Rede zum AfD-Antrag "Keine „Seebrücken“ auf unser aller Kosten!"

Rede zum AfD-Antrag „Keine „Seebrücken“ auf unser aller Kosten!“

Der AfD-Antrag „Kompetenzanmaßung diverser Kommunen stoppen und weitere Spaltung der Gesellschaft verhindern -keine „Seebrücken“ auf unser aller Kosten!“ wurde zwar von allen Fraktionen abgelehnt. Geredet werden musste dazu aber dennoch.

Meine Rede als Videomitschnitt ist hier verfügbar.

Den Text der Rede dokumentiere ich hier, zitiert aus der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei einem Antrag der AfD, der schon in der Überschrift die Worte „Kompetenzanmaßung“ und „Spaltung der Gesellschaft“ führt, dachte ich sofort: Na das wird ein großer Spaß! – Und tatsächlich, wenn man genauer hineinguckt, ist es ein großer Spaß, weil der Antrag eine einzige Kompetenzanmaßung in dem Sinne ist, dass Sie Kompetenzen vortäuschen, die Sie einfach nicht haben.
Er hat fachliche Schwächen. Ich empfehle einen Blick in § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Wenn Sie da reingucken würden, würden Sie sehen: Es gibt das Recht der Länder, Landesaufnahmeprogramme zu schaffen. Sie würden dann auch sehen, dass dort das Einvernehmen des Bundes vorausgesetzt wird. Damit ist ihr Antrag vollständig überflüssig: Es gibt ohne das Einvernehmen des Bundes keine Aufnahme in Deutschland!
Die zweite fachliche Schwäche: Wir lesen in Ihrem Antrag, dass die Landesregierung aufgefordert wird, „das Landesaufnahmeprogramm für […] Flüchtlinge zu stoppen“. Da fragt sich die interessierte Flüchtlingspolitikerin: Welches meinen Sie denn? – Wir haben nämlich in Brandenburg mehrere Landesaufnahmeprogramme, was Ihnen scheinbar noch nicht aufgefallen ist. Wir haben ein Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge, da geht es um Familiennachzug. Wir haben ein Landesaufnahmeprogramm für vom IS verfolgte Frauen, Jesidinnen, darüber haben wir schon häufiger geredet. Und die Koalition hat angekündigt, ein weiteres Programm zu schaffen, zur Aufnahme verfolgter religiöser Minderheiten. Es gibt also „das“ Programm, von dem Sie sprechen, nicht; auch damit zeigen Sie, dass Sie nicht wissen, worüber Sie reden.
Es geht aber weiter mit der Kompetenzanmaßung: Sie fordern, dass die Kommunalaufsicht darauf hinwirken solle, dass Kommunen aus Bündnissen austreten. Meine Damen und Herren, das ist ein klassischer Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung! Die AfD hat bis heute nicht verstanden, wie unser Land konstituiert ist. Es geht das Land rein gar nichts an, in welchen Bündnissen, Initiativen oder Verbänden Kommunen auf Beschluss von demokratisch gewählten Vertretungen Mitglied werden. Es geht das Land nichts an! So viel zur Kompetenzanmaßung.
Ich will aber auch zum zweiten Teil der Überschrift, zur „Spaltung der Gesellschaft“, etwas sagen. Meine Damen und Herren, Spaltung der Gesellschaft entsteht nicht durch Humanität und Solidarität, sondern durch Hass und Hetze. Dass es von der AfD in dieser Sitzung wieder einmal einen Antrag zu Flüchtlingen geben musste, um die eigene Klientel zu bedienen: geschenkt. Eigentlich könnte man an dieser Stelle aufhören – wenn es nicht eine neue Qualität gäbe, auf die ich das Hohe Haus hinweisen möchte, und zwar mit dem Satz, es ginge den Organisatoren der „Seebrücke“ nicht um Humanität, sondern – Zitat – „um die Veränderung der Zusammensetzung der europäischen Wahlbevölkerungen“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir mitten – wirklich mitten – in der Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“. Zwar vermeiden Sie in der Begründung diesen Kampfbegriff der „Neuen Rechten“, doch konzeptionell geht es
genau darum: Die Unterstellung der Existenz eines geheimen Plans, dass die weiße Mehrheitsgesellschaft durch nichtweiße, am besten muslimische Menschen ausgetauscht werden soll. Mit dieser Formulierung entlarven Sie sich selbst und zeigen erneut, wo Sie ideologisch stehen: in „bester Gesellschaft“ mit Antisemiten, Rassisten und Identitären und mittendrin im völkischen Denken – danke für diese Klarstellung von Ihnen selbst!
Meine Damen und Herren, mit uns wird es selbstverständlich einen solchen Beschluss nicht geben. Wir stehen für sichere Fluchtwege und werden auch weiterhin jede Initiative – ob nun von Kirchen, Vereinen oder Verbänden oder eben von Kommunen, die das Sterben im Mittelmeer und die fortgesetzte Unterlassung von Hilfeleistung beenden wollen – unterstützen!
Meine Damen und Herren, nicht Initiativen wie die „Seebrücke“ spalten die Gesellschaft, sondern Sie tun es! Das Konzept der „Seebrücke“ ist ein anderes als das Ihrige: Solidarität – mit Menschen in Not – und Humanität – zwei Wörter, die der AfD offenbar völlig fremd sind. Wir lehnen ab.“