Rede zum LINKEN Antrag  "Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain weiter beitreiben"

Rede zum LINKEN Antrag „Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain weiter beitreiben“

Wir haben einenAntrag „Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain weiter betreiben“ in den Landtag eingebracht, um die Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain zu verhindern. In der Debatte habe ich dazu zu Anfang und zum Ende geredet, sowie eine Kurzintervention gemacht. Die Reden sind als Video dokumentiert: Rede am Anfang der Debatte, Kurzintervention zur Rede des Kollegen Lakenmacher und Rede am Ende der Debatte.

Meine Redebeiträge dokumentiere ich hier auch textlich, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift.

Der Beitrag zu Beginn der Debatte:
„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Das Land wird die Kommunen entlasten, indem wir Menschen länger in Landeseinrichtungen unterbringen. Dafür sind 3 000 neue Plätze vorgesehen, in einem ersten Schritt schaffen wir jetzt 1 500.“
Das sagte Herr Ministerpräsident Woidke im Interview mit der MOZ am 6. Mai 2023. Der Innenminister hat selbiges nicht nur einmal mitgeteilt – er hat den Landräten 3 000 zusätzliche Plätze in der Erstaufnahme versprochen und auch in der Öffentlichkeit den starken Mann markiert, der jetzt endlich handelt und die Erstaufnahmekapazitäten um 3 000 Plätze erhöht.

Das klingt alles gut. Zusätzliche Kapazitäten in der Erstaufnahme würden die Kommunen auch tatsächlich zumindest kurzzeitig entlasten – nur doof, dass es leider nicht stimmt. In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden keine zusätzlichen Kapazitäten geschaffen. Im Gegenteil: Mit der Schließung der Einrichtung in DoberlugKirchhain werden 1 090 Plätze abgebaut – und mit der Schließung des ehemaligen AWO-Wohnheims in Eisenhüttenstadt weitere 500. Rechnen wir zusammen – 1 590 Plätze werden abgebaut. Dieser Platzabbau wird durch zusätzliche Containerbauten mit jeweils 500 Plätzen in Eisenhüttenstadt, Wünsdorf und Frankfurt (Oder) nicht einmal kompensiert – die Platzzahl sinkt insgesamt um 90 Plätze.

Der Innenminister und auch der Ministerpräsident täuschen also die Öffentlichkeit und die Landräte. Man könnte auch sagen, sie belügen die Öffentlichkeit und die Landräte.

Meine Damen und Herren, das allein wäre schon ein Problem. Es kommt aber noch dicker: Dieser Platzabbau kostet das Land richtig Geld. Mehr als 30 Millionen Euro sind für die Errichtung und den Betrieb der Kapazitäten in den Containern für 2023 und 2024 eingeplant – davon allein 15 Millionen Euro für Investitionen, 15 Millionen Euro für den Abbau von 90 Plätzen in der Erstaufnahme. Herzlichen Glückwunsch! Der Landesrechnungshof wird seine Freude daran haben, denn das ist Geldverschwendung pur.

Es ist auch deswegen Geldverschwendung, weil die Einrichtung in Doberlug-Kirchhain erst vor wenigen Jahren mit ca. 20 Millionen Euro ertüchtigt wurde. Ob dafür Bundesgelder geflossen sind, die möglicherweise zurückgezahlt werden müssen, konnte das Ministerium im Ausschuss nicht beantworten. Ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Da wird eine gut funktionierende und gut ausgestattete Einrichtung geschlossen, da wird das Fachpersonal auf die Straße gesetzt, und das Ministerium hält seine Zusagen, sich um die Mitarbeiter zu kümmern, nicht ein. All das erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem klar ist, dass die Kapazitäten in der Erstaufnahmeeinrichtung dringend gebraucht werden. Diese gut ausgestattete Einrichtung soll dann durch Containerplätze ersetzt werden. Woher man das Personal an den drei Standorten nimmt, weiß man bis heute nicht.

Meine Damen und Herren, es wurde bis heute kein fachlicher Grund für die Schließung der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain genannt. Das Einzige, was dem Ministerium eingefallen ist, war, zu sagen, die Einrichtung sei der teuerste Standort der Erstaufnahme. Aber nicht einmal das stimmt: Beispielsweise war die Einrichtung in Wünsdorf im Jahr 2021 sowohl in der Gesamtsumme als auch auf den einzelnen
Platz gerechnet teurer.

Meine Damen und Herren, es war eine eklatante Fehlentscheidung des Innenministers, bei der er anscheinend nicht in der Lage ist, sie rückgängig zu machen. Nun, dann muss das Parlament ran.

Meine Damen und Herren, Sie haben heute die Chance, dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten zu helfen, ihre Versprechen gegenüber der Öffentlichkeit und den Landräten einzulösen und nebenbei eine eklatante Geldverschwendung zu verhindern. Ich freue mich auf die Debatte.“

Hier folgt die Kurzintervention zur Rede des Kollegen Lakenmacher:

„Herr Lakenmacher, ich lasse mir ungern vorwerfen, ich würde hier irgendwas wahrheitswidrig erzählen. Deshalb zitiere ich mal aus einer Kleinen Anfrage, die der Innenminister mir beantwortet hat; da ging es um die Kosten der Standorte der Erstaufnahme: Da hatten wir im Jahr 2021 in Wünsdorf für die Liegenschaft 2,565 Millionen Euro Kosten und für die Bewirtschaftung 10,4 Millionen Euro Kosten. Das macht 12,975 Millionen Euro für 1 011 Plätze. Und wir hatten in Doberlug-Kirchhain im gleichen Jahr für die Liegenschaft 2,04 Millionen Euro, für die Bewirtschaftung 10,3 Millionen Euro. Das macht Gesamtkosten in Höhe von 12,36 Millionen für 1 090 Plätze. Insofern war Wünsdorf im Jahr 2021 – und nur das ist vergleichbar, weil seit Dezember 2022 schon ein Teil von Doberlug-Kirchhain an den Landkreis verpachtet ist -, also nach den aktuellsten Zahlen, sowohl auf den Platz gerechnet als auch auf die Liegenschaft insgesamt, inklusive Bewirtschaftung, teurer als der Standort Doberlug-Kirchhain.“

Und meine Rede zum Ende der Debatte:
„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Debatte, die zumindest in Teilen sehr klar gemacht hat, was auch die Koalitionspartner von dem Ego-Trip und der eklatanten Fehlentscheidung des Innenministers halten.
Ich will dennoch auf einige Punkte eingehen.

Wir haben – das stimmt im Übrigen – den Standort Doberlug-Kirchhain nie für ideal gehalten. Er ist aber gut ausgebaut und hat in den vergangenen Jahren funktioniert. Die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dem Land in einer Situation, in der es hier sehr schwierig war – Zelte in der Erstaufnahmeeinrichtung usw. -, durch ihr Engagement sehr geholfen. Diese Mitarbeiter wurden nun auf die Straße gesetzt, ohne dass es auch nur einen einzigen fachlichen Grund dafür gibt. Diesen Mitarbeitern wurde mitgeteilt: Euch brauchen wir nicht mehr. – Zugleich hören wir permanent: Es braucht neue Kapazitäten in der Erstaufnahme.

Wir hatten hier eine Einrichtung mit einem guten Standard. Insofern können wir uns gern einmal über die Standards von Unterbringungseinrichtungen unterhalten. Herr Bretz, wir beide können auch gern einmal zusammen eine Containerunterkunft besuchen. Dann erkennen Sie auch den Unterschied zwischen der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain, die gut ausgebaut ist, und den Containerplätzen, die nicht einmal den Mindestanforderungen des Landesaufnahmegesetzes entsprechen, aber derzeit in Wünsdorf aufgebaut werden. Das ist das Problem.

Und wir haben das Problem, dass es eben kein Personal gibt. Das Innenministerium hat im Innenausschuss mitgeteilt, dass es nicht wisse, woher es das Personal für die zusätzlichen Containerplätze nehmen soll. In Doberlug-Kirchhain hätte es das notwendige Personal gegeben. Die dortigen 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Fachpersonal des DRK – sind jetzt irgendwo anders, aber jedenfalls nicht mehr dort.

Der nächste Punkt, Herr Innenminister: Ihr Ministerium hat bekannt gegeben, dass sich das Land ein Belegungsrecht in Doberlug-Kirchhain sichert. Leider habe ich darüber heute nichts gehört. Aber ich sagte Ihnen schon im Innenausschuss dazu: Dieses Belegungsrecht ist ein Placebo für Ihre Koalitionspartner, weil Sie dort kein Personal haben werden. Das geht aus der Ausschreibung des Landkreises für diesen Standort eindeutig hervor. Das heißt, es wird seitens des Landes keine Belegung dort geben können, es sei denn, man zieht Personal an anderen Standorten ab.

Letzter Punkt, den ich noch erwähnen möchte: Herr Scheetz, ich habe ein bisschen gezuckt. Ich habe wirklich ein bisschen gezuckt, als Sie uns hier sagten – ich übersetze es ein wenig -: Wir wissen, dass es eigentlich falsch ist.

Ihre Fraktion finde nicht, dass es ein konstruktiver Beitrag sei – so war die Formulierung von Herrn Scheetz. Dennoch lassen Sie diese Geldverschwendung, wie ich vorhin ausgeführt habe, durchgehen. Insofern frage ich mich tatsächlich: Wie katastrophal muss der Zustand einer Koalition eigentlich sein, wenn sie nicht in der Lage ist, eine solche Fehlentscheidung zu korrigieren, sondern stattdessen weiterhin in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, und zwar auch durch den Ministerpräsidenten, hier würden zusätzliche Kapazitäten aufgebaut werden, obwohl sie in Wahrheit abgebaut werden. Aus diesem Grund bin ich ein bisschen enttäuscht darüber, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen. Ich hatte das aber, ehrlich gesagt, befürchtet. Ich halte es dennoch fachlich für falsch. Ich halte es für die Geflüchteten für falsch, weil sie dann unter deutlich schlechteren Bedingungen untergebracht werden, wie ich eben ausgeführt habe. Und ich halte es auch aus fiskalischen Gründen für falsch. – Herzlichen Dank
für die Aufmerksamkeit.“