was wir schriftlich erfragen werden.

Vorläufige Einschätzung

Nach allem, was wir bisher wissen handelt es sich bei dem Vorgang um Organisationsversagen, das geeignet ist, das Vertrauen in polizeiliches Handeln zu erschüttern. Zwar ist zu betonen, dass es sich beim Polizeilichen Sportschießen um einen Sonderfall handelt. In den Polizeiinspektionen vor Ort ist die Dokumentation des Munitionsverbrauchs anders organisiert und der Rechnungshof hat keine Erkenntnisse, dass es in anderen Bereichen der Brandenburger Polizei solche Missstände gibt.

Dennoch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht sein darf, dass der Brandenburger Polizei 25.000 Schuss Munition abhandenkommen, und das über Jahre niemand merkt. 25.000 Schuss sind 500 Kisten á 50 Patronen. Wenn davon auch nur ein Bruchteil in die falschen Hände gerät oder sogar bei einem Verbrechen eingesetzt wird, entsteht ein hoher Schaden. Die Bevölkerung muss sich darauf verlassen können, dass gerade im Umgang mit Munition und Waffen besonders sorgfältig dokumentiert und geprüft und vor allem sichergestellt wird, dass diese nur für dienstliche Zwecke eingesetzt werden. Dies alles ist im vorliegenden Fall grob missachtet worden.

Und vor allem: Es ist über Jahre niemandem aufgefallen, dass etwas nicht stimmt. Besonders schwer wiegt, dass die Innenrevision auch nach den Hinweisen des Rechnungshofs kein Problem gesehen und stattdessen mitgeteilt hat, der Verbrauch wäre plausibel. Da stellt sich die Frage, ob die Innenrevision nicht gründlich genug geprüft hat oder welche anderen Gründe es für diesen eklatanten Irrtum gab. Möglicherweise muss hier über eine Umorganisation nachgedacht werden. Da bisher durch die Innenrevision auch nur zwei Beteiligte befragt wurden, ist es dringend angezeigt, alle Beteiligten zu befragen, um den Verbleib der Munition zu klären.

Höchst irritierend ist auch die mangelnde Information des Ministeriums. Es ist ungeklärt, weshalb die Staatsanwaltschaft so spät eingeschaltet und warum der Innenausschuss des Landtages und auch die Polizeibeauftragte des Landes erst informiert wurden, als die Veröffentlichung des Rechnungshofberichts unmittelbar bevorstand. Hier ist – gerade wenn man weiß, dass das Ministerium auch versucht hat, den Rechnungshof dazu zu bringen den Vorgang nicht in den Jahresbericht aufzunehmen – zu befürchten, dass das Ministerium versucht hat, den Vorgang zu vertuschen. Gerade angesichts der Schwere des Vorgangs wirft das ein katastrophales Licht auf die Informationspolitik des Ministers.

Klar ist: Der Vorgang muss umfassend aufgeklärt werden. Deshalb werden wir nun einige Anfragen an die Landesregierung richten und ziemlich sicher wird sich der Innenausschuss des Landtages nicht zum letzten Mal mit diesem Komplex beschäftigt haben.